O1

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"Taylor, hast du meinen Füller gesehen?", frage ich meine beste Freundin und suche schon im ganzen Haus nach meinem pinken Füller.

Der Kopf meiner besten Freundin erscheint um die Ecke: "Hast du ihn vielleicht in der Küche liegen gelassen?"

"Nein, da habe ich schon nachgesehen...", murmle ich und überlege weiter, wo mein Füller sein könnte.

"Wohnzimmer?", schlägt Tay weiter vor und ich schüttle den Kopf.

Sie schaut mich von oben bis unten an, zieht eine Augenbraue hoch, seufzt und verdreht die Augen.

"Was ist?", frage ich sie und sie zieht die Augenbraue noch höher.

Sie seufzt nochmal. "Schau in deine Hand", meint sie und ich schaue zur rechten Hand. "Nein, die Linke."

Mein Blick fällt auf meine linke Hand, die meinen Füller fest umschlungen hält. "Oh...", fällt es mir aus den Mund und Tay beginnt zu grinsen.

"Du bist so dämlich, Darling", grinst sie und verschwindet in ihr Zimmer. Mit meinem pinken Füller setze ich mich in mein Zimmer aufs Bett und starre auf mein Collegeblock, der auf der Fensterbank liegt.

Ich befolge den Rat meiner Therapeutin und habe mir einen Collegeblock extra für Briefeschreiben angelegt, Briefumschläge gekauft und einen kleinen Schuhkarton angelegt, den ich aus reiner Langeweile verschönert habe. Zumindest hat er jetzt ein besseres Aussehen.

Seufzend nehme den Deckel meines Füllers ab und setze an. Doch ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, weshalb ich einfach beschließe, drauf los zu schreiben. Wird schon schief gehen.

Dear Louis,

ich schreibe Briefe an dich, die ich niemals abschicken werde. Denn es werden eine Art Tagebuch-Briefe werden. Warum? Nun ja, ich persönlich finde es einfacher über Probleme zu reden, in diesem Falle zu schreiben, weil man es gezielt an jemanden schreibt. Man sagt ja, es soll wie eine Therapie sein. Vielleicht finde ich aus meinem schwarzen Loch. Ich habe dich ausgewählt, weil du eine Person bist, zu der ich mich hinzugezogen fühle und bei dir bin ich mir sicher, dass du niemals meine Briefe erhalten wirst. Alleine schon aus dem Grund, dass ich ein einfaches Mädchen bin und du ein großer Superstar bist. Ich soll dir von meinen 'Problemen' erzählen, aber weißt du... ich habe nicht wirklich Lust drauf. Es ist zu viel zum erzählen. Aber hey! Wird schon schief gehen. Erzähle ich dir erstmals was über mich, meinem Leben, Freundinnen... first of all: Ich heiße Samiya Fitzgerald-Clark und bin 17 Jahre alt. Mit meiner besten Freundin Taylor May, 18 Jahre alt, wohne ich in einem großen Haus in London, unter anderem sind wir hier in einer WG mit Celine, Mary, Nora, Anja und Lena. Wir sind insgesamt 7 Mädchen, aber nur Tay weiß von den Briefen. Sie will, dass ich sie abschicke, aber hallo? Nein? Es ist ja wie ein Tagebuch für mich. Mal abgesehen davon weißt du gar nicht, dass ich existiere und alles weitere. Ich mag meinen Namen nicht so wirklich... ich meine: Hallo? Samiya? Bisschen bescheuert oder? Deswegen bin ich meistzeit für andere Sam oder Sami. Jetzt wo ich so über meinen Nachnamen nachdenke... Fitzgerald-Clark? Hört sich doch total bescheuert an. Hier musst du dir ein theatralisches Augenverdrehen vorstellen. Ich bin keine Dramatikerin, falls das so rüberkam. Im wirklichen Leben bin ich unter mir bekannten Menschen echt laut, aber steck mich niemals mit 8 fremden Personen in einen Raum. Glaub mir, ich bin die, die du am wenigsten hören wirst. Ich hasse fremde Menschen. Aber wenn es eine einzige Person ist, rede ich wie ein Wasserfall. So schrecke ich sie alle ab, glaube ich zumindest. Wenn ich die Person nicht abschrecke, dann glaube mir, ich mag sie. Okay, das kommt gestört rüber. Wenn du mehr über mich erfahren willst: Ich bin tollpatschig, sarkastisch, mit mir hat man Spaß, chaotisch, uhm... hilfsbereit, nett und - wie dumm es auch klingen mag - sensibel. Oftmals glaube ich einen richtig an der Waffel zu haben. Aber du ja auch! :) Also... nichts gegen dich, ich kenne dich nicht wirklich, aber... die Videos, die ich sehe, reichen mir. ;) Nein scherz, okay. Ich will dich nicht beleidigen. Leider muss ich jetzt zur Arbeit, also... wir sehen u- halt, warte. Wir sehen uns gar nicht. Das kam jetzt blöd. Okay. Neuanfang! Leider muss ich jetzt zur Arbeit, also... im nächsten Brief schreibe ich dir von meinem ersten Problem. Bis zum nächsten Mal.

xx in love, Samiya

Ein letztes Mal sehe ich mir den Brief an, ehe ich ihn zusammenfalte und in den Briefumschlag kloppe. Auf dem Briefumschlag schreibe ich eine dicke, fette 1, um den klar und deutlich für mein späteres, dämlicheres Gehirn zu machen, dass es einzig und alleine der erste Brief ist. Man, bin ich mal wieder nett zu mir selbst.

Um endlich in die Puschen zu kommen, packe ich den Brief in den kleinen aber feinen Schuhkarton und verstaue ihn unter meinem Bett neben dem Nachttisch.

"Samiya, sollst du nicht zur Arbeit?!", höre ich Tay von ihrem Zimmer aus rufen und ich stehe augenverdrehend auf.

"Ja!", rufe ich und krame aus meiner Hosentasche ein Zopfgummi hervor, um mir meine Haare zu einem Zopf zusammenzubinden.

Schnell suche ich meine notwendigen Sachen zusammen und schmeiße sie allesamt in meine Tasche hinein, um kurz darauf das Haus zu verlassen. Okay, auf dem Weg ziehe ich mir meine Schuhe noch an und hample auf der Straße herum, um mir (ich blamiere mich) einen verdammten Schuhe anzuziehen. Bevor ich mich aber richtig aufs Maul packe, fange ich mich und renne zur U-Bahn-Station, um meine bescheuerte Bahn nochmal zu kriegen.

Völlig abgehetzt komme ich bei meiner Bahn an und bekomme so knapp meinen Arsch mit hinter die Tür, ansonsten hätte es ein minimales Stück wehgetan. Aber nur minimal.

Jeden Tag das Gleiche, wenn ich zur Arbeit soll... obwohl, nein. Ich habe diesmal nicht die Zeit wegen Musikhören verpennt, sondern weil ich einen bescheuerten Brief geschrieben habe. Nun gut, ich will nicht pessimistisch klingen, aber... bringt mir das irgendetwas? Wenn die restlichen Mädchen das herausfinden, alter Schwede, ich wäre die größte Lachnummer. Ach, die bin ich jetzt schon, sollte für mich ja eigentlich nichts neues sein. Nein ok, ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen und bin eher die kleine, graue und dennoch lachende Maus im Hintergrund, die jeder Vollidiot übersieht.

Erschöpft lasse ich mich auf einen freien Sitz in der U-Bahn fallen und schaue aus dem Fenster, um mir die dunklen Wände der U-Bahn reinzuziehen. Was für ein großes Kino. Nicht.

Allerdings ist es mir nicht gegönnt, abzuschalten, denn plötzlich merke ich, wie sich mir jemand auf den Schoß setzt. Erschrocken schaue ich zu der Person, die sofort (und ebenso erschrocken wie ich) aufsteht und mich aus verdunkelten Gläser einer schick aussehenden Sonnenbrille anschaut.

"Tut mir leid", entschuldigt sich derjenige sofort und ich sehe ihn weiterhin nur stumm an. Passend zum Thema 'Ich bin eine kleine graue Maus, die jeder Vollidiot übersieht'. Ich werde ja schon als Sitzkissen missbraucht. "Alles okay bei Ihnen, Miss?", fragt mich der Typ und ich schaue ihn weiterhin an, doch werde jäh unterbrochen, als die krüppelige Stimme der U-Bahn-Ansager-Lautsprecher-Dings-Bums meine Station aufsagt und ich einfach aufspringe, und wie eine Irre aus der Bahn sprinte.

Während ich die Treppen hochsprinte, denke ich mir die ganze Zeit 'Jetzt bloß nicht aufs Maul fliegen, jetzt bloß nicht aufs Maul fliegen, jetzt bloß nicht a- fuck'. Und schon liege ich platt wie eine Flunder mitten in der Londoner Innenstadt auf der Treppe und sehe zu, wie meine Schicht jetzt anfängt.

Doch ich bin Samiya Fitzgerald-Clark und lasse das nicht auf mir sitzen! Okay, ich hab's heute überhaupt nicht drauf. Ach egal, ich muss reinhauen, egal wen ich anremple. Hauptsache ich komme keine 5 Minuten zu spät, sondern nur 2!

Dear LouisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt