Epilog

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-Maxim-
Ungeduldig schlug ich meinen Ausweis rhythmisch gegen mein Hosenbein und musterte gedankenverloren die Menschen. Wir hatten nur noch die Passkontrolle vor uns und dann musste ich Corinnes Bruder gegenüber treten. Es gab gewiss schönere Aussichten als diese. Zum Beispiel könnte ich jetzt mit Corinne im Bett liegen. Sie solange streicheln bis sie aufwachte und sich genussvoll unter mir räkelte.
Bestimmt legte Corinne ihre Hand über den Ausweis und somit auch auf meinen Oberschenkel. Meine Hand hielt still. „Du brauchst keine Angst haben. Logan möchte dich nur persönlich kennenlernen. Es wird alles gut."
Das sagte sich so leicht. Sie war immerhin seine Schwester. Ich hingegen war der ungewollte Vampirschwager. Mich schüttelte es. Ich hatte keine Ahnung wie ich mir ihren Bruder vorstellen sollte. Wahrscheinlich war er zwei Meter groß, breit und noch muskelbepackter als Corinnes Bodyguards, die überall um uns herum mit in den Schlagen für die Passkontrolle anstanden. Würde er ein Kilt tragen wie ein wahrer Schotte? Corinne hatte mir verraten, dass ihr Vater aus den Highlands kam und sie von ihm auch das rote Haar vererbt bekommen hatte. Warum hatte ich mir eigentlich kein Bild von ihrem Bruder zeigen lassen? Dann hätte ich wenigstens gewusst was auf mich zukam. So kannte ich nur die Stimme, die nur zu gern laut und mit befehlsgewohnter Autorität durchs Telefon brüllte. Hunde die Bellen beißen nicht, hatte Corinne mir erst vor wenigen Tagen erklärt als Logan Mal wieder lautstark fluchte und schimpfte. Nachdem was mit den abtrünnigen Lykae passiert war, würde ich diese Behauptung nicht aufstellen. Logan war durchaus in der Lage mit harter Hand durchzugreifen. Eine Fähigkeit, die er als König der Lykae benötigte. In den letzten Tagen war es vermehrt zu Raufereien und Streitereien gekommen, die absolut keine Basis hatten, aber die Lykae brauchten es. Sie waren zu wild, energiegeladen und ungestüm, um auf so engen Raum reibungslos miteinander zu leben. Mittlerweile verstand ich auch ihre Abneigung gegen die Städte. Auf längere Dauer fiel es ihnen sichtlich schwer sich an die menschlichen Umgangsformen zu halten und nicht einfach aufzuspringen und loszustürmen.
„Ihren Ausweis bitte." Überrascht sah ich auf, Corinne nahm mir den Ausweis ab und schob ihm den Beamten durch die Glasaussparung entgegen. Freundlich lächelte sie ihn an. Nervös wartete ich. Lucas hatte den Ausweis besorgt, da meiner nach knapp zehn Jahren zu alt war. Zwar hatte ich keinen Unterschied zum Original erkennen können, dennoch wartete ich nur darauf, dass der Beamte Unstimmigkeiten feststellte und sie mir Handschellen anlegen würden.
„Einen schönen Aufenthalt!", wünschte er uns als er Corinne die Ausweise zurückgab.
„Vielen Dank, einen schönen Tag Ihnen.", erwiderte Corinne, während ich kurz dankte und ihr erleichtert folgte.
„Komm mit. Die anderen kümmern sich um unsere Koffer.", Corinne schnappte sich meine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. Entschlossen führte sie mich an den Gepäckbändern vorbei. Verdammt, nicht einmal dieser Aufschub war mir vergönnt.
„Gibt es irgendetwas das ich nicht machen sollte?" Sicherheitshalber stellte ich die Frage noch einmal.
„Nein!", seufzte Corinne. „Mein Bruder ist kein Monster."
„Aber er ist dir wichtig. Was ist, wenn er will, dass du dich von mir trennst?"
„Dann kann er warten bis er schwarz wird. Ich liebe dich, daran ändert auch mein Bruder oder der König der Lykae nichts." Zuversichtlich lächelte sie mich an, dann grinste sie. „Außerdem haben wir Sarah auf unserer Seite. Sie macht das schon mit Logan. Da bin ich ganz unbesorgt."
„Na dann.", meinte ich noch nicht gänzlich überzeugt.
„Da sind sie!", meinte Corinne plötzlich und sah nach vorn. Ich folgte ihren Blick und sah das erste Mal tatsächlich über die kleine Gruppe drüber weg. Sie entsprachen nicht dem Bild, das ich erwartet hatte. Es war ein hochgewachsener Mann, der beide Arme um eine deutlich kleinere Frau gelegt hatte. Seine dunklen, von der vielen Sonne gebräunten Hände lagen auf ihren runden Bauch und hoben sich von der hellen Bluse, die sie trug ab. Ihre Hände lagen auf seinen und wirkten im Vergleich zu ihm blass. Glücklich lächelnd hatte sie sich zu ihm hingewandt mit den Kopf, während er ihr irgendetwas ins Ohr flüsterte. „In der Mitte ist mein Bruder mit seiner Gefährtin Sarah. Daneben steht Kai, er ist Logans bester Freund." Neben den beiden stand ein glatzköpfiger Mann, der uns mit freundlichen Lächeln entgegen sah und ein anderer, der Zarek mit der dunklen Haut, den dunklen Haar und Augen verblüffend ähnlich sah. „Und der andere ist Rio. Zarek und er sind Cousins." Auf der anderen Seite der beiden stand ein für einen Lykae schmaler Mann, der damit beschäftigt war meine Gefährtin anzustarren. Keck zwinkerte er ihr zu, was mich besitzergreifend knurren ließ. Beruhigend drückte Cori unsere verschränkten Finger. „Das ist Ty, er flirtet gern und viel. In diesem Fall wird er es aber machen, weil ich dich provozieren will. Ignorier ihn einfach. Und daneben... das dürfte Anastasia sein." Die Frau, die neben dem Mann stand, verdrehte die Augen und rammte ihm alles andere als sanft den Ellbogen in die Rippen. Er fuhr daraufhin zu ihr herum. Schmunzelnd beobachtete ich die Gruppe und fühlte mich irgendwie nicht mehr ganz so nervös. Corinne lachte gut gelaunt und zog mich weiter. „Sie werden dich mögen.", murmelte sie mir noch einmal zu.
Als Sarah den Kopf in den Nacken warf und lachte hatten wir Corinnes Bruder und seine Freunde fast erreicht. Logan sah verliebt grinsend zu seiner Gefährtin hinab, hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und sah erst dann auf.
Das Lächeln als er mich sah, war bei weiten nicht so herzlich wie das seiner Gefährtin gegenüber. Anderenfalls hätte es mir Sorgen bereitet, aber er lächelte freundlich und reichte mir die Hand. „Ich bin Logan, das ist meine Gefährtin Sarah. Kai, Rio, Tyson und Anastasia." Kurz reichte ich allen die Hand und stellte mich selbst vor.
Corinne umarmte alle. Kai und Rio, sowie ihren Bruder besonders lang, die anderen kürzer.
„Und wie geht es dir?", fragte Corinne Sarah. Wir warteten auf Corinnes Bodyguards, die mit Sicherheit noch am Kofferband standen und plauderten locker miteinander.
„Bestens, die Kotzerei hat endlich aufgehört.", lachte Sarah glücklich „Und wie geht es euch? Ich hab gehört ihr habt einiges abbekommen."
„Auch wieder sehr gut. Maxim kann sich sogar wieder translozieren." Es war eine enorme Erleichterung gewesen als ich feststellte, dass ich diese Gabe noch immer besaß. Zu Beginn hatte es mich noch sehr angestrengt mittlerweile ging auch dies wieder mit Leichtigkeit.
„Wie fühlt sich das an, wenn du dich translozierst?", wandte Sarah sich neugierig direkt an mich.
Überrascht sah ich sie an. Diese Frage hatte mir noch keiner gestellt. „Ich weiß es nicht. Es ... irgendwie ist es schwerelos ... zumindest für einen Moment und prickelnd.", überlegte ich. „Ich kann es nicht so genau beschreiben, aber ich kann dich einmal mitnehmen, wenn du möchtest?", bot ich an.
Neben mir spannte Corinne sich an und ich wusste, ich hatte das Falsche gesagt. Zeitgleich wurde auch der Arm um Sarahs Schultern fester, die Muskeln traten deutlich hervor. Mit erstarrter Miene sah ich in Logans Gesicht, darauf wartend, dass er mich zum Teufel schickte.
„Du gehörst zwar jetzt zur Familie, aber wir wollen es nicht übertreiben.", erklärte Logan dann ruhiger als erwartet, neben mir stieß Corinne einen Seufzer der Erleichterung aus, während ich seine Worte noch zu begreifen versuchte.
„Aber, Logan.", protestierte Sarah und sah mit großen Augen zu ihrem Gefährten. „Das ist bestimmt richtig cool."
„Wenn unser Baby da ist und ich mitkomme, dann können wir vielleicht noch einmal darüber reden.", bestimmt sah er Sarah an und sie fiel ihm um den Hals. Logan verdrehte zwar die Augen, aber das Lächeln auf seinem Gesicht verriet, dass er genau wie ich alles für Corinne machen würde, er ebenso alles für Sarah tun würde. Dazu gehörte es selbst sich von mir translozieren zu lassen.
„Sie hat dich ja mal sowas von um den Finger gewickelt, Bruderherz.", sagte Corinne so leise, dass Sarah es als Mensch sicherlich nicht gehört hatte.
„Hast du nicht das gleiche mit deinem Vampir getan, Schwesterherz?", erwiderte Logan nonchalant. Grinsend sah ich zu Corinne und sah, dass auch sie mich mit roten Wangen auf schuldbewusst und zugleich absolut auf glückliche Art und Weise angrinste.
„Hat sie." Bestätigte ich Logans Worte und war irgendwie stolz darauf.

Wildes Blut [02]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt