Kapitel 14

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Den restlichen Abend verbrachten wir gemütlich auf der Couch. Wir redeten einfach nur. Über viele Dinge. Dabei hielten wir die ganze Zeit über Händchen und küssten uns immer wieder. Es war perfekt. »Hattest du schon mal einen Freund?«, fragte ich sie interessiert und sie schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, mein Herz gehörte schon immer Frauen.« Sie war also Profi, was das anging. Und lesbisch, nicht bisexuell. Ich küsste ihre Finger und besonnen lächelte sie. »Ich habe mich noch nie so gefühlt«, gestand sie mir plötzlich. »Hm, wie gefühlt?«, hakte ich nach. »So glücklich.« Wir blickten uns direkt in die Augen und mein Herz pochte so heftig, dass ich es ihr zeigen musste. Ich führte ihre Hand, die noch in meiner lag, zu meinem Oberkörper und legte sie auf die Stelle, an der man das Pochen am meisten spürte. Sie riss die Augen auf. Einen Moment verweilte sie mit ihrer Hand dort, dann führte sie meine Hand zu ihrem Oberkörper und ich hatte das Gefühl, ihr Herz würde noch schneller schlagen als meins.

Es war schon spät, als sie sich verabschiedete. »Findet unser reguläres Treffen morgen trotzdem statt oder hast du erst einmal genug von mir?«, neckte sie mich. »Ich habe nie genug von dir. Wenn du magst, können wir uns sehen. Ich würde mich freuen.« Im Flur standen wir bestimmt noch zehn Minuten und küssten uns. Sie drückte mich an die Wand und ich musste aufstöhnen. Ganz plötzlich entfernte sie sich von mir und sagte mit einem Grinsen im Gesicht: »Dann bis morgen.« Dann lief sie auch schon die Treppen im Flur hinunter und ich konnte sie nicht mehr sehen. Zufrieden ging ich zurück in die Wohnung. Erst blieb ich regungslos stehen und dann tanzte ich zurück ins Wohnzimmer. Ich hoffte nur, meine Nachbarn würden es nicht hören. Ich räumte noch unsere Gläser weg, dann legte ich mich ins Bett und schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

Am nächsten Morgen war ich früh wach. Ich räumte die Wohnung auf und packte mir schon Sachen für den heutigen Abend auf das Bett. Den Hausanzug würde ich weit wegräumen. Aber meine Pläne wurden durchkreuzt. Philipp rief mich an und erklärte mir, dass es Jette nicht gut ging. Sie hatte Fieber und wollte nach Hause. Am frühen Nachmittag brachte er sie mir. Ich musste Helene absagen, aber meine kranke Tochter ging nun einmal vor. Ich schrieb ihr eine Nachricht: »Hallo Helene. Jette hat über Nacht Fieber bekommen und ist nun wieder zu Hause. Ich muss mich um sie kümmern. Ich hoffe, du verstehst das. Wir holen das auf jeden Fall nach, ok?« Als ich einige Minuten später auf das Handy sah, hatte sie bereits geantwortet. Ihre Worte waren so verständnisvoll. »Alles in Ordnung. Ich verstehe das. Dann ist es ja gut, dass wir das Treffen gestern schon vorgezogen haben. Melde dich, wenn du Zeit hast. Ich denke an dich.«

Ich kümmerte mich um Jette. Es tat mir leid, dass sie nun mit Schmerzen im Bett lag. Wenn ich könnte, hätte ich ihr diese abgenommen, aber das ging ja leider nicht. Sie schlief viel und ich sah immer wieder nach ihr. »Mama?«, fragte sie leise mit brüchiger Stimme, als ich meinen Kopf mal wieder ins Zimmer steckte. »Ja, mein Schatz?« Sie winkte mich schwach zu sich und ich näherte mich und setzte mich auf die Bettkante. »Denkst du, dass Menschen füreinander bestimmt sind? Und dass, wenn man sich in jemanden verliebt und der andere es nicht macht, weil er es vielleicht noch nicht so sieht... dass man dann kämpfen sollte?« Ich überlegte und musste erst einmal verarbeiten, was sie mir da sagte. »Prinzipiell denke ich vielleicht nicht unbedingt, dass Menschen füreinander bestimmt sind. Obwohl, manchmal schon. Ich glaube aber an Liebe auf den ersten Blick, wie man so schön sagt. Kämpfen lohnt sich nicht immer, Jette. Man kann keine Gefühle erzwingen. Wenn der andere Part partout kein Interesse hat, dann sollte man irgendwann selbst nach vorn sehen. Wenn man aber weiß, dass von beiden Seiten Gefühle da sind, dann sicherlich schon.« Sie sah traurig aus. »Hm, ok.«

Ich wusste, dass sie an den Jungen dachte, in den sie verliebt war. Ich wollte ihr sagen, dass noch mehr Jungs kommen würden, aber ich selbst hielt von diesen Ratschlägen nichts. Auch von diesem »Andere Mütter haben auch schöne Söhne« erst recht nicht. Ich hasste es, wenn Menschen so etwas sagten. Das machte mich sogar etwas aggressiv. »Wenn du reden möchtest, bin ich immer da für dich.« Ich streichelte ihr zärtlich über das Gesicht. Ihr Gesicht glühte. »Danke, Mama. Aber ich würde jetzt gern noch etwas schlafen. Das Reden ist anstrengend.« Ich ließ sie in Ruhe.

Auch die nächsten beiden Tage schlief sie viel. Ihr Fieber wurde immer weniger. Wir waren beide für den Rest der Woche krankgeschrieben. Sie kurierte sich richtig aus und ab Montag begann dann wieder unser Alltag. Helene und ich schrieben sehr viel über WhatsApp. Nach einem langen Tag im Büro saß ich auf der Couch und schrieb: »Ich würde dich jetzt so gern sehen. Das glaubst du mir gar nicht.« Zehn Sekunden später schickte sie ein Bild. Ich öffnete es. Sie saß ebenfalls bei sich auf der Couch und lächelte in die Kamera. Mein Herz schlug direkt wieder schneller. »Danke. Du hast mir gerade den Abend versüßt.«

Im Laufe der Woche sahen wir uns nicht mehr, was sehr schade war. Aber dann kam endlich der 14. November und ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen und mit ihr zu reden. Ich packte unsere Tasche für die Eishalle und fuhr dann mit Jette gemeinsam zur Schule. Einige Schüler waren schon da. Insgesamt fuhren zwei Klassen. Auch einige andere Mütter kamen mit. Sie sammelten sich um Helene. Auch Johanna, Paulas Mutter, war dabei. Ich stellte mich zu den anderen und als Helene mich wahrnahm, strahlte sie über das ganze Gesicht. »Ah, Frau Rabsch. Schön, dass Sie mitkommen.« Es war total ungewohnt, sie so zu erleben. In ihrem Job. Als Lehrerin. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Sie war eine so junge und hübsche Lehrerin. So etwas gab es bei mir früher nie. Da gingen alle steil auf die Rente zu.

»Hallo Hanna«, begrüßte Johanna mich und ich lächelte ihr zu. »Ich habe von dem Streit zwischen Jette und Paula gehört. Weißt du da mehr zu?« Achselzuckend sah ich sie an. »Anscheinend sind beide Mädchen in den gleichen Jungen verliebt. Aber sie werden sich schon wieder vertragen, denke ich.« Sie nickte zustimmend. »Das hoffe ich. Sie waren doch immer beste Freundinnen.« Wir standen und warteten und langsam fing ich an zu frieren. Warum fuhren wir nicht los? Fehlten noch welche? Helene war gerade im Gespräch mit einer anderen Mutter. Da wollte ich sie nicht stören. Verstohlen sah ich mich um. Johanna ging eine andere Mütter begrüßen. Paula und Jette ignorierten sich komplett. Ich schüttelte den Kopf und seufzte.

Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. »Hey», flüsterte Helene mir leise zu und berührte unauffällig meinen Arm. Sofort wurde mir heiß. Die kleinste Berührung von ihr brachte mich aus der Fassung. Wir standen nebeneinander. »Es sind ja doch einige Mütter dabei. Hätte ich gar nicht gedacht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht. Aber Hauptsache ist, dass die schönste Mutter dabei ist.« Am liebsten hätte ich sie geküsst, aber es ging nicht. »Kann ich dich was fragen?« Von der Seite sah sie mich an. »Klar, schieß los.« Gespannt wartete sie ab. »Wie ist das eigentlich für dich, dass ich eine Tochter habe? Darüber haben wir noch nie gesprochen.« Sie zuckte mit den Schultern nach kurzem Überlegen. »Ich habe kein Problem damit. Ich mag dich. Mit allem, was dazugehört. Und Jette mag ich auch.« Wir lächelten uns an. »Schön«, meinte ich. Dann ergänzte ich: »Warum fahren wir eigentlich nicht los?«

Sie wollte gerade antworten, da kam jemand auf uns zugelaufen und rief von Weitem: »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Mein Auto ist nicht angesprungen.« Es war Herr Meyer. »Da kommt der Grund«, erklärte sie. Schnell flüsterte ich ihr zu: »Du hast mir gar nicht gesagt, dass er auch mitkommt.« Meine Stimmung wurde plötzlich schlechter, auch wenn es dafür eigentlich keinen Grund gab. Ich mochte nur nicht, wenn er in ihrer Nähe war. »Er ist Klassenlehrer der Parallelklasse. Ich dachte, du wüsstest das.« Ich schüttelte nur den Kopf, dann stand er auch schon vor uns. Außer Atem strahlte er Helene an und ich hatte das dringende Bedürfnis, ihm eine reinzuhauen.

Herzgeflüster || gxgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt