5. Kapitel

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Christian Schreave:
Ich weiß nun schon seit vielen Jahren, dass ich das Casting machen muss. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich gut genug vorbereitet bin.
Na klar, es ist eine Pflicht, die sehr wichtig ist. Nicht nur für mich, sondern vor allem für die Zukunft Iléas.
Ich werde alle Ladys nach ihren Fähigkeiten untersuchen und dadurch herausfinden, welche die beste Königin werden würde. Die wahre Liebe brauche ich sowieso nicht...
"Chriiiiis! Leo und Len haben mein Kleid zerrissen!" höre ich meine kleine Schwester schreien. Schon kommt sie und ein paar Sekunden später auch die Zwillinge in den Raum, gerannt.
Lea bleibt einen Meter vor mir stehen und zeigt mir einen Riss in ihrem sonst makellosen Kleid.
Mit der kleinen Prinzessin auf dem Arm blicke ich in die Richtung meiner Brüder und weise sie zurecht: "Erstens, im Palast wird nicht gerannt. Zweitens, hier wird nicht geschrien. Drittens, man ärgert seine kleine Schwester nicht. Und viertens, so etwas schickt sich in einer Königsfamilie nicht.. Ihr müsst endlich lernen euch zu benehmen."
Leopold und Lennard verdrehen die Augen, bleiben jedoch stehen.
Lea beugt sich von meinem Arm aus vor und sagt mit beleidigter Miene: "Ihr müsst euch entschuldigen. Meine Zofen haben sich für das Kleid besonders viel Mühe gegeben. Außerdem dürft ihr mich gar nicht ärgern!"
Bei ihrem letzten Satz ahmt sie mich vorsichtig nach.
Das Doppel-L-Pack guckt wieder zu mir.
"Sie ist aber auch gerannt und außerdem: Warum tragen wir immer an allem die Schuld?" entrüstet sich Leopold.
"Sie ist sechs Jahre alt. Ich bin der Meinung, dass man in diesem Alter mal eine Ausnahme machen kann."
Lea streckt den Beiden in einem Moment, in dem sie denkt, dass ich nicht hingucke, ihre Zunge entgegen. Ich streichel ihr über den Kopf und drehe mich von den Jungs weg.
"Eure Hoheit?" ich wende mich zu dem mich ansprechenden Diener, der darauf seinen Satz vollendet: "Die Königin erwartet Euch in ihrem Büro."
Daraufhin verlasse ich meine Geschwister und den Saal und gehe zügig zu meiner Mutter.
Nach einem Klopfen und dem danach ertönenden 'Herein', betrete ich ihr Arbeitszimmer.
"Gut, dass du kommst. Alle Bewerbungen sind eingetroffen."
Ich sehe neben ihrem Schreibtisch vier überfüllte Säcke. Meine Mutter ist meinem Blick gefolgt und erzählt: "Zwei Säcke stehen noch bei deinem Vater."
"So viele haben sich angemeldet?" ungläubig schaue ich weiterhin auf die Jutebeutel.
"Das ist selbstverständlich. Du bist der Prinz und welches Mädchen wäre nicht gerne Prinzessin?" ich übergehe ihre rhetorische Frage und komme auf das für mich wichtigste Thema: "Wieviele Säcke darf ich auswerten? Dann könnte ich die Beutel gleich mitnehnen..."
Meine Mutter unterbricht jedoch meinen Redefluss: "Du wertest nicht mit aus. Das schaffen dein Vater und ich auch allein."
"Darf ich fragen wieso?" beschwere ich mich. Das ist doch der Part, der am meisten Spaß macht...
"Ja. Du würdest alle Mädchen nur nach ihrer schulischen Leistung bewerten. In dem Casting geht es zwar auch um die Regierung des Landes..."
"Genau! Um die Regierung unseres Landes." unterbreche ich sie.
"Lass mich doch ausreden," entrüstet sich meine Mutter "es geht vor allem um deine Gefühle. Sonst könnten wir dir auch einfach ein Mädchen aussuchen."
"Ich verstehe auch nicht, warum ihr mir keine aussucht.... Ihr könntet doch viel besser entscheiden. Ihr habt viel mehr Erfahrung."
In dem Moment kommt mein Vater herein.
"Willst du uns nicht verstehen oder kannst du uns nicht verstehen? Es geht um Liebe. Ich habe mich auch in deine Mutter verliebt. Ohne das wäre ein Leben nicht lebenswert." versucht mein Vater mir verzweifelt zu erklären.
"Ich finde mein Leben aber so lebenswert, wie es jetzt ist. Meine Liebe ist meine Arbeit und das ist auch gut so. Mit wem ich die Arbeit mache, ist mir egal. Hauptsache ist, sie ist kompetent."
Meine Eltern blicken sich gegenseitig an und seufzen.

Eine Nacht später sind die Bewerbungen zu 35 großen Körben geworden. Sie sind zusammen aber nicht annähernd so groß, wie die Säcke gestern.
In sieben Minuten beginnt der Freitagsbericht und ich sitze schon seit über drei Minuten auf meinem Stuhl. Der Bericht ist immer einer der Höhepunte der Woche für mich. Durch ihn kann ich die sympathie des Volkes gewinnen. Er ist ein wichtiges Instrument der Königlichen Familie.
Jedoch nicht für meine Geschwister, denn meine Brüder finden den Bericht mit ihren Worten "sterbenslangweilig" und meine kleine Schwester ist vorher immer viel zu aufgeregt. Sie will bloß nichts falsch machen, obwohl sie sonst immer die unbeschwerteste von uns ist.
Leopold und Lennard rennen noch immer zwischen dem Aufnahmeequipment umher, obwohl die Sendung in weniger als zwei Minuten beginnt.
Meine Mutter geht mit meinem Vater nochmal alles wichtige durch, da er sonst alles vergessen würde.
Endlich bewegen sich alle auf ihre Plätze.
"Die Aufnahme beginnt in 20...19...18...17...16...15...14...13...12...11...10...9...8...7...6...5...4...3...2...1..." und schon ertönt unsere Hymne, bei der ich immer mitsumme.
Sophie, unsere Moderatorin, sellt sich vor die Kamera und leitet die Show ein.
Danach tritt mein Vater zu ihr und erzählt erwas über den neuesten politischen Stand. Er erklärt zum Beispiel, dass der Bürgerkrieg in New Asia endgültig vorbei ist.
"Nun kommen wir zu dem Teil des Berichts, auf den Sie alle warten... Die Auslosung der Kandidaten!" leitet Sophie zum nächsten Thema über.
Ich erhebe mich langsam von meinem Platz und schreite zu ihr vor.
"Eure Hoheit, sind sie schon sehr aufgeregt? Immerhin entscheidet die Auslosung über ihr restliches Leben." sie hält mir ein Mikrofon entgegen.
Ich lache kurz auf und beantworte dann ihre Frage mit: "Ich bin der Prinz eines so fantastischen und großen Landes. Wenn ich schon vor solchen Fragen Angst hätte, wie sollte ich dann jemals ein Land, wie dieses, regieren können? Ich wachse mit meinen Aufgaben und ich bin mir auch sicher, dass ich diese meistern werde." sie guckt mich erstaunt an.
"Sie sehen das ganze als eine Aufgabe?" ich hätte am liebsten nur mit ja geantwortet, aber das hätte alle schockiert. Also sage ich das, was alle hören wollen: "Ist es nicht die Aufgabe jedes Menschen seine Liebe, sein Gegenstück, zu finden? Sagen sie auch meinetwegen Wunsch." Kotz. Die Mitarbeiter applaudieren und ich gehe lächelnd zu den bereits bereitgestellten Körben.
Mit Bedacht und ganz vorsichtig nehme ich aus jedem Korb einen Brief,  dem Korb von Whites zwei Briefe. Bei manchen nehme ich den obersten, bei anderen greife ich bis nach ganz unten.
Mit 36 Briefen trete ich an das bereitgestellte Podest, das gegenüber von einer Leinwand steht, auf der die Fotos der Mädchen eingeblendet werden. Eigentlich habe ich vor bei jedem Mädchen nur kurz hinzuschauen und dauerzulächeln. Ich öffne vorsichtig die Briefumschläge und lese Name, Wohnort und Kaste vor:

"Anastasia Clarkson aus Kent, Zwei" ich kenne sie. Lady Anastasia ist die Erbin der reichsten Familie (nach uns) Iléas.

"Marlene Clarsson aus Fennley, Sieben" uninteressant.

"Laura Diener aus Hansport, Acht" uninteressant.

"Meghan Tralle aus Bankston, Fünf" uninteressant.

"Olivia Myers aus Waverly, Sechs" ...

"Mary Lecon aus Whites, Drei

Jasmin Lecon aus Whites, Drei" Moment... gleicher Nachname, gleiche Stadt und gleiche Kaste? Habe ich Geschwister gezogen?
Oh, ich darf keine Pause machen, das fällt auf.

"Layla Lake aus Zuni, Sieben" uninteressant und eine Alliteration als Namen?

"Xenia Zeretzki aus Bonita, Vier" was ist das für ein Name?

"Ashley Toddson aus Paloma, Drei" passabel.

"Alexandra Newsome aus Angeles, Zwei" als Alexandra Newsomes Bild eingeblendet wird, muss ich länger hinschauen. Sie wirkt vernüftig.

"Livia Young aus Clermont, Sechs" uninteressant.

"Sara Bahden aus Midston, Sechs" uninteressant.

"Emily Connor aus Tammins, Fünf" uninteressant.

"Candice Hill aus Belcourt, Vier" uninteressant.

"Disa Mullins aus Sonage, Fünf" wer nennt sein Kind so?

"Cassandra Peterson aus St. George, Fünf" wie viele sind es denn noch?

"Johanna Harrison aus Dakota, Vier" uninteressant.

"Karoline Laine aus Panama, Vier" uninteressant.

"Columbia Garner aus Colambia, Drei" ernsthaft?!?! Colambia aus Colambia? Da fragt man sich doch, wie die Eltern den Namen ausgesucht haben...

"Pia Hall aus Denbeigh, Fünf" uninteressant.

"Flora Quest aus Sota, Sechs" uninteressant.

"Zoé Orlson aus Calgary, Sechs" uninteressant.

"Amy Watson aus Allens, Sechs" uninteressant.

"Claire Bardaux aus Baffin, Drei" wow, wir haben auch eine Französin.

"Emma Reeker aus Likely, Zwei" uninteressant.

"Laisa Rice aus Ottaro, Fünf" uninteressant.

"Beth Arnold aus Atlin, Sieben" uninteressant.

"Josie Obrocks aus Lakedon, Drei" uninteressant.

Victoria Last aus Hundson, Vier" uninteressant.

Sivir Oyen aus Yukon, Drei" naja.

Nora Duwen aus Honduragua, Acht" komischer Nachname.

Hana Violet aus Dominca, Sechs" gibt schlimmeres.

Larissa Barnes aus Sumner, Zwei" uninteressant.

Anna Bador aus Carolina, Fünf" uninteressant.

Ginga Calmer aus Labrador, Sieben" uninteressant und das war auch schon der letzte Brief. Endlich!

Mann, das war anstrengend. Warum müssen es auch so viele Mädchen sein? Mir würden auch weniger als 20 reichen.
Sophie gesellt sich wieder zu mir.
"Eure Hoheit, wie finden sie die Damen?" fragt sie mich mit mehr als nur neugierigen Blick.
Ich setze eine geheimnisvolle Miene auf und versuche ihr die größtmögliche Schnulze aufzutischen: "Von ihrem Aussehen her sind sie alle wirklich bezaubernd, aber mehr kann ich nicht sagen, da ich sie erst in kürze alle bei mir haben werde und sie dann erst persönlich kennen lerne. Ich will nicht nach dem Aussehen gehen..."
Die Moderatorin läuft wieder zu ihrem Redepult, die Kameras folgen ihr und so beendet sie den heutigen Bericht.
Ich laufe schnell zu meinen Eltern und frage sie: "Darf ich jetzt die Bewerbungen durcharbeiten?"
Meine Eltern stöhnen sinkron auf und meine Brüder fangen an zu lachen.
"Nein! Du wirst die Bewerbungen gar nicht sehen. Erst wenn sie hier sind, wirst du sie persönlich kennenlernen." warum verstehen mich meine Eltern nicht? Ich will doch nur das Beste für das Volk.
Genervt gehe ich in mein Zimmer. Ich brauche jetzt schlaf, denn die nächste Woche wird anstrengend. Die ganzen Vorkehrungen und Entscheidungen, die noch gemacht werden müssen, sind (hoffentlich) auch meine Aufgaben.
Ich schlafe für meine Verhältnisse ziemlich schnell ein. In einen ziemlich verwirrenden Traum...

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