Kapitel 20 - Estarva

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Estarva fuhr sich durch seine schwarzen Haare. Immer wieder drehte er die pinke Scherbe in seinen Händen. Er war jung, ledig und bei den Frauen heiß begehrt. Dass er noch keine Familie hatte, war mehr als verwunderlich.

"Estarva?" Seine kleine Schwester Justine lugte in das Zimmer des achtzehn Jahre alten Mannes. Er sah auf, steckte die Scherbe in seine Manteltasche und lächelte seine Schwester an.

"Justine", lächelte. "Komm her, mein Mädchen." Das Mädchen, das gerade einmal zehn war, lief auf ihn zu und setzte sich neben Estarva auf das Bett.

"Mutter sagt, dass du krank wirst", sagte Justine und nahm Estarvas Hand in ihre. Er schmunzelte.

"Ach was, mir gehts doch gut."

"Lüg mich nicht an", sagte Justine mit weinerlicher Stimme. "Du bist seit zwei Tagen ganz anders, was ist los?" Estarva sah auf den Boden. Dachte an das Angebot des unbekannten Mannes. An den Ruhm, den er bekommen würde. Das Geld. Die Macht.

"Weißt du, das Leben ist nicht immer einfach. Manchmal muss man schwere Entscheidungen treffen, um weiter zu kommen. Man darf nicht immer auf der selben Stelle herum trampeln", seufzte Estarva, lächelte seine Schwester an. Er legte einen Arm um ihre Hüfte und zog sie zu sich. "Und vor soch einer Entscheidung stehe ich nun."

"Aber, Estarva-", flüsterte Justine leise. Ihre Stimme brach ab und Justine brach in Tränen aus. "Willst du uns verlassen?"

"Ich-, ich-"

Justine rannte aus dem Zimmer. Schrie ein 'Du bist nicht mehr mein Bruder!'. Estarva ballte die Hände zu Fäusten. Er wusste, wenn seine Schwester so etwas sagte, meinte sie es ernst. Jetzt war es eh egal, was er machte. Er würde sie nicht zurückbekommen.

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Die Nebelschicht beschränkte Estarvas Sicht, als er an der Teufelsschlucht stand. Er wartete auf den Mann, drehte nervös die Scherbe in der Hand hin und her. Gleich würde es Mitternacht sein und er würde dem Mann seine Entscheidung mitteilen.

Ein Schatten näherte sich Estarva. Die andere Hand hatte er in der Manteltasche, den Dolch fest umklammert. Der Mann lachte höhnisch, blieb einige Meter vor Estarva stehen.

"Ich wusste du würdest kommen, Estarva Olsen. Früher oder später, das war von vornerein klar."

Estarva schwieg. Mit verengten Augen sah er den Mann mit dem schwarzen Mantel an.

"Also, nimmst du mein Angebot an?"

"Ja, das tue ich", sagte Estarva, öffnete ein wenig seine Hand. "Ich habe nichts mehr zu verlieren. Justine ist weg." Die Scherbe fing auf einmal an, zu glühen. Der Mann lachte hämisch. Estarva zischte auf, als die Scherbe zu brennen anfing und langsam rot wurde. Ein Kribbeln überkam Estarva, vor seinen Augen verschwamm alles und nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. Der Mann kam näher.

"Na dann", sagte der Mann. "Die Macht Garnoks sei mit dir."

Mit diesen Worten schubste der Mann Estarva zur Seite in die Teufelsschlucht. Estarva schrie, ließ die Scherbe und den Dolch los und riss die Augen auf. Sein Körper wurde langsam von einer schwarzen Masse umschlossen, die sich zu seinen Fingerkuppen hoch schlängelte und jede Faser seines Körpers einmummte.

"Ab nun bist du der Wächter Garnoks und all seinen Verbündeten. Du bist der Feind der Aideen, ihren Wächtern und Beschützern. Du musst ihnen ewige Feindschaft schwören, oder du wirst eines qualvollen Todes sterben."

Estarva bekam kaum noch Luft. Die schwarze Masse kam seinem Mund näher. Mit dem letzten Atemzug flüsterte Estarva ein 'Ich schwöre auf Garnok', bevor die Masse ihn vollkommen umschloss. Es vergingen einige Sekunden, bis die Masse riss. Ein helles Licht erschien und die Masse riss immer weiter. Langsam fuhr Estarva wieder hoch, zum Mann.

"Ab heute bist du Darko."

Und die Kirchenuhr schlug Mitternacht.

Rachel und Ravenclaw - Eine Reise ohne Ende | SSO FFWhere stories live. Discover now