FOURTYSIX

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-Corinne-
Mein Schädel brummte wie ein Bienennest als ich zu Bewusstsein kam. Als ich mich aufzurichten versuchte, bemerkte ich schwere Ketten an meinen Hand- und Fußgelenken. Probehalber zerrte ich daran und bekam prompt die Quittung als mich ein Schlag traf und ich schmerzerfüllt auf keuchte. Die Ketten waren magisch verstärkt wurden, um einem Lykae gefangen halten zu können. Mein wütendes Knurren erfüllte den Raum. Der Raum klang hohl, ein leichtes Echo blieb. Mühselig hievte ich mich dieses Mal erfolgreich in eine sitzende Position hoch und sah mich neugierig in der Dunkelheit um. Der Boden war mit schmucklosen Fliesen bedeckt, die Wände zierte ein neutrales Weiß, in den Ecken vermutete ich Spinnweben. Ein einzelnes Fenster, welches sicherlich eineinhalb Meter über meinen Kopf angebracht war, spendete spärliches Licht, welches meine Augen bei ihrer Erkundungstour unterstützten. Vor dem geschlossenen Fenster war ein kleinmaschiges Gitter angebracht, dass mit Sicherheit Nager und Streuner fernhalten sollte. Ein Blick links von mir ließ mich auf Holzfässer mit einen halben Meter Durchmesser starren. Vor mir sah ich ein Regal, in dem sich unzählige Weinflaschen tummelten. Vorsichtig lehnte ich mich weiter nach vorn um einen Blick um die Fässer herum zu wagen und sah Kästen mit genügend Alkohol um ein ganzes Rudel Lykae abzufüllen.
Wo war ich? Fragte ich mich und hielt meine Nase in die Luft, um einen aussagekräftigen Duft zu ermitteln. Es roch abgestanden. Ein wenig Alkohol lag in der Luft und kalter Zigarettenrauch, außerdem roch ich die verschiedenen Fährten der Lykae. Wahrscheinlich versteckten sie mich in dem Keller einer alten Bar oder eines Restaurants, überlegte ich die Fakten zusammen zählend.
Ich lehnte mich wieder zurück und legte meinen Kopf an die kühle Wand. Was hatten sie mir verabreicht, dass ich das Gefühl hatte als würde ein Karussell in meinem Kopf seine Runden drehen?
Mit den hinter meinen Rücken gefesselten Armen war es alles andere als leicht eine halbwegs bequeme Position zu finden. Noch schlimmer jedoch waren die Ketten an meinen Füßen. Sie waren mit den Handschellen verbunden und so kurz, dass ich nicht einmal meine Beine ausgestreckt hinlegen konnte. Straffte ich die Ketten versetzten sie mir einen Schlag, der mir die Haare zu Kopf stehen ließ und mir kurzzeitig den Verstand raubte. Allein der Gedanke an einen weiteren Schlag ließ mich missmutig knurren. Meiner Meinung nach hätten sie damals tatsächlich alle Hexen auf den Scheiterhaufen verbrennen sollen. Wenn ich das Miststück, welches diese Ketten gefertigt hatte in die Finger bekam, würde sie sich wünschen sie wäre damals mit verbrannt, schwor ich mir.
„Sie hat noch keinen Ton von sich gegeben.", hörte ich eine Stimme, die mir nicht neu war. Amanda, Walkers Gefährtin. „Hast du ihr zu viel von dem Gift verabreicht?" Hörte ich da tatsächlich Sorge aus ihrer Stimme?
„Nee, so groß wie die ist... Außerdem war die nicht so leicht. Ich habe ihr 16 Milliliter verabreicht, also für achtzig Kilo.", gab eine andere Stimme zurück.
Ich verhalte mich nicht mädchenhaft. Weder jammerte ich rum, heulte andauernd oder machte unnötige Szenen. Ich hielt mich auch nicht für fett, schließlich hätte ich gern die eine oder andere Kurve mehr. Und jetzt war auch nicht der richtige Zeitpunkt, um mit irgendeinem davon anzufangen, aber dieser gesichtslose Idiot hatte mich gerade ernsthaft als fett bezeichnet, regte ich mich innerlich auf. Bei einer Größe von rund einem Meter neunzig waren achtzig Kilogramm vollkommen in Ordnung. Tatsächlich wog ich sogar ein wenig mehr. Wütend presste ich die Zähne zusammen.
„Ich werde einmal nach ihr sehen.", bestimmte Amanda.
„Das will der Alpha nicht.", protestierte die Stimme wieder.
„Das ist mir gleichgültig und nun lass mich vorbei. Was ist, wenn du sie umgebracht hast?", fuhr sie ihn an, in ihrer Stimme schwang deutliche Autorität mit.
„Wen kümmert es dann? Sie ist doch ohnehin nur eine verwöhnte Göre, die die Nase zu hoch trägt, weil ihr Daddy der König war und ihr Bruder seinen Platz eingenommen hat."
„Wir brauchen sie lebend, Dom. Wenn sie tot ist, dann haben wir uns die ganze Mühe umsonst gemacht. Und du solltest vielleicht doch ein wenig mehr die Augen offenhalten, die Lykae lieben sie. Wenn wir sie töten, gibt es wahrscheinlich einen noch größeren Aufschrei als bei ihrem Bruder.", maßregelte sie ihn.
„Die sollen sich mal nicht so haben!", brummte der andere Lykae, sodass ich ihn kaum verstand.
„Lässt du mich jetzt vorbei?", ging Walkers Gefährtin nicht weiter auf seine Worte ein.
„Ich komme aber mit.", stimmte er widerwillig zu.
„Du wirst den Wachposten auf dem Dach übernehmen, ich werde mitgehen.", mischte sich eine weitere finstere Stimme ein. „Ja, Sir."
„Killian.", hörte ich Amandas Stimme, jedoch erkannte ich ihre Tonlage nicht.
Ich hörte keine weiteren Worte, dafür aber ein klickendes Schloss und kurz darauf Absätze, welche gleichmäßig über den Boden liefen.
„Oh, du bist ja doch schon wach.", stellte die Blondine überrascht fest als sie um die Fässer herumtrat.
Stumm erwiderte ich ihren Blick, während ein neues Gesicht um die Ecke kam. Killian war Walkers rechte Hand. Die dunkelblonden Haare auf 3 Millimeter kurzgeschoren, mit einer Reihe Ringen im rechten Ohr und Tattoos, die überall an den Enden seines grauen Shirts zum Vorscheinen kamen, machte er alles andere als einen netten Eindruck. Und das war er auch nicht. Als Walkers rechte Hand war er schon in unzählige Schlägereien verwickelt gewesen und sogar polizeilich auffällig geworden. Er machte keinen erkennbaren Unterschied zwischen den Leuten, die es mit ihm aufnehmen konnten und die ihm gnadenlos unterlegen waren. Traurig war, dass diese Informationen zubekommen ein Kinderspiel gewesen war und der Lykae uns dennoch nie aufgefallen war. Wir hätten ihn schon viel früher aus dem Verkehr ziehen müssen.
Ich würde persönlich dafür sorgen, dass er gemeinsam mit Walker unterging.
„Unsere kleine Prinzessin scheint nicht besonders gesprächig zu sein.", merkte er an als ich die beiden nur stumm ansah. Ich hatte nicht vor mit einen von ihnen zu reden. Ich war hier um Walker ans Messer zu liefern, nicht mehr und nicht weniger.
„Geht es dir gut?", erkundigte sich Amanda. Hatte ich zuvor Sorge in ihrer Stimme gehört, klang ihre Frage nun distanziert, wenn auch höflich.
Da ich diese Frage in meiner Lage alles andere als angebracht fand, ließ ich mich doch zu einer Antwort hinreißen: „Die Ketten sind ein wenig unbequem, aber sonst ist das hier der reinste Luxusschuppen. Angenehme 10 Grad Celsius, harte und kalte Fließen, sowie dieser wundervolle Geruch nach abgestandener Luft. Ihr solltet aufpassen, dass das nicht die anderen erfahren, sonst rennen sie euch noch die Bude ein."
Amandas Lippen verzogen sich und dann lachte sie leise. „Ich hoffe wirklich, dass du kooperierst, Corinne. Ich möchte nicht, dass mein Gefährte dich ebenfalls töten muss.", meinte sie und wandte sich dann zum Gehen. Mein Blick verfing sich in Killians Augen, die mich mit einem Ausdruck musterten, der mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.

Wildes Blut [02]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt