KAPITEL 49

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( Sicht Yvonne ) 

Charlie... Sofort richtete sich mein Kopf auf die gerade geöffnete Tür. Mein kleiner Sohn zappelte aufgeregt an der Hand von Reni. Diese hatte große Mühe ihn zu bändigen. Um meine Verwirrung über Klaras merkwürdiges Verhalten zu verbergen, legte ich ein gequältes Lächeln auf meine Lippen und strich mir nervös durch die Haare.

"Darf ich zu ihr? Natürlich, ich gehe einfach!", fragte Charlie übereifrig, erlaubte sich dann jedoch seine Handlung selbst und riss sich gekonnt von Renis Hand los. "Nicht Charlie...", rief Reni überrascht auf, als sie dabei zusehen musste, wie mein Kleiner zum Krankenbett seiner Schwester stürzte. Dabei war er nicht gerade leise. Ein besorgter Blick auf Klara zeigte mir, dass Charlie in seiner Tonstärke etwas laut war. Klara kniff ihre Augen zusammen und ihre Stirn legte sich in Falten. Die Geräuschkulisse von Charlie strengte sie zu sehr an. Bittend sah ich zu Samu. Doch er hatte offenbar schon eher reagiert und fing ihn ab. Er hob Charlie zu sich auf dem Arm. Charlie gefiel diese Situation ganz und gar nicht. Wild wackelte er auf Samus Arm und versuchte immer wieder herunter zu springen. "Lass mich los, Samu. Ich will zu Klara!", jammerte er. Jedoch hatte er gegen Samus Stärke nicht den Hauch einer Chance. Er hielt Charlie fest. "Du warst ein wenig zu laut. Wir alle müssen jetzt nämlich ganz leise in der Nähe deiner Schwester sein. Sie muss sich wieder daran gewöhnen, hören zu können! Verstehst du das, Kleiner?", erklärte Samu ihm in einem ruhigen Ton. Charlie verzog daraufhin enttäuscht sein Gesicht und wechselte zwischen mir, Samu und Klara hin und her. "Aber ich will zu meiner Schwester. Sie möchte es doch auch, oder Klara?", diskutierte mein Sohn und versuchte nochmals, sich aus Samus Haltegriff zu lösen. "Natürlich möchte Klara, dass du zu ihr kommst. Doch du musst dich leider noch einen kleinen Augenblick gedulden. Reni sollte sie zuerst begrüßen!", lenkte ich mit ein und sah zu Reni, die immer noch wie angewurzelt da stand und mit ihrem Goldring am Finger spielte. Ich schritt auf sie zu und legte schließlich einen Arm um ihre Schulter. "Wenn du möchtest, meine ich!", sagte ich ihr. "Ich würde sehr gern, Yvonne! Als ich die Naricht von Anna übermittelt bekam, konnte ich es im ersten Moment gar nicht glauben.", entgegnete Reni erfreut. Ich führte die alte Dame zu Klaras Bett. Dort setzte sie sich an den Bettrand und strich über Klaras blasse Stirn. "Na du... Kennst du mich eigentlich noch? Ich habe auf dich aufgepasst, als du ein kleines Mädchen warst!", flüsterte Reni ihr zu und blickte sie erwartungsvoll an. Nicht nur Reni tat es. Auch wir anderen waren gespannt auf Klaras Reaktion. Ich trat zu Reni heran und legte meine Hände auf ihren Schultern ab: "Das ist Reni, Schatz! Erinnerst du dich?"  Und wieder sah Klara von mir weg. Schenkte mir keine Beachtung. Es versetzte mir einen kurzen, dafür aber intensiven Stich in mein Herz. In mir stieg das Gefühl auf, dass sie immer noch sauer auf mich war. Länger konnte ich mir darüber aber keine Gedanken machen. Denn Klara wandte ihr Gesicht zu Reni und lächelte müde. Angestrengt versuchte sie darauf zu nicken, was ihr auch ein klein wenig gelang. Schwerfällig kratzte sie mit ihren Fingern auf der Matratze. Ein Signal, dass sie Renis Hand halten wollte. "Wie schön, dass du mich wieder erkennst. Aber ich glaube, jemand anderes, möchte nun ganz dringend zu dir!", lächelte Reni und ihr knöchernes aber geschmeidiges Gesicht drehte sich in Richtung Charlie, der immer noch sichtlich ungeduldig auf Samus Arm wartete. "Ja, jetzt will ich endlich!", drückte Charlie sich kurz und knapp aus. Ich und Reni machten den Platz für ihn frei. Samu war sich unsicher, sodass er Charlie vorsichtshalber auf dem Arm behielt. 

Schließlich setzte er sich, mit Charlie auf seinen Schoß, auf Klaras Bett und lockerte seinen Griff. Unsicher und zaghaft blickte sich mein Sohn in der Runde um. Dann aber krabbelte er von Samus Beinen und kniete sich vor seine große Schwester. "Ich darf nicht so laut sein, Klara!", beschwerte sich Charlie beinahe bei ihr, was uns alle auflachen ließ. Auch Klara lächelte angestrengt, blickte aber ihren kleinen Bruder voller Wärme und Zuneigung an. Samu entfernte sich vom Bett, trat zu Reni und mir und umgriff meine Hüfte. Still und leise beobachteten wir die Annäherung zwischen meinen Kindern. Klara schürte ihre Lippen und schmatzte kurz. Charlie verstand sofort. Er neigte seinen Kopf zu Klara und hatte wenig später einen dicken Kuss auf seiner Stirn sitzen. Ich musste mich beherrschen. Zu betrachten, wie nahe sich Klara und Charlie als Geschwister standen, brachte mich fast wieder zum Weinen. Samu bemerkte dies und festigte seinen Griff um meine Hüfte, um mir Halt zu geben. "Klara hat also ihren Beschützerinstinkt gegenüber ihrem kleinen Bruder wohl nicht verloren!", bemerkte Reni stirnrunzelnd. "Ich hätte mich gewundert, wenn sie ihn verloren hätte...", stimmte ihr Samu lächelnd zu und stützte sein Kinn auf meinem Kopf ab. 

Sie soll leben // Samu Haber & Yvonne Catterfeld FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt