n i n e t e e n

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,,I would let you go, even if it will break my heart"

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Diese Nacht hat Naeun in ihrem eigenen Bett verbracht. Jimin fiel ihre Abwesenheit als Erstes auf, als das schrille Piepen des Weckers ihn unsanft aus dem Schlaff riss. Benommen und panisch hat er über die Bettkanten gelugt, ob sie vielleicht in der Nacht herunter gerollt war. Doch als er auch dort die Fünfjährige nicht sah, ließ er sich für einen kurzen Moment wieder zurück in die Wärme seiner Kissen sinken, schloss erneut genüsslich die Augen, obwohl er wusste, dass er sich auf verdammt dünnes Eis begab.

Irgendwann schaffte er es dann doch aufzustehen, sich ins Bad zu quälen und dann fertig zu machen. Während er sich die Zähne putzte und den Morgen mit dem Abchecken der neuesten Tweets verbrachte, verfluchte er wie so oft die Uhrzeit, um die er nach den kostbaren freien Tagen nun wieder aufstehen müsste, um seiner Arbeit nachzugehen. Viertel vor sechs war ihm da doch noch etwas zu früh.

Jimin zog sich an und vernahm bereits das Klirren des Geschirrs in der Küche. Sie lagen heute gut in der Zeit, einige von ihnen aßen meist noch ein wenig zu Hause, doch meistens nutzten sie diese paar Minuten die sie nun zum Frühstücken übrig hatten, um noch ein wenig weiter zu schlafen.

,,Guten Morgen", begrüßte Taehyung ihn und lehnte an der Kücheninsel, leerte nach und nach ein Glas Wasser. Jungkook hockte neben ihm, Airpods in den Ohren und die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, um die Müdigkeit zu kaschieren. Man könnte meinen, dass Jungkook ein Morgenmuffel sei, dabei ist der Jüngste von ihnen oft der Erste, der aufstand und auf die restliche Band wartete. Namjoon lässt im Gegensatz zum Vokalisten gerne mal auf sich warten. Und so sollte es auch heute sein, als sie zu sechst im Wohnzimmer und der Küche saßen.

,,Ich glaube du kannst Naeun langsam mal wecken", bemerkte Seokjin mit einem Blick auf die Uhr, wandte sich dabei an Jimin, der es im gleich tat und dann aufstand, um seine Tochter zu wecken. Mittlerweile hatten sie Halbsieben und würden zur vollen Stunde dann los fahren wollen.

Leise öffnete er die Tür und betrat den Raum, in dem das Nachtlicht noch immer ganz zauberhaft die Wände beleuchtete, wie am Abend zuvor, als er es das letzte Mal gesehen hatte. Jimin trat an das Bett Naeun heran, in dem das Mädchen zusammengerollt lag, ihre Haare auf dem Kissen ausgebreitet, wie ein Fächer.

,,Aufwachen", raunte er ganz leise, beugte sich dafür über die Fünfjährige und strich ihr sanft das Haar von der Wange und dem Ohr. Als seine Fingerspitzen ihre Haut berührten, zuckten ihre Augenlider kurz.

,,Du musst dich fertig machen, denn wir können dich nicht alleine hier lassen. Also musst du jetzt leider aufwachen Naeun..", flüsterte er und ihm tat es auch irgendwie Leid, sie wecken zu müssen, wo sie doch so friedlich geschlafen hatte.

Als sie ihre Augen dann öffnete und sich mit ihrem zerknautschten Gesicht aufsetzte, streckte sie bedürftig die Arme nach oben. Sie brauchte nichts zu sagen, denn die Bindung, die sich in den vergangenen Tagen zwischen Jimin und ihr ausgebildet hatte, war bereits so stark, dass sie manchmal keine Worte brauchten, um auszudrücken, was sie wollten oder benötigten. Und mit jedem Tag, mit jeder Minute wurde diese Bindung, diese neue aber berauschende Erfahrung für Jimin stärker. Er war glücklich, auch wenn er dieses Wort mit Bedacht wählen musste. Denn selbst mithilfe Naeuns fragte er sich, ob es ihm irgendwann wieder gelingen würde, absolute Glücksseligkeit zu erlangen.

Jimin half ihr beim Fertig machen, band ihr zum Schluss wieder einen Zopf. Und an diesem Morgen klappte es erstaunlich gut. Schon beim ersten Versuch befanden sich alle Haare im Haargummi und die sonst so skeptische Fünfjährige war einfach noch zu müde, um sich ihrer Frisur genauer anzunehmen.

Hand in Hand kamen die Beiden dann ins Wohnzimmer, zeitgleich mit Namjoon, der einen Kaffeebecher in den Händen hielt und sich an diesem festklammerte, als würde von diesem sein Leben abhängen. Yoongi hatte sich und den Anderen etwas Obst geschnitten und davon etwas extra für Naeun zur Seite gepackt, die sich direkt an der Banane und der Kiwi erfreute, die sie in einer Schale in die Arme gedrückt bekam.

Sie zogen sich an und Jimin saß gemeinsam mit Naeun als Erster im Auto. Das Mädchen schloss sofort wieder die Augen und lehnte ihren Kopf auf die Schulter seines Vaters, der das Bisschen Zeit nutzte, um die neuen ungelesenen Nachrichten seiner Mutter zu öffnen und zu lesen.

,,Du hast nicht angerufen."

,,Ruf ihn an, er erwartet deinen Anruf."

,,Jimin."

Als er seinen Namen las, hörte er im Kopf den strengen Unterton seiner Mutter, die diesen verwendet hatte, wenn er etwas angestellt oder eine schlechte Note nach Hause gebracht hatte. Damals hatte er eine solche Angst vor seinen Eltern, insbesondere seinem Vater gehabt, dass er nicht wirklich oft so zurecht gestutzt werden musste. Er war ein braver, gehorsamer Junge gewesen. Und dennoch nie gut genug.

Als sich die Autotür öffnete und Taehyung und Hoseok kichernd einstiegen, schraubten sie ihre Lautstärke bei dem Anblick Naeuns sofort herunter. Jimin ließ sein Handy in seiner Jackentasche verschwinden und lehnte seinen Kopf gegen die kalte Scheibe, schloss die Augen, genauso wie seine Tochter.

Er würde ihn nicht anrufen. Er war sich bewusst, dass es respektlos war und trotzdem. Er war ein erwachsener Mann. Wenn sein Vater ihn so dringend sprechen wollte, wusste er auch selbst, wie man eine Nummer in ein Telefon eingab. Jimin hat es aufgegeben, seinen Anforderungen gerecht zu werden. Und als der Drang verblasste, um die Gunst seines Vaters kämpfen zu müssen, verwarf er dieses dämliche Konzept komplett. Welches Kind sollte für die eigentlich selbstverständliche Liebe und Unterstützung seiner Familie kämpfen müssen? Richtig: Keines.

Die Jungs wussten über seine familiäre Situation Bescheid. Während die Eltern der Anderen wichtige Konzerte ihrer Band besucht hatten oder ihnen kleine Pakete schickten, ihnen Briefe schrieben, um die langen Zeiten zu überbrücken, in denen sie sich nicht sahen - noch nie hatte Jimins Vater sich um etwas solch Banales wie Zuneigung geschert. Seine Mutter hat es versucht, aber sie hielt schlussendlich zu ihrem Ehemann.

Jimins kleiner Bruder, Jihyun, war der Einzige aus seiner Familie, der ihm irgendwie etwas bedeutete. Jihyun hat ihn hin und wieder angerufen, besuchte wenn er konnte eines der Konzerte, um ihn zu unterstützen, hat sich auch mit ihm getroffen, wenn Jimin mal Zeit hatte. Wenn sein Bruder nicht wäre, hätte Jimin die Nummern seiner Eltern bestimmt auch schon längst gelöscht. Doch Jihyun, dessen Verhältnis zu ihren Eltern erstaunlich gut war, wünschte sich auch heute noch, dass der älteste Sohn und der Familienvater der Park Familie sich aussprachen.

So einfach würde dies allerdings nicht sein.

Jimin sah auf Naeun herab, die sich etwas gedreht hatte und nun ihren Kopf auf Jimins Schoß , ihre Beine auf Jin ablegte, der in einem Youtube Video vertieft war. Behutsam fuhr er mit seiner Hand über das weiche Haar des Mädchens.

Er würde es besser machen, als sein eigener Vater. Naeun sollte eine wunderschöne Kindheit haben. Und selbst wenn es bedeutete, dass sie bei jemand Anderem besser aufgehoben war, dann war das so. Er würde sein Bestes geben, dass auf jeden Fall.

Nur wurde ihm bereits zu oft klar gemacht, dass sein Bestes nie ausreichte.

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Und wieder ein neues Cover - aber jetzt bin ich halbwegs zufrieden. ☀️

PAPA || pjm.Onde histórias criam vida. Descubra agora