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Erschrocken starrte Ardy auf den Tiger, der auf der Intensiv- Station des Krankenflügels lag. Es war das erste Mal, dass er hier war, deswegen hatte er nicht mit diesem kläglichen Bild gerechnet.

Obwohl der Körper des Tigers an tausend Schläuche gebunden war und Narben und Verbände seinen Körper überall zierten, blickten seine blauen Augen aufgeweckt in dem sterilen Raum umher. Selbst im damaligen Labor schienen diese Augen nicht so viel Leben in sich zu haben und Ardy wurde unwillkürlich wie magisch von diesen blauen Untiefen angezogen.

Vorsichtig trat der Schwarzhaarige einen Schritt näher an den geschundenen Hybriden, worauf dieser aufmerksam seine Ohren aufstellte. Ardy war überrascht. Er hatte nicht mit so einer positiven Rektion gerechnet.

"Ähm... hey. Äh... schön... dich mal wieder zu sehen?" Der ehemalige Wissenschaft wusste überhaupt nicht, was er sagen sollte. Am liebsten wäre er dem Hybriden einfach um den Hals gefallen, so erleichtert war er, dass er es überlebt hatte. Sein schnell schlagendes Herz und schwitzigen Hände machten das Sprechen nicht gerade einfacher.

Die Lippen des Tigerhybriden kräuselten sich zu einem leichten Lächeln während er die Augen verdrehte. Ardys Herz schmolz dahin, bei dem süßen Anblick. Das Lächeln konnte er nicht mehr von seinen Lippen verbannen. Genauso wenig wie das Kribbeln in seinem Bauch. Okay... damit hatte er nicht gerechnet.

Der Tiger öffnete leicht seinen Mund, machte dabei den Blick auf zwei Reihen perfekter scharfer Zähne frei. Unwillkürlich schluckte Ardy, irgendwo tief in den dunklen Ecken seines Gehirn, erblickten ein paar absolut unangebrachte Gedanken das Tageslicht. Blut schlich sich in seine Wangen und plötzlich war Ardys Kehle staubtrocken. Er räusperte sich einmal und versuchte seine Gedanken wieder zu fokussieren. Dem Tiger schien dieser kurze Moment des Kontrollverlustes nicht entgangen zu sein, denn seine blauen Augen blitzten amüsiert.

"Danke." flüsterte er leise und  mit rauer Stimme. Ein angnehmes Kribbel lief Ardy den Rücken hinunter, als er die tiefe Stimme des Hybriden hörte.
"Man hat mir erzählt, wie viel du für mich getan hast." Wieder legte sich ein kleines, sanftes Lächeln auf seine Lippen und Ardy musste sich höllisch zusammen reißen, nicht verliebt seufzen. Was zur Hölle lief denn falsch bei ihm?!

"Naja... irgendwas muss ich doch tun... um meine Fehler wenigstens etwas auszugleichen. Auch wenn das noch lange nicht reichen wird." Etwas peinlich berührt senkte er den Blick. Das waren wahrscheinlich nicht die Worte, die der Hybrid hören wollte. Er stieß ihn ja praktisch mit der Nase darauf hin, dass er für all diese Experimente mitverantwortlich war.

"Einsicht ist der erste Schritt der Besserung. Okay... das klang jetzt ziemlich abgedroschen. Sorry." Das leichte Lachen was darauf folgte, ließ Ardy das Blut in die Wangen schießen. Gott, er benahm sich echt wie ein verliebter Teenager,der seine Hormone nicht im Griff hatte! Solche Gefühle waren hier absolut fehl am Platz. Nicht beim dem was der Tiger erleben musste, nicht bei dem was seine gebrochene Psyche schon alles durchstehen musste. Da konnte er einen verliebten Verehrer nicht auch noch gebrauchen.

Moment.... hatte Ardy sich gerade selbst als verliebter Vereher bezeichnet?! Am liebsten würde er seinen Kopf gegen die nächste Wand schlagen. Was war denn nur los?! Hatte er zu wenig geschlafen, dass er sich schon selbst als verliebt bezeichnete?! Nein, er hatte eindeutig keine anderen Gefühle für den Hybriden als Schuld. Genau. Das musste es sein. Er fühlte sich schuldig für das, was der Tiger durchleiden musste. Mehr nicht. Das Herzklopfen und das Blut in seinen Wangen hatte eindeutig keine anderen Gründe. Überhaupt nicht.

Um sich irgendwie von seinem Gefühlschaos abzulenken, stellte Ardy die erstbeste Frage, die ihm einfiel:
"Hast du eigentlich einen Namen?"

Fast augenblicklich verdüsterte sich der Blick in den blauen Augen des Hybriden. Beinah sofort wünschte sich der ehemalige Wissenschaftler, die Frage nicht gestellt zu haben. Er wollte das lebensfrohe Blitzen wieder in diesen saphir- blauen Augen sehen. Keinen abgestumpften Blick mit unterdrückter Wut.

"Ich hab keine Erinnerung an mein Leben vor dem Labor. Genrell schwindet immer mehr aus meinem Gedächtnis. Das einzige was klar und deutlich bleibt, sind besorgte blaugrüne Augen und rabenschwarzes Haar." Der bedeutungsvolle Blick, dem der Hybrid ihn daraufhin zu warf, ließ Ardy einmal mehr  schlucken.

War das jetzt gut oder schlecht?

Written by Federsturm

Objekt XVIIWhere stories live. Discover now