Kapitel 32- 'Energieschub'

108 6 1
                                    

Gegen Mittag saßen alle am Mittagstisch. Es gab Nudeln.

Aiseah saß stumm am Tisch und ließ sein Essen unberührt. Rachel, die ihm gerade gegenüber saß, war seine Halbschwester. Und wahrscheinlich wusste sie es noch nicht einmal.

Evergray war ihr Vater. Aiseah konnte es nicht fassen. Lieber hätte er das nicht gewusst und sein Leben weitergelebt, wie bisher. Bevor Rachel kam, war alles okay. Warum war sie so?

Ace verspürte Zorn. Zorn auf Rachel, Zorn auf die Druiden, Zorn auf Evergray und Zorn auf sich selbst.

Von außen ließ er sich natürlich nichts anmerken und sah weiterhin ruhig auf den Tisch. Rachel sah ihn besorgt an, sagte aber nichts und aß weiter ihre Nudeln. Die anderen Nachtreiterinnen sahen sich vielsagend an, sahen dann kurz Darko und Sands an, wendeten sich dann aber wieder ab. Darko seufzte und stand auf.

"Okay, so geht das nicht mehr weiter", sagte er. "Aiseah, iss endlich was. Das kann man sich ja nicht geben! Mädchen, ihr werdet ab morgen trainieren müssen. Wir müssen Garnok zurückholen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen und-"

"Was für ein Gleichgewicht?!", fiel Aiseah ihm ins Wort und sprang auf. "Das Gute und das Böse sind beide im Gleichgewicht!"

"Du nennst es Gleichgewicht, wir Ungerechtigkeit. Überall ist Frieden, wo ist da das Gleichgewicht? Irgendwo muss es Stress geben, ohne Stress wird das Leben eintönig und wir zerfallen. Ich muss es wissen", keifte Darko. "Setz dich hin! Ich bin noch nicht fertig!" Aiseah sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, setzte sich widerwillig.

"Also wirklich", murmelte Ace unverständlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Darko atmete tief ein und wieder aus und fuhr dann fort.

"Wenn alles gut läuft, können wir nächsten Monat zur Teufelsschlucht und die Lichtzeremonie vollführen, damit unser Meister zurückommt. Mädchen, ich vertraue darauf, dass ihr Rachel gut vorbereitet." Darko nickte den Mädchen zu, diese nickten zurück und Darko verließ den Raum. Wenige Minuten später gingen auch die anderen in ihre Zimmer, wahrscheinlich wollte jetzt jeder etwas Zeit für sich haben.

So ging es auch Rachel, die sich jetzt müde auf ihr Bett fallen ließ. Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus, als sich ihre Zimmertür öffnete. Aiseah kam herein und setzte sich wortlos in den Sessel. Fragend sah Rachel ihn an.

"Wir haben den selben Vater, Evergray", sagte Aiseah nach einigen Minuten. Er atmete tief ein und aus und sah auf den Boden. "Darko hat es mir vorhin gesagt."

"Das wurde mir bis jetzt verschwiegen", murmelte Rachel leise und drehte sich weg von Aiseah. Alles war seltsam.

Eine lange Zeit war es einfach leise. Niemand sagte etwas und niemand wusste, was man sagen sollte.

"Es tut mir leid, aber wir können jetzt nicht so weitermachen wie vorher", sagte Rachel dann. "Du sollst mein Bruder sein, das ist ganz schön krass."

"Ja, das stimmt wohl", lachte Ace leise. "Es tut mir leid, dass ich manchmal so kalt bin. Ich kann Leuten einfach nur nicht so leicht Vertrauen schenken."

"Kann ich verstehen", sagte Rachel, setzte sich auf und sah zu Ace. "Dein Leben war wohl auch nicht so rosig."

"Nein, nicht wirklich", schmunzelte Aiseah, stand langsam auf. "Haben wir ja doch etwas gemeinsam." Rachel kicherte leicht und nickte dann.

"Ich gehe schlafen, bis nachher, Rae", sagte Ace und verließ das Zimmer. Die Tür fiel ins Schloss und Rae ließ sich wieder hinfallen. Nach einigen Minuten wurde ihre Tür aber wieder geöffnet und Darko kam rein.

"Also, Rae, ich will mit dir reden-"

"Ach echt? Ich dachte du kommst hier nur rein, um mich zu beobachten", sagte Rae sarkastisch, die die Augen geschlossen hatte. Sie wollte doch nur ihre Ruhe und schlafen.

"Wobei denn bitte?", meinte Darko sarkastisch und ließ sich am Bettende nieder.

"Ich wollte eigentlich schlafen", murmelte Rachel und setzte sich auf. Sie rieb sich über die Augen und sah Darko an. "Also, was ist?"

"Weißt du, die Lichtzeremonie rückwärts durchzuführen kostet enorm viel Kraft und ich habe die Befürchtnis, dass du es nicht überleben würdest", sagte Darko und rutschte näher zu Rae. Rachel zog eine Augenbraue hoch. "Du bräuchtest quasi eine Art 'Energieschub'. Dein Körper wird bei der Zeremonie auf Trab gehalten und du bleibst mir als Nachtreiterin erhalten."

"Aha, und wie sieht dieser 'Energieschub' aus?", fragte Rae skeptisch. Darko machte eine einladende Handbewegung und Rachel setzte sich auf den Knien neben ihn.

"Ich sags mal so", murmelte Darko. "Du wirst mich hassen, aber die Wirkung ist damit am Längsten und für Garnok würde ich absolut alles tun."

"Jetzt komm zum Punkt!"

Darko rollte mit den Augen, zog Rachel auf seinen Schoß, platzierte seine Hände an ihren Wangen und küsste sie. Rachel war wie erstarrt, hatte die Augen weit aufgerissen und wollte sich eigentlich wehren, doch dann waren da diese kleinen Stromschläge, die ihr irgendwie gefielen.

Langsam schloss sie ihre Augen und legte ihre Hände in Darkos Nacken, dann erwiderte sie. Die kleinen Stromschläge wurden intensiver und sie kamen immer öfter, bis Rae das Gefühl hatte, dass sie wirklich unter Strom stand. Darko grinste leicht und sein Daumen strich an ihrer Wange entlang, bis er sich langsam von ihr löste. Sofort waren die Stromschläge weg und in Rachel schrie es förmlich nach mehr.

"Du hasst mich hoffentlich nicht, oder?", fragte er schmunzelnd und sah ihr in die Augen. Sie grinste.

"Ich könnte es mir überlegen, wenn ich noch einen bekomme", flüsterte Rachel süffisant und Darkos Grinsen wurde breiter. Er zog sie wieder näher zu sich und legte erneut seine Lippen auf ihre.

Rachel und Ravenclaw - Eine Reise ohne Ende | SSO FFWhere stories live. Discover now