Kapitel 1

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Ich drehte mich nochmal schnell um. Gut, keiner da. Ich hetzte mich schnell durch die kalten und hässlichen Flure des Heimes. Vor meiner Zimmertür drehte ich mich nochmals um. Eigentlich ist die ganze Paranoier von mir unnötig, da wenn einer da wäre, er mich eh nicht beachten würde. Und wenn doch, dann würde man mich nicht daran hindern, vielleicht sogar würde man mich dazu fördern oder man würde mir blöde/dumme Kommentare an den Kopf werfen. Ich ging in mein Zimmer und knallte meine Tür, an welche ich mich anlehnte, zu. Ich suchte meinem Zimmer ab, ob meine ach so tolle ( Achtung Ironie) Zimmergenossin da war. Als ich sie nicht erblickte, rutschte ich die Tür herunter und versuchte meinem Atem zu normalisieren. Als ich mich beruhigt habe, stand ich wieder auf und streifte meine Jacke ab. Zügig ging ich ins Bad und schloss sie sicherheitshalber ab, falls doch jemand herein kam. Ich stützte mich mit beiden Armen jeweils am Waschbecken ab und betrachtete mich im Spiegel.

Meine dunkelbraunen Haare waren wellig wie immer, doch den Glanz haben sie schon lange verloren, genauso meine Augen. Heute blickten mich zwei matte Augen an. Früher strahlten meine grauen Augen. Ja, früher... Auch sonst habe ich mich verändert. Meine Haut ist blasser und ich bin dünner geworden. Zwar war ich schon vorher dünn gewesen, aber das lag defintiv nicht daran, dass ich Sport gemacht habe. Jetzt mache ich sehr viel Sport nicht weil es mir Spaß macht (was aber ein schöner Nebeneffekt ist), sondern weil ich dabei abschalten kann. Abschalten von meinem scheiß Leben und ich mache Sport um mich wehren zu können. Früher habe ich alles über mich ergehen lassen oder ich bin davon gelaufen. Dies wollte ich nicht mehr. Ich weiß, dass ich allen Mädchen, die im Heim lebten, nur mit einen Schlag ko schlagen könnte . Dann hätte ich endlich den verdienten Respekt von den Görren. Aber ich mache es nicht. Warum? Weil sie dann gewonnen haben, da man mich dann als gewalttätig einstufen würde und ich somit niemals hier weg gehen könnte. Wenn ich überhaupt weg komme. Aber zurück zu den äußerlichen Veränderungen. Die größte äußerliche Veränderungen sind auf jeden Fall die Narben, welche nun meine beiden Armen ziehren, deswegen trage ich immer langärmige Sachen, weil keiner vom Heim mit bekommen soll, wie es mir wirklich geht und es dann noch schwierieger wird, dass jemand mir hier raus hilft, denn wer will denn bitteschön ein Mädchen, welches sich ritzt? Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich die Hoffnung schon lange aufgegeben ein bessere Leben zu bekommen. Ich schnaufte verächtlich auf. Ich ging zu dem hässlichen Badezimmerschrank und stellte mich auf Zehenspitzen um an meinem Versteck zu kommen. Wie in Trance ging ich mit meinen Sachen zum Waschbecken und wickelte das Papier, welches um den Rasierer ist, ab. Ich zögerte nicht lange und fing an mich zu ritzten. Dabei fühlte ich mich frei. Es war meine Sucht für andere waren es Drogen, Alkohol oder so und für mich war es mein Rasierer. Beim dritten Schnitt rutschte ich aus und ein tiefer langer Schnitt schmückte meinen linken Arm. Es brannte höllisch, doch ich fand es nicht schlimm. Ehrlich gesagt, genoss ich den Ausrutscher.

Geschickt verband ich mir beide Arme, hatte ja auch viele Übungen darin. Die Sachen versteckte ich wieder an dem Platz. Ich ging aus dem Bad und steuerte meine Jacke zu, die ich dann auch anzog. Gerade als ich aus der Tür gehen wollte, wurde diese mit Schwung von Jasmin meiner Zimmergenossin geöffnet. Sie schupste mich aus dem Weg um herein zu gehen. Um ehrlich zu sein, bin ich froh mit ihr das Zimmer zu teilen, weil sie einer der netteren ist. Trotzdem ist sie genauso wie die anderen. Sie zog sich viel zu knappe Sachen an und hatte 100 bis 1000 Kilo Schminke in der Fresse. Eine Sache haben wir gemeinsam, wir mögen uns beide nicht sehr, doch wir gehen uns so weit es geht aus dem Weg. Ich ging aus dem Zimmer um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden. Jeder im Heim hat Aufgeaben, die meisten machen diese nicht, da sie zu "fein" dafür sind. Deshalb bekomme ich immer die meisten Aufgaben und plane somit meine Tage ein. Dies kannte ich aber schon von früher. Es hat aber auch etwas positives und zwar wird das in die Mappe geschrieben. Die Mappe ist für Leute, die gerne ein Kind adoptieren möchten. Dort steht alles mögliche drin, wie sie sich benehmen, die Zeugnisse, warum sie im Heim sind und so weiter. Aber trotz meinen stetigen Bemühungen mache ich mir keine Hoffnung, da meistens die Leute kleine süße Kinder haben möchten. Und wer möchte denn bitteschön ein 17 jähriges Mädchen mit so einer Vergangenheit?

die Vergangenheit macht dich so, wie du bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt