FIFTYTWO

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-Maxim-
Drei Etagen tiefer glaubte ich das Problem zwischen den Lykae und den Vampiren erkannt zu haben. Während die Lykae sich mit ihren verdammt schmerzhaften Zähnen so tief in die Haut eines Vampirs, in diesem Fall mich, vergruben, dass wir Vampire sie einfach nicht abschütteln konnten, selbst dann nicht, wenn wir uns translozierten, lösten wir Vampire uns in der Luft auf und konnten an einer beliebigen Stelle wiedererscheinen, unter Umständen auch auf den Wölfen drauf. Erstes trieb die Vampire in den Wahnsinn, zweites die Wölfe. Der Hass schien vorherbestimmt.
Die ersten zwei Etagen waren ein Klacks gewesen, wenige Wölfe und alle hatten die keine einzige goldene Waffe bei sich getragen. Bis auf ihre Biss- und Kratzspuren waren die Stiche mit ihren einfachen Dolchen und Messern schon längst verheilt.
Jedoch hatten sie mich eine Etage tiefer angelockt durch den Lärm aus der obrigen Etage mit vergoldeten Schwertern und Pfeilen erwartet. Ich kam mir vor wie in einem längst vergangenen Jahrhundert, als die Pfeile auf mich zu schossen. Zu spät viel mir ein, dass ich mich translozieren konnte, so fasziniert und vor allem irritiert war ich von der Tatsache, dass da Pfeile auf mich zuflogen. Einer der Pfeile durchbohrte die Haut und Muskeln meines rechten Oberarms, ein zweiter streifte mich an meiner Schulter und zerriss Kleidung und Haut. Die Wunden heilten nicht und brannten wie die Hölle, das Translozieren kostete ab diesen Zeitpunkt Kraft. Zuvor war mir nie aufgefallen, dass Translozieren anstrengend war.
Trotzdem schaffte ich es, mich hinter zwei von den Lykae zu translozieren und ihnen den Hals zu verdrehen, bevor ein Dolch auf meinen Hals zu flog. Es war meinen antrainierten Reflexen zu verdanken, dass ich es schaffte dem scharfen Geschoss auszuweichen. Ein Wolf sprang mich an und versuchte mir die Kehle zu zerbeißen, ich drehte mich mit ihm herum und statt meiner durchbohrte seinen Rücken einer dieser verfluchten Pfeile.
„Das ist barbarisch.", murmelte ich abgestoßen als ich das schmerzhafte Fiepen des Wolfs hörte und er in meinen Händen erschlaffte. Noch mehr der Lykae verwandelten sich. Viele in einen echten Wolf und nur zwei in einen Schattenwolf. Gab es eine Möglichkeit bevor sie sich verwandelten zu erkennen, wer einen Schattenwolf besaß und wer nicht? Das wäre in solch einer Situation unter Umständen lebensrettend. Beim Kampf bemerkte ich nur zu deutlich, dass die Schattenwölfe taktischer vorgingen und viel besser auf meinen Kampfstil eingehen konnten. Ebenso wie ich hatten sie zwei Hände mit den sie ihre Waffen benutzen konnten, während die Wölfe nur ihre Pfoten und ihre Zähne besaßen. Ich schaffte es bei beiden Schattenwölfen nicht ohne größere Verletzung zu siegen. Der eine schlitzte mir den rechten Oberschenkel von außen auf. Dies war schon immer meine größte Schwachstelle im Nahkampf gewesen. Der andere versuchte mich mit seinen Schwertern in zwei zuteilen. Hätte ich es in diesen Moment nicht geschafft mich zu translozieren, wäre es das gewesen. In meiner Wut durchtrennte ich seinen Hals und sah dabei zu wie sein Kopf vor seinem Körper auf den Boden aufschlug. Ein Blick durch den riesigen Raum, vermutlich ein ehemaliger Raum für private Partys, in welchem wir gekämpft hatten, ließ alte Bilder von zerfetzten Lastwagen, toten Soldaten und gestürmten Häusern wach werden. Zu sehr erinnerte mich dieser Anblick an meine Vergangenheit, dabei sollten die meisten von ihnen in einigen Stunden wieder auf den Beinen stehen. Diese war für mich noch immer unvorstellbar. Es waren die leichten Schritte auf der Treppe, die meine Aufmerksamkeit zurück auf das Geschehen lenkten. Im Rausgehen riss ich mir den abgebrochenen Pfeil aus dem Arm. Dabei knirschte ich schmerzhaft mit den Zähnen. Ich sollte mich beeilen Corinne hier heraus zu schaffen, bevor ich zu viel Blut verlor.
Im Flur, in der Nähe der nach unten führenden Treppe, kam ich einem einzelnen, gigantischen, rotbraunen Wolf entgegen. Sobald er mich sah, fletschte er die Zähne und kehrte dann schnellstens um. Mich wie bei einem Sprung ins Wasser nach vorn werfend stürzte ich ihm nach. Gemeinsam schlitterten wir die Treppe nach unten. Er verbiss sich in mein rechtes Bein und ich stöhnte vor Schmerz. Mit meinen spitzen Nägeln riss ich seine Seite auf. Das Winseln, welches er von sich gab schmerzte in meinen Ohren. Aber es bewirkte, dass er mein Bein losließ, mit dem unverletzten trat ich so fest ich konnte gegen seinen Kopf. Sein Flug wurde erst von der, der Treppe gegenüberstehenden, Theke gebremst, welche gefährlich krachte und knackte. Einige Gläser und Flaschen fielen nach unten, der Wolf blieb liegen. Ich hatte keine Zeit ihm einen weiteren Blick zu schenken, denn auch hier erwarteten mich die Lykae. Dieses Mal jedoch fast allesamt Schattenwölfe wie ich mit Entsetzen erkannte. Meine Chancen gegen so viele von ihnen zu siegen waren gering, dies wusste ich nach den vorherigen Kämpfen bereits. Einzig und allein der nächste Gedanke, der mir kam, schenkte mir Kraft: Ich musste Corinne immer näher kommen, tatsächlich roch ich sie schon. Von ganz allein richtete sich mein Blick auf ihre Fährte und erstarrte dann als ich einen Mann zwischen den Lykae erkannte, der viel zu stark nach ihr roch.
„Du riechst sie an mir nicht wahr?", murmelte dieser und grinste mich an. Sein Gesicht kam mir vage bekannt vor, aber in mir regte sich etwas, was bisher verborgen geblieben war und übernahm die Kontrolle. „Ich hatte schon meinen Spaß mit deiner Kleinen. Jetzt wohl eher meiner." Seine Worte ließen die Sicherungen in meinen Kopf durchbrennen. Kopflos stürzte ich mich auf ihn. Gerade rechtzeitig, denn auf der Höhe meines Kopfes schlug ein Dolch in der Wandvertäfelung hinter mir ein. Der Lykae mit den goldfarbenen Augen krachte in die Wand hinter ihm, von mir dagegen gepresst und grinste noch immer. „Bist du etwa eifersüchtig?", provozierter er weiter. Zu spät begriff ich, dass ich ihm zu nahe war. Seine Klauen gruben sich in meine verletzte Seite und ließen mich vor Schmerz auf keuchen. „Ich habe deinen Schatz schon versprochen, dass ich dir zeigen werde, was ich mit ihr gemacht habe." Meine Faust krachte in sein Gesicht. Überrascht taumelte er und ließ mich los. Ich versuchte mich von ihm fort zu translozieren, doch es funktionierte nicht. Entsetzt sah ich ihn an, umschloss mit meinen Händen seinen Hals und würgte ihm als ein Schatten auf mich viel. Reflexartig wirbelte ich herum und fing den Dolch, der auf meinen Bauchraum zuraste mit meiner Hand. Die Schneide zerschnitt mir die Handinnenfläche. „Walker!", erkannte ich. Sein Gesicht hatte ich mir gemerkt, war er durch den Ursprung für all dieses Chaos. Den Lykae, der sich hinter mir aufrappelte vergessend, nutzte ich Walkers Nähe, packte seinen Arm und verdrehte ihn. Überrascht knurrte der Lykae auf, ehe er mich über seinen Rücken zu Boden warf. Die Zähne fletschend stürzte er sich seinem Schattenwolf über sich auf mich. Mit den Fuß trat ich ihm in die Weichteile und warf ihn so zur Seite. Bevor er sich auch nur aufstützen konnte, verpasste ich ihm noch im Aufrichten einen Kinnhaken. Bis auf ein kurzes Kopfschütteln erzielte es bei dem Bastard nicht die gewünschte Reaktion. Ich fauchte ihn wütend an. Seine Faust rammte Walker in meine verletzte Seite und ich brach fast über ihn vor Schmerz zusammen. Seine Klauen rissen an der Wunde. Blindlings vor Schmerz, schlug ich gegen seinen Arm. Einen Knacken erfolgte, kurz darauf ein animalischer Schrei. Durch zusammen gekniffene Augen sah ich Walkers schmerzverzerrtes Gesicht.
„Du Blutsauger hast mir den Arm gebrochen.", brüllte er nun ebenso rasend vor Wut wie ich. „Killian!", schrie er. In Erfahrung bringend was nun auf mich zu kam sah ich mich schnell um und erkannte mit Verwunderung, dass überall Kämpfe ausgetragen wurden. Lykae gegen Lykae. Ich grinste siegessicher. Wie es schien hatte ich Verstärkung bekommen.
„Schaut wohl nicht so aus als würde dir in nächster Zeit jemand zur Hilfe eilen.", stellte ich erfreut fest.
„Ich komme auch alleine mit dir zu recht.", knurrte er und versuchte sich unauffällig nach hinten zu ziehen.
„Sah gerade nicht so aus.", provozierte ich ihn weiter.
„Ich werde dir das Maul stopfen." Walkers Dolch sauste durch die Luft und zielte auf meinen Brustkorb. Die Bewegung kam nicht unerwartet. Ich warf mich zur Seite und rollte von dem Lykae weg ehe ich aufsprang. Walker folgte meinem Beispiel. Grimmig musterte ich ihn sowie er mich. Wir waren beide nicht mehr taufrisch.
In einen kleinen Kreis laufend inspizierten wir uns gegenseitig wie unter einem Mikroskop und versuchten die Schwachstellen des Gegenübers zu finden. Während ich das eine Bein ein kleinwenig nachzog und an meiner Seite zu viel Blut herausströmte, war Walkers Problem der gebrochene Arm. Sowie er den Dolch hielt und so unsicher wie er gezielt hatte, war Walker Linkshänder und hatte seinen rechten Arm nicht ausreichend trainiert. Ein fataler Fehler, der mir helfen würde.
Da mir die Zeit davon lief wie die schummrigen Ränder meines Sichtfeldes mir mitteilten, ging ich irgendwann den Schritt nach links nicht mit, sondern stürzte mich auf den Dunkelhaarigen, der mit seinen Dolch nach mir hieb. Mit meinen eigenen Dolch bewaffnet, schlitze ich ihm die ungeschützte linke Seite auf, seinen Dolch fing ich mit meinem ohnehin schon verletzten Arm ab. Vor Schmerz sank der Lykae einige Zentimeter in die Knie, während ich ein letztes Mal die Zähne zusammenbiss und diesen einen Moment von Walkers offensichtlicher Schwäche nutzte. Ich grub meine Finger in seine Brust und riss Walkers Herz heraus. Einen Moment sah er mit Unglauben auf meine Hand, dann glitt sein Blick nach oben, der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet, fiel er nach hinten. Ein markerschütterndes Jaulen ertönte und ich fuhr herum. Ein heller, grauer Wolf beendetes das Jaulen abrupt als sein Blick auf mich fiel. Dann raste er los, seinen Kontrahenten außer acht lassend, sprang er über alles im Weg stehenden auf mich zu, die Zähne gefletscht, in den Augen die reinste Mordlust. Sein Gesicht ging fast in dem Meer schwarzer Punkte, das immer mehr wurde unter und als der Wolf gegen mich sprang, fiel ich schon längst von allein, nicht in der Lage bei Bewusstsein zu bleiben.

Wildes Blut [02]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt