SEVEN

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Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten die Mundwinkel verächtlich zu verziehen. Ich konnte wirklich nicht nach empfinden, was der Vampir, mein Gefährte, an diesem Nachtclub fand. Trotz der relativ frühen Stunde, es war kurz vor zehn, war schon unheimlich viel los. Ohne mich umzusehen, wusste ich, dass mein Gefährte noch nicht anwesend war. Ich spürte es einfach instinktiv. Wahrscheinlich war es noch zu früh. Ich würde wohl oder übel warten müssen. Während der Wolf in mir tobte, bahnte ich mir einen Weg zur Bar. Ohne Alkohol würde ich diesen Abend nicht überleben. Allein schon im Getümmel der Stadt fühlte ich mich nicht allzu wohl. Zu viele Menschen, zu viele unangenehme Gerüche und Geräusche. Doch hier in diesem Club war es noch viel schlimmer. Die Luft war stickig und von Rauch geschwängert. Draußen auf den Straßen gab es immerhin noch die kalte, klare Luft, die den Wolf ein wenig besänftigte. Hier drin war es warm und voll. Halbnackte drückten sich immer wieder an mich, tatschende Hände glitten über meinen Körper. Ungeduldig schlug ich sie weg. Ich hasste solche Clubs. Mein Wolf fühlte sich wie in einem Käfig. Es war äußerst schwer ihn hier im Zaum zu halten. Als ich mir einen Wodka mit Eis bestellte, zweifelte ich an der Ausführbarkeit meines Plans. Wie sollte ich mehrere Stunden in dieser Hölle überleben? Der Lärmpegel war enorm. Aus versteckten Lautsprechern plärrte die Musik, die nicht gut, aber auch nicht schlecht war. Die Menschen schrien sich darüber hinweg gegenseitig an damit sie sich verstanden. Genervt stürzte ich den Wodka in einem Zug herunter. „Noch einen." Verlangte ich und ließ mich auf einen der Barhocker fallen. Sofort machte sich ein großer dunkelhaariger Mann an mich heran. Bevor er nur ein Wort sagen konnte, zischte ich ihm zu: „Verpiss dich." „Ich steh auf biestig." Erklärte er mit einem leichten Akzent, nachdem er einen Moment überrascht geschwiegen hatte. Wortlos drehte ich ihm meinen Rücken zu und nahm dieses Mal langsamere Schluck von meinem Wodka. Wenigstens der Alkohol war gut. Ich ließ meinen Blick über die Menschenmenge schweifen. Tatsächlich war schon der ein oder andere Vampir anwesend, was nicht unbedingt zu meinen Wohlbefinden zu trug. Aber was hatte ich auch anderes erwartete? Vampire liebten solche Nachtclubs. Nur mein eigener Vampir fehlte. Ich mochte die Präsenz der Vampire nicht, da ich ihnen nicht über den Weg traute, aber so lange sie mich in Ruhe ließen und sich an die Regeln hielten, sollten sie mich genauso wenig stören wie ich sie. Wohl oder übel würde ich in Zukunft mehr mit Vampiren zu tun haben, als ich es mir jemals in meinem Leben hätte vorstellen können. Ich wandte mich wieder der Bar zu. Der Barhocker neben mir war endlich frei geworden. Der schmierige Typ hatte sich auf der Tanzfläche ein neues Opfer gesucht.
Ein Kribbeln im Nacken warnte mich, noch bevor mich die Stimme der Vampirin erreichte. „Wolf!" dieses eine recht herrisch ausgesprochene Wort war Begrüßung, Beleidigung und respektvolle Kenntnisnahme in einem. Die Vampirin ließ sich neben mir auf den Hocker fallen. „Blutsauger!" erwiderte ich und bemühte mich nicht einmal den genervten Unterton aus meiner Stimme herauszuhalten. Wir Lykae hassten es von anderen Rassen als Wölfe bezeichnet zu werden. "Was hast du hier zu suchen, Wolf?" Fragte sie. "Bist du wegen den Abtrünnigen hier?" Überrascht über ihre Worte zog ich die Braue hoch und nippte an den teueren Schnaps. Als Abtrünnige wurden sowohl Lykae wie auch Vampire bezeichnet, die sich nicht an die Regeln hielten. Vertraglich hatten die Lykae und Vampire es so miteinander geregelt, dass sich zuerst die eigene Rasse um die Abtrünnigen kümmern sollte. Erst nach einer gewissen Zeit durfte sich die jeweils andere Partei einmischen, wenn das Problem bis dahin nicht beseitigt wurde. Das sollte dazu beitragen den Frieden zwischen den Lykae und Vampiren aufrecht zu erhalten. Scheinbar fühlte die Vampirin sich durch meine Anwesenheit bedroht. Warum sonst sollte ein Lykae in solch einen Club auftauchen, wenn er nicht auf der Jagd nach Abtrünnigen Vampiren war? Dies würde einen Bruch des Vertrages darstellen und mit großer Wahrscheinlichkeit erneut einen Krieg hervorrufen. Etwas, dass ich definitiv nicht wollte. "Was für Abtrünnige?" Fragte ich also und signalisierte damit, dass ich nicht deswegen hier war. Ich wandte mich der Vampirin zu, da sie scheinbar nicht verschwinden würde, bevor sie mit mir gesprochen hatte. Überrascht zog ich die Luft ein als ich die braunen welligen Haare und die grauen Augen erblickte. Falls es einen Vampir auf der Welt gab, den ich mochte, meinen Gefährten außen vor gelassen, wobei das noch nicht geklärt war, dann war es dieser, der mir gerade gegenüber saß. „Tamara Drakon." „Corinne McNaught." Stellte sie im gleichen Moment fest. „Eigentlich hätte ich dich an deinen Haaren erkennen sollen." Fügte sie dann noch hin zu. „Sergje, noch einmal das gleiche für sie und einen Barcardi für mich." Rief sie den Barkeeper zu. Dieser nickte und machte sich so gleich an die Getränke, obwohl er dabei seine anderen Gäste stehen ließ. Überrascht zog ich eine Braue hoch. „Er ist ganz nett im Bett." Meinte Tamara. Sie war eine von Kleopatras Wächterin. Kleopatra war so etwas wie die Königin der Vampire. Damals als die Verhandlungen zwischen den Vampiren und Lykae liefen, hatte Tamara sich sehr darum bemüht auf ein, für die beiden beteiligten Parteien, gleichermaßen gutes Abkommen hinzusteuern. Zugleich war Tamara aber auch eine Chausserin, das hieß sie jagte die Abtrünnig gewordenen Vampire. Außerdem galt sie auch als ein wahres wandelndes Lexikon und Sprachengenie. Ich kannte sie schon seit mehreren Jahrhunderten. Trotzdem tragen wir nur selten aufeinander. Das letzte mal war schon wieder einige Jahre her. „Er ist ein Mensch." Merkte ich an. Auch wenn ich sie von den Vampiren am meisten respektierte, war die Stimmung zwischen uns angespannt.
Tamara zuckte mit den Schultern. „Solange ich ihn nicht töte, beiße oder von uns erzähle ist es irrelevant." Erinnerte sie mich. „Was machst du hier? Ohne Wachhunde, soweit Weg von deinem geliebten rot gebrannten Kontinent." Fragte sie. Sie schenkte den Barkeeper ein bezauberndes Lächeln, welches er erwiderte als er die Gläser vor uns abstellte. Ohne das Geld zu verlangen, wandte er sich seinen anderen Gästen zu. Ich schüttelte leicht den Kopf. Das war es was ich so an Vampire hasste. Die Menschen waren für sie bedeutungslos. Ohne zu zögern wickelten sie, sie mit ihren Charme ein, benutzten sie und warfen sie dann achtlos weg. Die Menschen bemerkten es nicht einmal. Trotzdem hatte ich nicht das Recht etwas dazu zu sagen.
„Feiern gehen." Antwortete ich. Mir war klar, dass Tamara wusste, dass ich log. Sie saugte Wissen wie ein Schwamm auf. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie genau wusste wie sehr ich es hier drinnen hasste. „Und du?"
„Ich schlag dir einen Deal vor, Prinzessin. Du erzählst mir die Wahrheit und ich tu es dir gleich."
Kurz überlegte ich.
„Ich warte auf meinen Gefährten." Sagte ich dann und spielte mit dem vollen Glas in meiner Hand. „Ich habe gehört dein Bruder hat auch seine Gefährtin gefunden." Stellte Tamara interessiert fest und lächelte als ob sie das wirklich freuen würde. „Ein Mensch, nicht wahr?" Ich nickte. Es war interessant wie schnell sich dies selbst in der Vampirwelt herumsprach. „Ich habe gehört, dass deiner geheiratet hat."
„Alexandr. In der Tat. Es war eine wundervolle Hochzeit." Bestätigte mir Tamara. Dieses Mal war ich mir hundertprozentig sicher, dass das Lächeln echt war, dass ihre Lippen zierte, denn ihre Augen strahlten bei der Erinnerung liebevoll. Vielleicht bestand wirklich Hoffnung. „Wie ist das möglich? Ich dachte, Vampire sind zu solchen Gefühlen nicht Fähig." Tamara sah mich verdutzt an und lachte dann. „Wusstest du, Wolf, dass die Vampire den Menschen viel ähnlicher sind als die Lykae?" fragte sie mich. „Wir haben die menschlichen Erinnerungen und Ansichten, einzig und allein die Blutgier und die größeren Kräfte unterscheiden uns von ihnen. Ihr Lykae im Gegenzug, habt ein ganz anderes, wilderes Wesen. Ihr habt die Instinkte eines Tieres in euch und die Fähigkeit euch in eines zu wandeln. Die Vorstellung von der Liebe und den Beziehungen sind bei euch ganz anderes als beim Menschen. Ein Vampir ist nicht schlechter oder beziehungsunfähiger als ein Mensch. Die Menschen führen nur nicht solch tiefe, innig und ewig wehrende Beziehungen wie ihr Lykae. Sie leben zu kurz um ewig auf den einzig wahren Gefährten zu warten, wenn sie denn überhaupt einen haben. Vampire sind da nicht anders. Sie sehnen sich ebenso wie die Menschen nach Liebe. Aber sie haben noch einen Nachteil mehr. Jeder Vampir hat irgendwann einmal festgestellt, dass alle die er liebt irgendwann sterben. Will man lieben, wenn man weiß, dass man denjenigen innerhalb kürzester Zeit wieder verlieren wird?"

Wildes Blut [02]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt