Kapitel 17

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»Habe ich irgendetwas verpasst? Ich habe doch gerade meinen Namen gehört, oder?«, hakte er nach und sah uns stirnrunzelnd an. »Nein«, erwiderte Helene schnell und ich konnte nichts sagen. »Wir haben gerade nur über Noten gesprochen. Auch über die in Bio und Sport.« Wissend nickte er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, blieb aber wieder an Helene hängen. War es falsch, dass ich mit ihr darüber geredet hatte? Meine Tochter hatte es mir anvertraut und ich erzählte es weiter? Nutzte es als Vorwand, weil Helene ihre Klassenlehrerin war? Das war falsch, aber ich konnte es nicht rückgängig machen. »Ok, ich bin dann auch mal wieder verschwunden.« Wieder sah er Helene einige Sekunden an, dann verließ er den Raum.

»Du solltest ihm vielleicht mal sagen, dass du kein Interesse hast. Das war übrigens sehr knapp gerade"«, sagte ich etwas kühl und sofort bereute ich es. Sie sah mich erstaunt an. »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Ich weiß nur nicht, wo mir der Kopf steht. Das ist alles zu viel.« Sie kam auf mich zu und streichelte mir zärtlich über das Gesicht. Sie war mir ganz nah und ich wusste, dass sie die Frau war, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Ich konnte ihr nur in die Augen sehen und das Verlangen nach einem Kuss war so heftig, dass ich ihren Kopf zu mir zog und wir uns küssten. »Versprich mir bitte, dass es unter uns bleibt. Ich habe es vorhin schon einmal gesagt, aber sie darf davon nichts wissen«, murmelte ich flehend und sofort stimmte sie zu. »Natürlich. Ich werde es für mich behalten, das ist doch klar. Aber das ist trotzdem heftig. Ich habe das echt nicht gemerkt, dass sie ihn toll findet.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Ich möchte jetzt gar nicht ins Büro fahren«, seufzte ich. »Ich würde am liebsten schwänzen und den Tag mit dir verbringen.« Sie überlegte. »Wir können zwar nicht schwänzen, aber wenn du magst, können wir uns heute Abend ja sehen.« War das eine gute Idee? »Ich melde mich, ok? Ich möchte jetzt gern für Jette da sein und schauen, wie es ihr geht.« Sie nickte verständnisvoll. »Ja, melde dich einfach.« Sie hauchte mir noch einen Kuss zu, dann verließen wir beide den Raum. Ich lief gedankenverloren zum Auto und stieß fast mit Herrn Meyer zusammen.

»Oh, Entschuldigung«, säuselte er mir zu. »Ich habe Sie fast übersehen.« Ich winkte ab und wollte meinen Weg fortsetzen, da sagte er: »Ich hoffe doch, Jette macht keinen Ärger.« Wusste er es? Mir wurde heiß. »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte ich forschend nach. »In der Regel sieht man die Mütter nicht allzu oft in der Schule. Meistens nur, wenn die Schüler etwas ausgefressen haben.« Ich musste ihn wohl verdutzt angesehen haben, denn schnell ergänzte er: »Also ich meine, weil Sie so oft bei Frau Sturm sind.« Aha. Darauf wollte er also hinaus. »Mit Jette ist alles bestens. Frau Sturm und ich verstehen uns ganz gut.« Er nickte und kratzte sich am Kopf. Dann ging ich einfach weiter.

Kurze Zeit später war ich im Büro, konnte mich aber nur schwer konzentrieren. Ich zog meine acht Stunden Arbeit aber trotzdem durch, denn die Bewerbungen bearbeiteten sich nicht von alleine. Als ich dann endlich Feierabend hatte, setzte ich mich ins Auto und kaufte noch etwas ein. Dann fuhr ich nach Hause. Jette war in ihrem Zimmer und hörte Musik. Ich klopfte, aber sie hörte mich natürlich nicht, denn die Kopfhörer steckten in ihrem Ohr. »Oh, Mama«, entfuhr es ihr schrill, als ich sie antippte. »Wie geht es dir?«, wollte ich wissen. »Ganz ok. Ich wollte dich gerade anrufen.« Alarmiert sah ich sie an. »Warum?« Sie sah zu Boden. »Karla aus meiner Klasse hat mich heute in der Schule spontan eingeladen. Ich weiß, es ist mitten in der Woche und da darf ich nicht woanders übernachten, aber ihre Eltern erlauben es. Es kommen auch noch zwei weitere Mädels aus meiner Klasse und die dürfen auch.« Ich wollte ihr es dieses Mal nicht verbieten und das lag wahrscheinlich an meinem schlechten Gewissen. »Ok, ausnahmsweise.« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Wirklich?« Ich nickte und sie umarmte mich. »Danke!«

»Kommt Paula auch?« Sie schüttelte schnell den Kopf. »Nein, sie wurde nicht eingeladen.« Sie packte ihre Sachen und um 18:30 Uhr fuhr ich sie dann zu Karla. Als ich wieder zu Hause ankam, schnappte ich mir mein Handy. Sollte ich mich noch bei Helene melden? Ich entschied mich dafür. »Hey, ist dir ein Treffen jetzt schon zu spät? Konnte nicht früher. Jette ist über Nacht bei einer Freundin.« Sofort kam sie online. »Nein, ist mir nicht zu spät. Ich mache mich fertig und dann komme ich zu dir.« Schnell hüpfte ich unter die Dusche. Als ich gerade fertig war, klingelte es an der Tür. Ich atmete tief durch. Dann drückte ich den Knopf und die Tür unten ging auf. Ich hörte, wie sie die Treppen hochstieg.

Sie lächelte mich etwas schüchtern an, als sie fast bei mir war. Ich zog sie sofort in die Wohnung. »Schön, dass du hier bist«, hauchte ich ihr zu und küsste sie. Ich drückte sie gegen die Wand im Flur und eng umschlungen standen wir dort und unsere Lippen lagen aufeinander. Es war wie im Film. »Du schmeckst so gut«, flüsterte sie mir zu und ich bekam eine Gänsehaut. So etwas hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Als wir uns irgendwann voneinander trennten, gingen wir ins Wohnzimmer und ich organisierte zwei Gläser und Wein. Wir kuschelten uns unter eine Decke und ich zündete Kerzen an. Es herrschte eine romantische Stimmung. Immer wieder küssten wir uns und den Rest der Zeit tranken wir Wein und erzählten.

»Das könnte ich jeden Abend machen«, seufzte ich und sie grinste mich an. »Vielleicht kannst du es ja irgendwann jeden Abend machen.« Ihre Antwort ließ mein Herz wieder schneller schlagen. »Das wäre schön.« Dachte sie wirklich so über uns? Konnte sie sich eine Zukunft mit mir vorstellen? Ich konnte es auf jeden Fall. Noch nie hatte sich etwas so gut angefühlt. Auch wenn wir uns noch nicht allzu lange kannten, waren definitiv Gefühle da. »Ich habe dich in mein Herz geschlossen.« Sie sah mich an und ich konnte ihr ansehen, dass es ihr auch so ging. Ihr Blick war herzerwärmend. »Und da lasse ich dich so schnell auch nicht mehr aus, Helene Sturm.« Sie beugte sich zu mir und wieder küssten wir uns. Erst sehr sanft, dann leidenschaftlicher. »Mir geht es auch so, Hanna. Keine Ahnung, was du mit mir gemacht hast, aber ich muss den ganzen Tag an dich denken und selbst, wenn ich versuche, mich abzulenken, klappt es nicht. Ich sehe immer wieder dich und dein wunderschönes Gesicht.« Mir fehlten die Worte. Eine Weile sagten wir beide nichts. Sahen uns einfach nur tief in die Augen und genossen diesen sehr intimen Moment. Dann unterbrach ich die angenehme Stille.

»Möchtest du hier bleiben über Nacht?« entfuhr es mir plötzlich. Sie riss die Augen auf. »Wirklich?« Lächelnd nickte ich. »Ja, ich könnte dich morgen früh nach Hause fahren. Also natürlich nur, wenn du willst.« Sie strahlte mich an. Ihre Augen leuchteten. Sie sagte freudig: »Natürlich will ich das. Ich könnte mir nichts vorstellen, was schöner wäre.« Wir gingen ins Bad und ich besorgte ihr eine Zahnbürste, die wir für Gäste immer vorrätig hatten, und gab ihr etwas zum Schlafen. Dann legten wir uns ins Bett und kuschelten uns aneinander. Ich bekam erst sehr spät in dieser Nacht die Augen zu. Ich hielt mein Glück in den Armen und streichelte ihr behutsam über den Arm. Ich wollte diesen Moment so lange wie möglich festhalten. Dann schlief ich irgendwann zufrieden ein.

Herzgeflüster || gxgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt