KAPITEL 58

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( Sicht Samu ) 

Der Morgen überrollte die klare finnische Nacht und tauchte unser gemütliches kleines Schlafzimmer in ein wohliges, warmes Licht. Ein paar Mal blinzelte ich der Sonne entgegen, bis ich endgültig meine Augen aufschlug. Ein flaues Gefühl ging mir im Magen herum. Heute würde der große Tag sein, an dem sich alles entscheiden würde. Ich hatte zwar verhaltensmäßig gut geschlafen, doch so nervös wie heute, war ich noch nie gewesen. 

Genüsslich streckte ich mich. Dabei glitt mein Blick auf meine schlafende Yvonne. Sie lag auf der Seite und hatte ihr Gesicht mir zugewandt. Ihre wunderschönen langen, braunen Haare fielen ihr in die Augen und bedeckten beinahe ihre Wangen. Jedoch lag ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen. Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Egal was ich heute noch alles planen musste... Einen einzigen Augenblick, musste ich Yvonne beim Schlafen zusehen. Sanft und leise drehte ich mich zu ihr und stützte meinen Arm auf mein Gesicht. Zaghaft fanden meine Fingerspitzen ihren Weg zu Yvonnes Haaransatz. Sanft begann ich durch ihre Haarspitzen zu streifen. Es war so seidig weich, dass ich dies stundenlang tun könnte. "Heute wird sich dein gesamtes Leben ändern, Satu!", flüsterte ich kaum hörbar und hauchte zärtlich einen Kuss auf ihre Stirn. Daraufhin vernahm ich ein zufriedenes Grummeln. Kurzzeitig bekam ich einen Schreck. Doch Yvonne drehte sich schnell auf die andere Seite und schlief weiter. Erleichtert atmete ich auf und griff nach meinem Smartphone, das auf dem Nachtschrank lag. Die Zeit sagte mir, dass es bereits 9 Uhr war. Lange würde es nicht mehr dauern...

Also beschloss ich aufzustehen. Leichtfüßig schritt ich durch das Zimmer und hoffte inständig, während ich meine Klamotten zusammen suchte, dass der alte Dielenboden nicht knarren würde. Gott sei Dank tat er es nicht und ich wiegte mich in Sicherheit. Eilig schmiss ich mir mein Shirt über und schlüpfte in meine Jeans. Bevor ich das Schlafzimmer verließ, streifte mein Blick noch einmal Yvonne. Offenbar hatte sie rein Garnichts mitbekommen, denn ihr Brustkorb hob und senkte sich ruhig. Auf Zehenspitzen schlich ich mich hinaus auf dem Flur. Dort vernahm ich nur den leicht gehenden Wind, der draußen umher pfiff. Ansonsten lag die Hütte in Stille. Ich war also der Erste, der erwacht war und das gefiel mir recht gut. Um auch wirklich auf Nummer sicher zu gehen, öffnete ich leise die Tür, die zu Klaras und Charlies Zimmer führte. Nach einem prüfenden Blick stellte ich fest, dass auch die Kinder immer noch friedlich schliefen. Nachdem ich lautlos die Zimmertür wieder schloss, tippte ich eilig eine Nachricht an Riku mit den Worten: "Halt' dich bereit! Ich rufe dich in 5 Minuten an!" 

Sobald dies erledigt war, schlüpfte ich an der Terrasse in meine Schuhe, zog mir eine Jacke über und trat hinaus. Die klare Seeluft, weckte meine müden Glieder auf und ich schloss für einen Augenblick meine Augen, um die wohltuende Luft einzuatmen. Dann sah ich mich noch einmal prüfend um, ehe ich meine Beine in die Hände nahm und förmlich zum Ufer hastete. 

Kaum hatte ich den Rand des See's erreicht, wählte ich auch sofort Rikus Nummer. "Na Hapa?", begrüßte mich mein bester Freund gut gelaunt am Telefon. "Geht alles klar?", fragte ich ohne ihn überhaupt ausreden zu lassen. "Dir auch einen guten Morgen!", entgegnete Riku ironisch und lachte. Verflucht! So wollte ich ihm nicht begegnen. "Sorry... Ich möchte nur, dass alles perfekt wird!", erklärte ich reumütig und klang gleich etwas zerknirscht. Als würde Riku meine Emotionen spüren, antwortete er augenblicklich darauf: "Mach' dir bitte keine Sorgen, Hapa. Es läuft alles nach Plan!" "Und Yvonnes Eltern?", erkundete ich mich und hoffte inständig, dass ich Rikus Worten Glauben schenken konnte. "Auch darüber musst du dir keine Gedanken machen. Ich fahre sie gerade mit Laura zum Hotel.", beruhigte mich Riku weiterhin und ich spürte, wie mir die erste Last von meinen Schultern fiel. "Gut! Riku, in 3 Stunden wird es soweit sein! Bereite Yvonnes Eltern auf die große Show vor. Und richte Sami aus, dass er allen anderen Bescheid geben soll.", bat ich ihn zum Abschluss des Gesprächs. "Das werde ich machen! Wir sehen uns!", versprach er mir und legte somit auf. Auch ich entfernte das Handy von meinen Ohren und steckte es zurück in meine Hosentasche. 

"Was hast du nur wieder vor?", durchbrach auf einmal eine frohe Stimme die Stille. Wie ertappt fuhr ich herum und blickte in smaragdgrüne Augen - Klara! "Sag mal, verfolgst du mich etwa?", ging ich sie etwas scharfkantig an und hielt mir die Hand auf mein stark pochendes Herz. "Bekomme jetzt bitte keinen Myokardinfarkt!", schien sie mich auszulachen. Verwirrt sah ich ihr in die Augen, denn ich hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie da sprach. "Was?", fragte ich. "Ach nichts... Papa, wir suchen alle nach dir! Und durch Zufall habe ich dich hier gefunden.", lenkte Klara schnell ab und wechselte das Thema. Langsam hatte ich mich wieder gefangen. "Durch Zufall...?", hakte ich nach und zog belustigt die Augenbrauen nach oben. Klara machte den Anschein, als hätte sie meine Worte überhört. Wie selbstverständlich sprach sie: "Okay! Irgendwie habe ich gewusst, dass du hier sein würdest. Und ich wollte mit dir allein sein! Du hast mir erzählt, dass ich mich bis heute gedulden muss. Es ist soweit, Papa! Was hast du vor?" 

Beinahe bedrohlich nährte sie sich mir, stellte sich auf Zehenspitzen und umgriff meinen Hals. "Ich lasse dich nicht eher los, bis ich es erfahren habe!", machte Klara deutlich und grinste mich dabei süßlich an. Jetzt befand ich mich in einer Sackgasse. Immer mehr erkannte ich, dass sie meine Tochter war. Sie ähnelte mir, als ich in ihrem Alter war. Ich sah keinen anderen Ausweg, als ihr von meinem Vorhaben zu berichten. Ich zog Klara nah an mich heran und erzählte ihr die gesamte Planung und was heute noch alles passieren würde. "Das willst du tatsächlich machen? Bist du dir da sicher?", stotterte Klara und wischte sich kleine Tränchen aus ihren Augen. Ich nickte: "Zu 100 Prozent!"  Und das war ich wirklich. Sie schluchzte vor Rührung auf. Bevor ich gemeinsam mit ihr zur Hütte zurück ging, flüsterte ich ihr noch etwas zu. "Ja, Ja, Ja!", gab sie mir doppelt und dreifach als Antwort. Jedoch leider etwas zu übermütig und laut, sodass ich meine Tochter wieder ausbremsen musste. Ich hielt meinen Zeigefinger vor ihre Lippen und brachte sie somit zum Schweigen. Behutsam griff ich um ihren Körper und begleitete sie zurück zur Hütte. In dem Moment, bekam ich eine Naricht von Riku: "Alles ist bereit! Jetzt bist du an der Reihe, Hapa!"  Ein unsagbar großes Grinsen huschte über mein Gesicht. 

Als wir die Hütte schließlich erreichten, sprang mir der kleine Charlie schon fast entgegen. "Da seid ihr ja! Papa, wir haben alle nach dir gesucht!", rief er mit einer Mischung aus Vorwürfen und Erleichterung. Etwas tollpatschig aber zuckersüß, stürmte der fast 4 Jahre alte Charlie auf mich zu. Ich ging leicht in die Knie, um ihn rechtzeitig in die Lüfte zu heben. Als er schließlich freudenstrahlend auf meinem Arm thronte, plapperte er sogleich wild darauf los. Charlie erzählte, wie schön er die Zeit gestern mit seiner neuen Oma Eve fand. "Sie sagte sogar, dass sie schon bald wieder kommen wird!", platzte es aus ihm heraus, woraufhin ich ihn anlächelte. 

"Was muss ich da hören?", unterbrach uns eine mir nur allzu bekannte Stimme.       



Sie soll leben // Samu Haber & Yvonne Catterfeld FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt