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Dear Louis,

das ist mein letzter Brief an dich. In diesem Brief wollte ich dir mein letztes, eigentliches "Problem" erzählen. Ich zögere es jetzt nicht hinaus, du sollst es wissen. Was ich angefangen habe zu erzählen muss ich auch zu Ende erzählen, ansonsten wäre es nur eine halbfertige Geschichte. Aber zuerst wollte ich dir sagen, dass Neena vor meiner Haustür stand. Wir hatten uns gestritten und dann knallte sie mir eine. Blödes Miststück (die Beleidigung ist untertrieben, wenn du mich fragst). Ich brauche Zeit für mich, aber weißt du, was dämlich ist? Wenn ich jetzt gehe und alleine bin, dann werde ich mehr zu diesem depressiven Wrack, was ich nicht sein will. Ich habe mir das immer so vorgestellt: 2 verschiedene Persönlichkeiten leben in mir, einmal das wirkliche Ich und mein depressives Wrack. Beide kämpfen um die Oberhand meines äußeren Erscheinungsbildes bzw. wie ich letztendlich auf Andere wirke und wie es in mir aussieht. Das Depressive in mir ist gerade dabei zu gewinnen. Okay, mach dir keine Sorgen (ich weiß nicht, warum du dir Sorgen machen solltest), bin ja nur ich. Samiya Fitzgerald-Clark, gehasst von der Cousine und ungeliebt von der eigenen Mutter. Meine Mutter hat einen an der Waffel. Das habe ich immer geantwortet, wenn man mich nach meiner Mutter fragte. Ich spinne, oder? Das glaubst du bestimmt jetzt. Im Laufe der Jahre hatten alle in der Familie verstanden, dass sie psychisch krank ist. Jetzt glaube aber nicht, dass wir sie alleine gelassen haben und ihr nicht helfen wollten. Wir hatten versucht ihr zu helfen, doch sie ließ sich nicht helfen. "Mutter" wollte mich zum gleichen Miststück, wie sie es war, machen. Uhm ja, sie ist gefailt. Die Leute lieben mich (das soll jetzt auf gar keinem Fall eingebildet klingen). Im Laufe der Zeit, wo ich älter wurde, bekam ich langsam Angst. Du musst wissen, dass ich keine eigene Meinung haben durfte. Was meine Mutter sagte/dachte, war somit automatisch (leider) auch meine Meinung. Ich durfte nie die Sachen haben, die ich haben wollte oder so. Kennst du "Döner"? Ich durfte bis ich 13 Jahre alt war keinen Döner essen. Warum? Sie mochte keinen Döner. Kennst du Todesblicke? Ja? Nein? Jedes Mal, wenn sie mich ansah, bekam ich ihren Todesblick. Sie hatte uns gehasst! Jetzt denke nicht, dass es nicht stimmt. Denn es stimmt. Ungelogen. Es stimmt. Als ich 10 Jahre alt war, hatte ich Addy einmal getreten (was völlig normal war, "Geschwisterliebe" eben) und "Mutter" sagte zu mir: "Tretest du ihn noch einmal und er deswegen seine einzige Niere verliert, dann musst du ihm eine spenden!" Als kleines Mädchen konnte ich noch gar nicht wissen, dass sie es nicht einfach zu bestimmen hatte und mich zudem nicht zwingen konnte. Es ging ja noch weiter. Aber ich will schnell zum Ende kommen, ich muss vom Arzt nämlich noch eine Krankmeldung holen und sie bei Joline abgeben, danach werde ich nach Cambridge fahren. Jiggy weiß nichts davon, dass ich die Schlüssel aus seiner Wohnung geholt habe. Egal, weiter im Text! Ich erinnere mich daran, wie sie mich nach dem Fußballtraining immer eineinhalb Stunden hat warten lassen. Ich hatte meine Noten nur ungern gezeigt, weil ich eben Angst hatte und dieser Blick... Oh Gott. Diese Erinnerung... bin ich froh, dass ich den Blick nicht mehr sehen muss. Im Alter von 13 Jahren bekam ich Angst nach Hause zu gehen, weshalb ich zur Ausbildungsstelle meiner Schwester fuhr und hatte gewartet, bis sie Feierabend hatte, um dann mit ihr nach Hause zufahren. "Mutter" hatte mir verboten auf Veranstaltungen zu gehen, die wichtig für mich waren. Ich war abgehauen, um auf die Veranstaltungen zu gehen. Es war mir egal, denn ich hatte die Erlaubnis meines Vaters und er half mir beim Abhauen. Dann kam der Dienstagabend, der mir für immer in Erinnerung bleiben wird. Ich war mittlerweile 14 Jahre alt, mal so ganz nebenbei. "Mutter" kam in mein Zimmer, wo Allie und Dad nicht mehr im Haus waren, und knallte mir 4 Sachen an den Kopf. Sache no. 1 war, dass es sie nicht wundern würde, wenn Papa bald Aids kriegen würde, wenn er von Bett und Bett springt (er hat sie nie betrogen). Sache no. 2 war, dass ich Dads "Neue" an meine Tür hängen kann (an meiner Tür hingen Bilder für mir sehr wichtige Personen). Addy kam aus seinem Zimmer und schickte "Mutter" runter. Als er wieder verschwand, kam "Mutter" wieder hoch und es ging weiter. Sache no. 3 war, dass sie mir vorwarf undankbar zu sein und sich deshalb überlegt hatte, Tabletten zu holen und sich das Leben zu nehmen. Die vierte und letzte Sache war dieser Satz, der mich komplett aus der Bahn warf und zerbrechen ließ:

"Ich bereue es, dich geboren zu haben."

xx Leb Wohl, Samiya

P.S. Ich liebe dich.

Das war's wohl. Ich bin am Ende.

Dear LouisWhere stories live. Discover now