Überstürzte Flucht

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Die Sekunden in denen ich dastand, kamen mir vor wie Stunden. Mein Kopf war wie leergefegt. Mein Blick klebte förmlich an der kleinen, bereits entstandenen Blutlache. Das konnte doch nicht war sein. Ein gequältes Auf husten, riss mich aus meiner Schockstarre. Ich fuhr erschrocken zusammen, da ich der festen Überzeugung war, Smith wäre tot. Sofort rannte ich zu ihm und hockte mich neben ihm auf den Boden. Da war soviel Blut. Jetzt sah ich auch das er atmete. Zwar flach, aber er tat es. Er hustete noch einmal und blickte auf als er mich bemerkte.
„Wa-Was ist passiert?“
Meine Stimme zitterte, genauso wie der Rest meines Körpers.
Um meine Hände nicht untätig herum baumeln zu lassen, entschied ich mich auf die Wunde zu drücken um den Blutfluss zu stoppen. Die rote Flüssigkeit war warm und nass. Nach einem tiefen Atemzug konnte ich mir sicher sein, nicht in Ohnmacht zu fallen.
Smith hustete abermals und zog sich dabei sein Funkgerät aus dem Ohr, das dann über seiner Schulter baumelte.
Ich wiederholte meine Frage.
„Smith! Was ist passiert? We-Wer war das?“ Meine panische Tonlage war im Moment wohl gut nach vollziehbar.
Angesprochener atmete rasselnd ein.
„Ich habe... mich wohl zu sehr in Sachen eingemischt... die mich nichts angehen. Meine Pensionierung hätte ich mir aber dennoch etwas anders vorgestellt.“
Ich fragte mich wie er in so einer Situation noch Witze reißen konnte, während ich darum bemüht war nicht in Tränen auszubrechen.
„Was meinen Sie damit? Sagen Sie doch endlich was passiert ist!“
Smith nahm ein ernsten Gesichtsausdruck an.
„Anderson hat ohne dem Wissen anderer einen... Plan erstellt um ihre... Kraft für sich zum Vorteil zu nutzen. Er will Sie in riskante Gebiete schicken, damit Sie gefährliche Missionen übernehmen. Er will damit wohl in der Gunst der Führenden aufsteigen... und wenn er das erst einmal geschafft hat, dann wird er wohl zum neuen Direktor. Fury weiß von alledem nichts. Wir beide, wir sind die einzigen die davon wissen... Wahrscheinlich sind es in wenigen Minuten nur noch Sie... Ich wollte ihn umstimmen, aber er scheint wohl nichts für Gespräche übrig zu haben...“
Die ganze Zeit über versuchte ich konzentriert zu zuhören und nebenbei noch auf die Wunde Druck auszuüben.
„Das heißt also das Anderson geschossen hat?  Hat den keiner davon etwas mitgekriegt?“
Er schüttelte den Kopf.
„Er ist gerissen. Die Kameras waren wahrscheinlich aus. Keiner hat etwas mitbe-“
Smith hustete wieder und unterbrach somit sich selbst. Ich schaute mich um und versuchte irgendwas zu finden, das vielleicht helfen würde. Mein Blick blieb aber an der Waffe hängen.
>>Das ist doch...<<
Ich kannte mich mit diesen Dingern zwar nicht besonders gut aus, aber ich war mir zu hundert Prozent sicher das es genau die gleiche war, die mir Anderson vor einer Weile in die Hand gedrückt hatte.
Smith bemerkte meinen erschrockenen Blick.
„Er trug Handschuhe. Aber so wie Sie schauen, sind ihre Fingerabdrücke dort drauf. Ich weiß nicht was er damit bezwecken will... aber das bedeutet das Sie ganz schnell von hier verschwinden müssen. Mit mir geht es sowieso langsam zu Ende...“
Wieder ein gequältes Husten. Ich schaute wieder zum ihm.
„Nein! Ich kann doch nicht einfach abhauen... Was soll ich denn machen?!“
Immer mehr Blut sprudelte auf den Boden. Mir brannten Tränen in den Augen.
„... Fury hat... jemanden hergeschickt. Agent Barton... wenn Sie ihn überzeugen können, von Andersons Plänen... dann wird er ihn zur Rechenschaft ziehen...“
Da er jetzt nur noch flüsterte, musste ich genau hinhören um alles zu verstehen.
„Ich weiß doch überhaupt nicht wie der Typ aussieht! Smith sie müssen... Smith?“
Es war vorbei. Der alte Mann hatte aufgehört zu atmen und schaute mit leeren Blick zur Decke. Ich nahm meine Hände von der Wunde und rutschte ein wenig von dem leblosen Körper weg. Mir war eiskalt. Tränen bahnten sich ihren Weg über mein Gesicht.
Die grausame Stille wurde von einem knacken im Funkgerät unterbrochen, das immer noch über der Schulter baumelte. Es erklang eine Stimme.
„Agent Smith wurde soeben niedergeschossen! Ich wiederhole! An alle!  Agent Smith wurde soeben von Sarah Mitchel niedergeschossen! Verhaften Sie sie... oder bringen Sie sie zur Strecke!“
Anderson.
Ich saß erstarrt auf dem Boden, bis ich realisierte was er gerade gesagt hatte. Dieser Mistkerl hatte alles perfekt eingefädelt. Zu meinem Nachteil.
Ohne auf irgendetwas zu achten, sprang ich auf und rannte aus der Halle. Ich musste sofort aus dem Gebäude raus. Ich hatte Glück das mir auf dem Flur nicht schon jemand entgegenkam. Das hätte meiner Flucht nämlich schnell ein Ende gesetzt. Smith hatte zwar gesagt das ich diesen Barton finden sollte, aber das musste auf später verschoben werden. Zumindest hoffte ich das es ein „Später“ noch geben würde. Ich musste häufiger abrupt stoppen, weil ausgerechnet in dem Gang in den ich einlenken wollte, Schießwütige Agenten standen. Doch dank deren Unaufmerksamkeit schaffte ich es zu einem mir bekannten Ort. Da war die, einseitig, Passwortgeschützte Tür die auf den Flur führte und dieser in die rettende Freiheit. Ich stürzte auf diese zu, stieß sie auf und fand den langen Korridor vor mir. Nur noch wenige Meter.
Doch zu allem Überfluss stolperte ich auf der Hälfte der Strecke und landete auf dem Boden. Anscheinend war mein Schutzengel im Urlaub.
„Keine Bewegung.“
Ich erstarrte als hinter mir eine Stimme erklang.
>>Nein, nein, nein!<<
Langsam drehte ich mich um. Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich auf.
„Und jetzt ganz langsam aufstehen.“
Es war der Agent mit dem ich zusammengestoßen war. Aber im Gegensatz zu vorher sah er nicht mehr so amüsiert aus.
Aber anstatt seiner Aufforderung zu folgen, blieb ich sitzen. Auch wenn das vielleicht keine gute Idee war, da er eine Waffe in der Hand hatte und diese auf mich gerichtet war. Von Pistolen hatte ich in nächster Zeit erst mal ganz gehörig die Schnauze voll.
Er hob eine Hand an sein Ohr.
„Sir? Ich hab sie.“
Der „Sir“ meldete sich auch schnell.
„Gut gemacht Agent Barton. Stellen Sie sie unter Arrest!“
In meinem Gehirn ratterte es.
>>Barton... Barton? Barton!<<
Das war der Typ den ich so einfach von Andersons Plänen überzeugen sollte? Da wäre es ja leichter einen Sturz aus dem 100. Stock eines Hochhauses zu überleben.
„Also, steh auf.“
Während seines kleines Funkgesprächs hatte er mich nicht aus den Augen gelassen. Ich fühlte mich im Moment aber nicht unbedingt gewillt, überhaupt noch irgendwelchen Aufforderungen zu gehorchen. Also musste das Gespräch wohl auf einen anderen, weniger Dramatischen Zeitpunkt verschoben werden.
„Ich sage es nicht noch einmal. Steh auf!“
>>Du hast es aber schon wieder gesagt.<<
Bevor er reagieren konnte, hatte ich ihm die Beine weggezogen und ihn somit auf den Boden befördert. Noch bevor er dort ankam, drehte ich mich zur Tür und verwandelte mich. Die noch übrige Entfernung zur Tür war in Sekunden zurückgelegt. Mit einem nicht sehr leisen Geräusch hatte ich diese auch schon buchstäblich aus den Angeln gerissen. Endlich war ich wieder an der frischen Luft. Nach Tagen. Und was ist? Es regnete. Die Tropfen peitschten mir regelrecht ins Gesicht. Der Himmel war Dunkel und Wolken verhangen. Ich achtete nicht weiter auf das, wirklich zur Situation passende Wetter, sondern lief los. Irgendwohin. Hauptsache weg.
Das war nur nicht so einfach. Überall standen Container und verhinderten ein geplantes entfliehen.
Und weil das ja auch noch nicht genug Probleme verursachte, hörte ich nach einiger Zeit Motorengeräusch. Eindeutig ein Motorrad.
>>Wirklich? Haben die nichts anderes zu tun?<<
Mir wurde schnell klar das ich keine besonders gute Chance hatte hier heil raus zukommen. Bis ich dann etwas roch. Wasser! Viel Wasser! Nach einer weiteren Linkskurve, durch dieses Container Labyrinth, sah ich es auch. Ein Fluss. Also hatte ich damals mit dem Containerhafen recht gehabt. Mir war jetzt aber egal ob es sich um den Hudson oder um den East River handelte. Ich hielt genau darauf zu. Das das Motorrad jetzt auch seinen Weg gefunden hatte, ließ mich noch mehr beschleunigen.  Ich spürte das Wasser unter meinen Pfoten, wie es versuchte mir den Halt zu nehmen. Doch ich hatte nicht die ganzen Tage „Laufen gelernt“ nur um jetzt auf einer nassen Asphaltstraße auszurutschen. Mit ganzer Kraft sprang ich ab, in die rauschenden Fluten.

Die Maschine kam nur wenige Sekunden nach einem lauten Platscher am Rande des Docks zum stehen. Im Funkgerät des Fahrers ertönte eine Stimme.
„Barton? Statusbericht.“
Dieser schaute sich konzentriert nach irgendwelchen Zeichen im Wasser um.
„Sie ist entkommen Sir.“
Am anderen ende hörte man ein wütenden Schnauben.
„Gut. Kommen Sie zurück.“
Noch einmal schaute er auf das Wasser, startete dann aber den Motor und machte sich auf den Rückweg.

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