FOURTYTHREE

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-Corinne-
„Okay, eigentlich ist es ganz leicht!", stellte Antonia fest. Sie saß an dem Tisch in der Küche, wie üblich einen Laptop vor sich. „Du musst lediglich den Anweisungen in dem Rezept folgen."
„Da steht alle Zutaten zu einer glatten, homogenen Masse verrühren.", sagte ich und sah sie fragend an. Es war für mich unvorstellbar, dass ein Kuchen so leicht zuzubereiten sein sollte. Irgendwo musste es ein verstecktes Problem geben oder grundlegendes Fachwissen, dass scheinbar jeder außer mir besaß. Sollte sich der Kuchen wirklich nur so leicht zubereiten lassen, würde ich vielleicht das erste Mal in meinem Leben etwas Genießbares zubereiten. Ein schier unvorstellbarer Traum.
„Dann gibst du alle Zutaten in eine Schüssel und verrührst sie bis du eine glatte, homogene Masse hast.", wiederholte Antonia sich und sah nur kurz von ihrem Laptop auf, dabei strich sie sich eine ihrer kurzen Haarsträhnen zurück. Nach einer Suche, bei der ich gefühlt jeden Schrank in der Küche ausräumte, hatte ich eine Waage und ein Litermaß gefunden. Sorgfältig wog ich die Mengen ab und vermischte sie anschließend in der Schüssel. Skeptisch musterte ich die geschälten und gewürfelten Apfelstücke, die ich ganz zum Schluss noch unterrühren sollte.
Zögerlich kostete ich die Quark-Joghurt-Frischkäsemasse und stellte zu meiner großen Erleichterung fest, dass es geschmacklich nichts daran auszusetzen gab. Zumindest passt dies schon einmal. Wenn ich nun dem Rezept vertrauen konnte, musste ich den Kuchen nur noch in eine Form geben und für eine Stunde bei mittlerer Hitze im Ofen backen. „Tony, was ist mittlere Hitze?", wandte ich mich hilfesuchend an die Schwarzhaarige.
„Etwa hundertsechzig bis hundertsiebzig Grad.", antwortete sie, während ihre Finger über die Tastatur flogen. „Bei Quarkkuchen sollten hundertsechzig Grad reichen." Folgsam stellte ich den Ofen auf besagte Gradzahl ein und machte mich dann auf die Suche nach einer Form.
Zwei Minuten später war ich mir sicher. „Antonia?"
„Ja?"
„Es gibt keine Kuchenbackform.", stellte ich frustriert fest.
„Das ist ungünstig.", murmelte Toni, sah zu mir und stützte das Kinn in ihre Handfläche. Ihre Stirn kräuselte sich, während sie nachdachte. „Du wirst noch einmal einkaufen müssen.", meinte sie dann schulterzuckend und das gleichmäßige Klacken der Tastatur setzte ein. Was machte sie den ganzen Tag, dass sie immer wieder schrieb? Fast könnte man meinen sie schreibt Romane. Bei Gelegenheit musste ich der Sache auf den Grund gehen.
Mich meinen Teig zu wendend, fluchte ich: „Verdammt!" Bis jetzt war alles gut gegangen. Der Teig schmeckte. Laut Toni hatte er sogar die richtige Konsistenz und nun das... Mit keinem Gedanken hatte ich an die Kuchenform gedacht. Wir hatten ja auch sonst alles da, warum nicht auch diese blöde Form?

„Zarek, wir müssen nochmal los.", klärte ich ihn nüchtern auf, sobald ich ihn auf seinem Lieblingsplatz, dem Balkon entdeckt hatte.
„Hast du den Kuchen schon verhauen?", fragte er überrascht. „Ich hab gar nichts gerochen."
„Wahrscheinlich hat sie Zucker und Salz vertauscht!", lachte der sonst so ruhige Till.
„Nein!", fauchte ich. „In der Wohnung ist keine Backform." Wir hatten eine komplett eingerichtete Wohnung genommen. Also hatte ich angenommen, dass es alle nötigen Werkzeuge zum Backen gab. Entweder hatte der Vorbesitzer die Backform mitgenommen oder einfach nicht gebacken.
Beim Reingehen rief Zarek: „Kaden, Cole und Timon, kommt ihr mit?" Obwohl es eine Frage war, erwarteten weder Zarek noch ich Wiedersprüche. Ihr Auftrag war mein Schutz und Zareks Wort in diesem Sinne Gesetz.
„Klar." Kaden war sofort dabei, während sein Bruder entspannt in das Zimmer trat. An ihm hing der Geruch von Rauch. Er musste auf dem Balkon in seinem Zimmer geraucht haben. Ich rümpfte die Nase. Es kam selten vor das ein Lykae rauchte, aber schließlich waren es die Ausnahmen, die die Regel bestätigten.
„In einer Stunde, Till und ich, müssen Logan gleich Bericht erstatten.", wehrte Timon ab.
„Okay, dann nehmen wir Vincent mit.", bestimmte Zarek. Ich verzog das Gesicht.
„Wie sich die Prinzessin freut.", stellte Vincent fest und trat aus dem angrenzenden Türrahmen heraus. Es war mir unerklärlich wie ich so einen großen Mann übersehen konnte, aber er schaffte es immer wieder vor meinen Augen zu verschwinden.
„Du vergisst deine Position!", maßregelte ich ihn. Üblicherweise behandelte ich all meine Bodyguards und auch die Bediensteten daheim wie meine Freunde. Ich erinnerte sie nicht daran, dass sie in unserer Hierarchie unter mir standen, aber Vincent förderte meine biestige Seite jedes Mal erneut zu Tage.
„Ich habe deinem Vater die Treue geschworen, nicht deinem Bruder und auch nicht dir, Corinne.", erinnerte er mich.
„Warum bist du dann hier?", fauchte ich ihn an.
„Du musst meine Gründe nicht kennen, Prinzessin. Es reicht aus zu wissen, dass ich für deinen Schutz sorgen werde."
„Und wenn ich das nicht will?", erwiderte ich. Zarek trat einen Schritt zu mir. Auch wenn er stumm blieb, sagte sein Blick mir, dass ich mir überlegen sollte was ich jetzt tat. Zarek war meine innere Stimme der Vernunft. Wenn das Temperament, dass Rothaarigen nachgesagt wurde mit mir durchging, dann war Zarek derjenige, der mich vor den meisten Dummheiten bewahrte. Nicht allen, aber den meisten.
„Dann hast du Pech gehabt! Willst du jetzt deine Kuchenform holen oder nicht?" Mit diesen Worten beendete er mehr oder weniger taktvoll diese Auseinandersetzung und verärgerte mich somit nur noch mehr. Es kam mir vor wie eine Niederlage, denn ich war diejenige gewesen, die aus der Haut gefahren war, während er wie die Ruhe selbst schien.
„Ja, will ich.", erklärte ich deshalb möglichst würdevoll mit in die Luft gereckter Nase.
Zarek nickte mir zu und reichte mir meine Jacke. Vincent schlüpfte als Erster aus der Tür, Zarek und ich nach ihm, dann die Zwillinge.
Mittlerweile war es schon Sommer geworden. Die Jacke war mehr Deko als dass sie einen wirklichen Zweck erfüllte. Die Sonne schien und wärmte die Haut. Es war längst noch nicht so warm wie in meiner Heimat, aber die jetzigen Temperaturen waren mir bei Weitem lieber als das nasskalte Wetter im Winter. Ich hoffte, wo auch immer Maxim sich gerade herumtrieb, dass er die Sonne ebenso genießen konnte wie ich. Die Vampire zeigten ihm gefühlt die ganze Welt, fast jedem Abend, erzählte er mir von einer anderen Stadt, einem anderen Ort, den er besucht hatte. Ich beneidete ihn, um die Freiheit, die er genoss, während es ihm frustrierte, dass er mich nicht an einem einzigen dieser Orte mitnehmen durfte. Aber irgendwann, dass versprachen wir uns beide.
„Kaden und ich werden uns morgen Abend mal ein wenig in der New Yorker Partyszene umsehen.", sagte Cole unvermittelt.
„Oh, seid ihr solche Partygänger?", fragte ich überraschte. Kaden zuckte mit den Schultern. „Wenn wir schon einmal in New York sind, sollten wir uns auch ein wenig umsehen, oder? Vielleicht trifft ja einer von uns seine Gefährtin.", meinte Cole lässig. Kaden schnaubte. „Vor zwei Jahren hast du das auch gesagt, vielleicht treffe ich meine Gefährtin beim Rauchen. Getroffen hast du sie noch immer nicht, aber süchtig nach dem stinkenden Zeug bist du geworden.", beschwerte sich dieser bei seinem Bruder.
„Ignoriert ihn einfach, Kaden ist grundsätzlich der Miesepeter."
„Alter, du bist der Miesepeter von uns beiden, immerhin passt gute Laune nicht zu deinem Badboy-Image." Genervt malte der Lykae Anführungsstriche in die Luft und bedachte seinen Zwillingen mit einem bösen Blick.
Nur schwer konnte ich mir ein Lachen verkneifen. Diese Geschwisterliebe kannte ich nur zu gut. „Du hast doch keine Ahnung.", protestierte Cole.
„Ich wohne mit dir in einer Wohnung. Ich glaube schon, dass ich eine Ahnung habe, wenn ich mir das Gestöhne von deinen Mietzen anhören darf. Oh Cole... ja.... Oh Gott, oh Gott... Cole... ja... ja... mehr... Co..."
„Es reicht.", unterbrach Vincent Kadens Nachahmungen. „Was er eigentlich sagen will, ihr habt die Wohnung morgen für euch!", wandte er sich an mir.
„Was?", fragte ich ungläubig. Kurz sah ich zu ihm, dann wandte ich mich an Zarek. „Zarek, stimmt das?"
„Manuel will Lya mit einem Konzertbesuch von dieser einen Sängerin, die sie so mag überraschen."
„Sia?", fragte ich nach. Scheinbar wollten sie Maxim und mir etwas Freiraum zu seinem Geburtstag einräumen.
„Ich glaube. Lucas, Antonia, Till und Timon werden die beiden begleiten. Verdeckt natürlich.", erklärte er. „Vincent und ich werden in der Nähe bleiben, aber ihr habt die Wohnung ganz für euch."
Ungläubig sah ich sie an, dann sprang ich Zarek in die Arme. „Danke.", kreischte ich ihm überglücklich ins Ohr.
„Ihr seid der Wahnsinn.", murmelte ich als ich Kaden und Cole gleichzeitig in meine Arme schloss. Verlegen erwiderten sie die kurze Umarmung. Dann wandte ich mich meinen selbsterwählten Feind zu. Zögerlich trat ich zu ihm.
„Dankeschön!", murmelte ich. Dass sie dies für mich taten und ihre Sicherheitsregeln für ein paar Stunden lockerten bedeutete mir unheimlich viel. „Gewöhn dich nicht daran, Co..." Ich begriff nicht, warum Vincent in seiner brummigen Erwiderung stockte als er mich von sich drückte. Doch auf einmal sackte er in meinen Armen zusammen. Überrascht taumelte ich einen Moment unter seinem Gewicht, ehe ich ihn sicher hielt und mich suchend umsah. Die Passanten um uns starrten entsetzt zu dem Mann in meinem Armen. Zarek brüllte irgendetwas, während er mich mit sich zu ziehen versuchte. Da ich nicht bereit war Vincent loszulassen, war es nicht so leicht. Kaden und Cole waren aus meinem Blickfeld verschwunden. Kurz tauchte einer der beiden in meinem Gesichtsfeld auf. Er prügelte sich mit einem Lykae, dem ich noch nie persönlich begegnet war, aber der mir trotzdem vom Gesicht her vertraut war. Antonia hatte ihn als einem Lykae von Walkers Rudel zu ordnen können. Es war so weit.
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#ist euch sowas auch schon mal passiert (Teig fertig und es fehlt die Kuchenform)? Mir ist das am Anfang mit allen möglichen so ergangen. Kuchenform, Nudelholz, Ausstechformen...

#die Jungs sind echt toll, oder? Nur schade, dass da raus jetzt nichts wird...

Wildes Blut [02]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt