25. Kapitel

797 29 20
                                    

Alexandra:
Nach dem großen Desaster gehe ich mit Columbia zurück in den Palast. Da wir keine Schlüsselkarte haben, müssen wir an der Tür klopfen und warten, bis uns eine Wache die Tür öffnet. Diese schaut uns misstrauisch an, als er jedoch erkennt, dass wir Erwählte sind, lässt er uns widerwillig rein.

Columbia und ich spazieren durch die Gänge in Richtung unserer Zimmer und unterhalten uns über belanglose Dinge. Sie ist wieder so lebendig und unbekümmert wie immer. Nach einer Weile entscheide ich mich aber dazu noch einmal etwas zu der Verabredung zu sagen.

"Darf ich dir einen lieb gemeinten Rat geben?", ich habe Angst, dass sie es falsch aufnimmt, doch sie wirkt genauso offen wie sonst auch, "Am Besten gehst du für die nächste Zeit ein bisschen auf Abstand mit Christian und dafür werde ich mal mit ihm reden."

Auch wenn sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen, sehe ich leichte Zweifel in ihrem Blick.

"Ich möchte nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich habe kein Interesse an ihm. Er ist zwar ein toller Mann, aber ich könnte zum Beispiel nie so viel für ihn empfinden, wie du es tust und ich glaube, deine Art und Liebe ist genau das, was er braucht. Ich würde es dir vom ganzen Herzen wünschen, dass du die letzte Erwählte bist und daher möchte ich dich unterstützen. Ich möchte dir dabei helfen, ihm die Augen zu öffnen."

Sie bleibt stehen und ich kann Tränen in ihren Augen erkennen. "Warum willst du das tun?"

Oh nein. Bitte bloß nicht weinen.

"Du bist meine Freundin und ich finde, wenn ihr Beide gegenseitig mehr auf den Anderen eingeht, dann wärt ihr das perfekte Paar. Außerdem glaube ich, dass dich viele hier unterschätzen. Vor allem Christian."

Jetzt fängt sie richtig an zu weinen und fällt mir um den Hals. Währenddessen versuche ich, nicht von ihr umgerissen zu werden und klopfe ihr ein wenig unbeholfen auf den Rücken.

Schiefend löst sie sich langsam von mir und sieht mich an. "Ich wusste einfach, dass wir beste Freundinnen werden. Wenn ich dann auch noch deine Unterstützung habe, kann ja nichts mehr schief gehen."

Das kann ich nur hoffen, denn wenn ich es jemandem gönne, dann ihr.

Wir wollen gerade wieder loslassen,  da dreht sie sich noch einmal zu mir und hebt ihren Zeigefinger. "Doch solltest du mir hier etwas vorspielen und mich hintergehen, dann machen dich meine Brüder kalt." Daraufhin verschwindet ihre ernste Miene und sie hüpft unbekümmert los.

Nach dem ersten Schock laufe ich ihr hinterher. Oh ja, ich glaube wirklich, dass sie alle unterschätzen. Das bringt mich zum Lächeln. Sie ist wirklich eine unvorstellbare Person, jedoch nicht so, wie Christian denkt.
Ich bin wirklich froh, sie hier kennengelernt zu haben und ich glaube, dass das Casting noch viele Überraschungen für uns bereithalten wird.

In meinem Zimmer angekommen, lasse ich mich auf einem der Sessel fallen. Rose kommt auf mich zu gerannt und bietet mir etwas zu trinken an. Violet wischt währenddessen den nicht vorhandenen Staub von den Flächen und Jocelyn sitzt im Nähzimmer, dessen Tür geöffnet ist, und näht ein neues Kleid. Man sieht, wie routiniert sie alle in dem, was sie tun, sind. Wenn ich sie so beobachte, kommt es mir so vor, als wäre ich schon seit Ewigkeiten hier.

Rose stellt einen Tee neben mir ab und fängt an, meinen Kleiderschrank zu sortieren.

Eine Weile sitze ich nur da und beobachte das Treiben meiner Zofen. Als der Tee ausgetrunken ist, erhebe ich mich und gehe zu dem Flügel, der in der Mitte des Raumes steht. Ich streiche über das lackierte Holz und bewundere seine Schönheit. Bei dieser Arbeit muss ein echter Meister am Werk gewesen sein. Leider traue ich mich nicht, den Flügel aufzuklappen, da er ansonsten wahrscheinlich zu laut gewesen wäre. Dann setze ich mich auf den Klavierhocker und lasse meine Finger über die Tasten gleiten. Da ich keine Noten dabei habe, spiele ich ausschließlich Stücke, die ich auswendig kann. Irgendwann bin ich so in das Spielen vertieft, dass ich nichts mehr um mich herum wahrnehme. Doch irgendwann schaue ich hoch und erschrecke.

Ich habe gar nicht gemerkt, wie Ethan hereingekommen ist und auch nicht, dass alle in ihrer Arbeit inne gehalten haben und jetzt zusammen auf der Sitzgruppe sitzen und mich angucken. Als ich die Finger von den Tasten nehme, fangen sie an zu klatschen und ich laufe rot an.

Ich lege die Klappe herunter als Schutz der Tasten und geselle mich zu ihnen.

Jocelyn guckt mich begeistert an und hüpft voller Energie auf dem Sitz des Sessels herum.

"Kannst du mal ein ganz bestimmtes Lied für mich spielen?" Sie sieht mich hoffnungsvoll an.

"Natürlich, nur habe ich leider generell keine Notenblätter mit."
Violet winkt sofort ab. "Das ist überhaupt kein Problem. Ich bin mir sicher, dass wir hier eine Menge davon finden werden."

Ich schaue in die Runde und da kommt mir eine Idee. "Habt ihr hier zufälliger Weise ein Kartenspiel? Ich hätte nämlich ziemlich große Lust, euch bei einem Spiel herauszufordern."

Nach einigem Hin und Her, ob es ok ist, wenn sie mit mir spielen, und danach,welches Spiel wir dann spielen wollen, können wir uns schließlich einigen. Ethan verschwindet kurz in seinem Zimmer und kommt kurz darauf mit einem Stapel voller verschiedener Spiele zurück.

Irgendwie verwundert mich das bei ihm nicht.

"Meine Familie und ich haben jede Woche am Freitag Abend zusammen einen Spieleabend gemacht und sie haben mir einen kleinen Teil unserer Sammlung mitgegeben.", versucht er sich zu rechtfertigen.

Es rührt mich auf eine ganz besondere Art. Ich kann mir vorstellen, dass er und seine Familie einen großen Zusammenhalt haben. Dabei muss ich an meine zerstörte Familie denken und werde mal wieder sauer auf meinen Vater. Bei uns hat es soetwas nie gegeben. Das wäre auch zu albern gewesen, denn schließlich hatten wir deutlich wichtigeres zu tun, als uns die Zeit mit Gesellschaftsspielen zu vertreiben, außer natürlich einer seiner wichtigen Arbeitskollegen oder Kunden war zu Besuch.

Schnell vertreibe ich die negativen Erinnerungen aus meinem Gedächtnis zu vertreiben und konzentriere mich lieber auf das Hier und Jetzt.

Wir fangen an zu spielen und nach einigen Eingewöhnungsminuten, verliert jeder seine Hemmungen und fiebert seinem eigenen Sieg entgegen. Bald schon fallen lustige Sprüche und lieb gemeinte Beleidigungen.

Nach ungefähr einer halben Stunde klopft es an der Tür und noch bevor eine meiner Zofen zum Aufmachen rennen kann, stürmt Columbia herein und staunt nicht schlecht, als sie uns zusammen spielen sieht.

"Ethan, du hast die Spiele mit... Ich will auch!"

Und schon gesellt sie sich zu uns und steigt mit ein.

Jetzt wird die Runde noch lustiger und wir kommen kaum noch aus dem Lachen heraus. Vergessen sind alle Gedanken an den Reinfall von heute Morgen.

Ich schaue in die Runde und grinse in mich hinein. Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus. Ich glaube, ich fühle mich hier echt... wohl. Wenn sie es nicht schon sind, dann bin ich mir sicher, dass in diesem Zimmer hier alle sehr enge Freunde von mir werden.

Innerlich hoffe ich, es möge immer so weiter gehen, doch irgendwann klopft es erneut an der Tür und als diese nicht wieder einfach so aufgerissen wird, erhebt sich Violet eilig und öffnet sie.

Davor steht Columbias Leibwächter, der sich sichtlich unwohl fühlt. "Ähm. Entschuldigen Sie mich bitte vielmals, doch Lady Columbia müsste bitte herüber in ihr Zimmer kommen und sich für das Abendessen vorbereiten."

Während Columbia nur aufsteht und mein Zimmer verlässt, schaut Violet schnell auf die Uhr und wirkt ein wenig erschrocken.

"Schon so spät!", sie zeigt auf mich, dann auf das Badezimmer und macht Scheuchbewegungen.

Ich tue ihr den Gefallen und mache mich schnell fertig.

Selection - Die ZweiteWhere stories live. Discover now