9. Kapitel

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Alexandra:
Früh am Morgen, als ich gerade aufgewacht bin, schleicht Iva herein und versucht mich vorsichtig zu wecken.
"Morgen Süße. Heute ist dein letzter Tag und den musst du genießen!", flüstert sie mir zu.
Ich schlage die Augen auf und stöhne. "Kannst du nicht mitkommen?"
Meine beste Freundin lacht auch und setzt eine vertäumte Miene auf.
"Einmal im Leben den Prinzen treffen... Welch ein Traum", säuselt sie mir zu "und deswegen musst du Prinzessin werden, damit ich dann zu dir kommen kann."
Langsam quäle ich mich aus dem Bett und stolpere in Richtung Badezimmer.
"Du kannst mir etwas zum Anziehen aussuchen, aber nur heute." Das ist nicht leicht zu sagen, da Iva ihren - Wie sag ich das am besten? - eigenen Geschmack.

Das sonst so langweilige Frühstück ist durch meinen Bruder gleich viel belebter. Leider redet er die ganze Zeit über Sachen, die ich nicht verstehe oder kenne.
Sowas wie die neuesten Mischpulte, die modernste Musik, irgendwelche weltweit bekannten DJ's und so weiter und sofort...
Es ist trotzdem schön ihm zuzuhören, denn die Hauptsache ist, dass er da ist.
"Achso, morgen geht's ja los, ne?", fängt er nun auch an.
"So. bis heute Abend wird nicht mehr darüber gesprochen, ok?"
Er guckt mich beleidigt an.
"Na gut. Wie du meinst."
Nach einer Weile Stille, fängt er wieder an über Musik zu philosophieren.

Drei Stunden später steigt ein uniformierter junger Mann aus einem großen schwarzen Auto mit getönten Fensterscheiben und geht in die Richtung unseres Wohnhauses.
Ich gucke mir das Fahrzeug näher an und erkenne nun das Zeichen des Königshauses.
Als der (anscheinend) Soldat nach 20 Minuten immer noch nicht wieder rausgekommen ist, renne ich ihm hinterher und finde ihn letzendlich im Büro meines Vaters.
Welch' ein Wunder. Wer hätte das gedacht?
"Alexandra es gibt eine Änderung. Dein Leibwächter passt schon ab heute auf dich auf.", sagt er und guckt zufrieden auf den uniformierten Typen.
Ich schaue ihn skeptisch an.
"Warum? Jetzt kann ich noch nicht mal in Ruhe meinen letzten Tag genießen."
Der Blick des Soldaten wird traurig.
"Es gab gestern Abend einen Angriff auf den Palast und gleichzeitig auf eine der Erwählten."
"Oh nein, was ist im Palast passiert und wie geht es der Kandidatin?", entrüste ich mich. So kurz vor dem Casting...
Der Soldat sieht so aus, als würde er sich in seiner Rolle alles andere als wohl fühlen. Das bedeutet nichts Gutes.
"Durch die Alarmanlage im Schloss ist nichts ernstes passiert, nur Prinz Lennart hat einen Streifschuss abbekommen. Aber Lady Ashley ist leider Gottes...", er macht eine kurze Pause und ich glaube, er überlegt, wie er es am besten formulieren kann.
Er scheint ein passendes Satzende gefunden zu haben, denn er spricht weiter: "Sie ist von uns gegangen. Die Rettungskräfte kamen nicht früh genug."
Schockstarre. WAS? Nein nein nein. Die Konflikte in unserem Land sind wohl noch schlimmer, als ich gedacht hätte.
Endlich kann ich wieder sprechen, kriege aber trotzdem nur ein: "So jung. Und alles nur, um die große Liebe zu finden."
Mein Vater scheint nicht ganz so schockiert zu sein, denn er haut mal wieder einen seiner unnötigen Kommentare raus: "Naja, was passiert ist, ist passiert, das lässt sich nicht rückgängig machen und dann sind es eben doch nur 35 Erwählte."
Der Soldat und ich gucken ihn entrüstet an. Er ist so ein Unmensch!
Keiner von uns beiden traut sich aber etwas zu sagen.
Nach drei Minuten peinliches Schweigen verlasse ich so schnell wie möglich den Raum. Danach gehe ich nach draußen, da ich etwas frische Luft brauche.
Der Schock sitzt immer noch tief. Nur wegen diesem bescheuerten Casting ist ein junges Mädchen gestorben. Nach kurzem nach hinten schauen sehe ich, dass der Soldat mir folgt.
Ich komme an meinem gewünschten Ort an und drehe mich zu dem Typen. "Naja, der Grund, aus dem ich hier bin ist zwar nicht erfreulich, aber ich sollte mich trotzdem vorstellen. Ich bin Ethan Garner, Ihr Leibwächter.", sagt er und streckt mir die Hand entgegen. Er hat irgendwie ein komisches Grinsen im Gesicht. Nach einigem Zögern ergreife ich sie und bekomme einen mächtigen Stromschlag.
Einen Stromschlag!! Ich gucke in empört an, doch er lacht sich fast schlapp.
"Sie hätten Ihr Gesicht sehen sollen. Das war echt göttlich.", sagt er doch allen Ernstes. Nicht wirklich, oder?!
Ich glaube es nicht, mein Leibwächter will mich UMBRINGEN!
Wofür braucht man denn die Rebellen, bei mir erledigt diesen Job mein Aufpasser.
Er schaut mich schief an und wundert sich, warum ich nicht mitlache.
"Jedenfalls, wir werden jetzt ja viel Zeit miteinander verbringen, also dachte ich mir, dass wir uns duzen könnten."
Mein Blick wird immer entrüsteter.
"Ganz sicher nicht!", knalle ich ihm ziemlich angesäuert an den Kopf und stapfe in den Stall. Die Zeit wird wohl noch schlimmer, als gedacht. Na toll!
Mr. Garner folgt mir leider. Als ich bei Paul ankomme, begrüße ich ihn liebevoll. Danach schaut er verwirrt über meine Schulter, weil er den beleidigten Soldaten bemerkt hat.
"Wer ist den das?", fragt er immer noch irritiert. Garner jedoch schaut plötzlich wieder so komisch, streckt erneut seine Hand hin und erklärt: "Ich bin Ethan Garner und bin Alexandras Leibwächter. Schön dich kennen zu lernen und nenn mich einfach Ethan."
Ich will gerade 'Stopp' schreien, doch es ist schon zu spät.
"Hallo ich bin Paul... Ahh, was ist den DAS?"
Und schon wieder lacht er sich einen weg.
"Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie mich nicht duzen sollen.", trage ich jetzt auch noch zum Thema bei.
"Achso und das hat er vorhin auch schon bei mir gemacht.", erkläre ich Paul.
Er mustert Mr. Garner vorsichtig von der Seite. Ich gehe tiefer in den Stall zu Elska.
"Also Mr. Garner, ich will jetzt nochmal ausreiten, bevor ich in den Palast gehe. Entweder Sie können reiten und kriegen ein Pferd von uns oder Sie müssen hinterher rennen, da ich stark vermute, dass Sie mich begleiten müssen.", stelle ich erstmal klar.
Er guckt mich begeistert an: "Endlich mal wieder reiten. Ich saß schon seit einem Jahr nicht mehr auf einem Hotte."
Warum? Warum reitet er auch?
"Ok, dann können Sie sich Smilla, die Rappstute, fertig machen. Das Putzzeug ist hier.", ich zeige mit dem Zeigefinger auf die Putztaschen. "Und Sattel und Zaumzeug hängt hinten links in der Sattelkammer. Falls sie auf die Toilette müssen, die ist hinten rechts. Wollen Sie in Ihrer Uniform reiten?"
Er schaut an sich herunter, blickt mich wieder an und nickt. Ok.
"Haben Sie sonst noch Fragen?", nachdem er meine Frage verneint hat, gehe ich zu Elska und mache sie reitfertig.
Jetzt habe ich noch weniger Bock auf den Palast. Ich habe diesen unfähigen Leibwächter an der Backe, Paul ist nicht da, von Aiden muss ich mich wieder verabschieden und Iva kann auch nicht mitkommen. Ein Vorteil ist, dass ich weg von meinem Vater und seinem Druck bin.
Als ich aus dem Stall trete, sitzt Ethan Garner schon auf Smilla und wartet auf mich. Ich will gerade wieder umkehren, da sehe ich wie Haile auch mit einem rittbereiten Pferd auf mich zu kommt.
Nichts wie weg hier!! Also trabe ich gleich im flotten Tempo los.
Das kann ja heiter werden, vor allen Dingen, wenn Haile jetzt auch mit kommt...

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