15. Kapitel

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Christian:
Die Mädchen, die nach Lady Alexandra kommen, sind zum Glück angenehmer, als die vor ihr. Es gibt immer noch Einige, die ich als völlig ungeeignet empfinde, aber zumindest sind doch einige dabei, die annehmbar sind. Vielleicht wird dieses Casting doch kein kompletter Reinfall.
Das Sudoku-Heft ist voll und ich stelle es zurück in den Schrank, als ich eine überaus laute Stimme höre: „Christian!" Verwirrt drehe ich mich zur Tür. Ich habe das relativ kleine Mädchen mit den dunkelbraunen Haaren, das mich mit strahlenden Augen ansieht noch nie in meinem Leben gesehen. Wie kommt sie also auf die Idee, mich zu duzen?
Sie läuft zügig auf mich zu und knickst. „Eure Bude ist der Wahnsinn! Die Fenster! Die Bilder! Selbst die Zimmerpflanzen sehen edel aus!"
„Und Sie sind...?", frage ich.
Sie lacht. „Oh, 'tschuldige, ich dachte du würdest mich erkennen. Columbia." „Wie kommen Sie dazu, mich zu duzen, Lady Columbia." „Oh bitte, nur Columbia. Naja es kommt mir seltsam vor sich zu siezen, wenn man doch schon bald heiraten wird." Bei den letzten Worten quietscht sie leicht. Was bildet diese Person sich ein?
„Entschuldigung. Ich glaube das entscheide immer noch ich." Sie winkt ab. „Und keine Sorge das wirst du! Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst und mich zur Frau nimmst!" Sie sagt das überhaupt nicht eingebildet. Die denkt das tatsächlich. Ich habe das leise Gefühl, dass dieses Gespräch das anstrengendste von allen wird. Ich seufze und biete ihr aus Höflichkeit an, platz zu nehmen: „Bitte setzen Sie sich doch." Das lässt sie sich nicht zweimal sagen.
„Möchten Sie etwas essen oder trinken?", frage ich und denke an die ganzen Mädchen vor ihr, die nur Wasser wollten, obwohl sie sowieso schon Speichendürr waren. „Habt ihr alles, was man sich nur vorstellen kann?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch und deute auf den Diener neben mir. „Ich denke schon."
Ihre Augen beginnen zu strahlen. „Dann will ich eine extra große Eisschokolade." Ähnlich verwirrt wie ich verbeugt sich der Diener und macht sich auf den Weg. Columbia hält ihn mit erhobenen Zeigefinger auf. „Aber vergessen Sie bloß nicht das Kakaopulver auf der Sahne!" Er sieht mich verwirrt an und dann dreht er sich wieder zu Columbia. „Selbstverständlich nicht,... Miss."
„Sehr gut." Sie lässt zufrieden seinen Arm los.
Tanner und Conner lachen sich währenddessen hinter ihr ins Fäustchen. Jaja lacht nur. Ihr seid ja auch nicht in meiner Haut, ihr Glücklichen.
Okay Christian. Du bist der zukünftige König Illéas. Du kommst mit so... Jemanden zurecht. „Woher kommen Sie?", frage ich bemüht ruhig. „Aus Columbia." Ich lache. „Ah! Wie kreativ von Ihren Eltern, Sie nach der Heimatstadt zu benennen." Sie zuckt mit den Schultern. „Eigentlich hieß ich schon so, bevor wir dort hingezogen sind." Wow, wie interessant... Columbia bedient sich ausgiebig an der Platte mit den Pralinen. Erstaunlich, dass sie so dünn ist, wo sie doch so viel in sich hineinfrisst. „Welche Kaste sind Sie?" Sie isst, als hätte sie seit Monaten nichts gegessen. „Kaste 3. Mein Vater ist Professor für Politologie an der Uni in Columbia und meine Mutter Psychologin."
Ich gucke erstaunt. Das merkt man ja gar nicht. „Diese Pralinen sind so gut.", seufzt sie, und sieht auf, „Oh mein Gott! Ist das eine Bibliothek! Ihr habt ja echt alles hier! Lessing! Goethe! Shakespeare!" Ich drehe mich um. Sie muss wirklich gute Augen haben, ich kann von hieraus die Buchtitel nicht mehr lesen. Sie kneift die Augen zusammen. „Nein, ich werd verrückt! Im Westen nichts neues! Ist das die Auflage von 1929, oder von 1959?" ich drehe mich erneut um. „Ähm... Ich habe keine Ahnung." „Naja egal. Was ist deine Lieblingsfarbe? Was ist dein Lieblingstier? Bist du gegen irgendwas allergisch? Was ist dein Lieblingsessen? Was machen deine Geschwister, während du meine Konkurrentinnen empfängst?" Hilfe. Darf ich mitschreiben? Was erlaubt sie sich mir so viele Fragen zu stellen? Und mich zu duzen? Immer noch?
„Ich habe keine Lieblingsfarbe. Ich denke Katzen. Mein Lieblingsessen ist Hirschbraten. Ich weiß nicht, wieso sie meine Schalentierallergie interessiert und meine Geschwister sind wahrscheinlich gerade mit ihren Königlichen Pflichten beschäftigt." Der Diener mit der Eisschokolade ist zurück. Columbia mustert skeptisch das von Kakaopulver überlaufende Sahnehäubchen. Der Diener wartet gespannt auf ihre Reaktion. Sie sieht zu ihm auf. „Das üben wir noch.", meint sie lächelnd. Das üben wir noch? Kein Wunder, dass sie so hibbelig ist. Bei der Menge an Schokolade muss sie ja einen Zuckerschock bekommen.
Sie saugt den Becher in einer enormen Geschwindigkeit aus. „Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist...", meine ich skeptisch. Sie hört kurz auf zu saugen. „Ach was, vertrau mir! Ich halt das aus." Dann trinkt sie weiter. Naja, wir werden sehen.
Nicht einmal drei Sekunden später hört sie auf und hält sich mit einem Schmerzverzerrten Gesicht die Schläfen. „AAAaaaahhhh! GEHIRNFROST!"
Was hab ich gesagt? Naja, zumindest haben die Wachen ihren Spaß. Die Diener haben sie inzwischen auch mit ihrem Lachen angesteckt. Columbia scheint es gar nichts auszumachen, dass über sie gelacht wird. Entweder das, oder sie ist zu dumm, um zu merken, dass man über sie lacht. Sie dreht ihren Kopf zu Tanner und wirft ihm einen bösen Blick zu. Ok. Sie ist doch nicht so blöd, das Lachen nicht zu bemerken.
Tanner ist Augenblicklich still. Sie wendet sich mir wieder lächelnd zu und starrt anschließend hinter mich. Was hat sie jetzt schon wieder entdeckt? Dieses mal steht sie auf und geht auf einen Sockel zu, auf dem eine Vase steht. Ich ahne schlimmes und eile ihr nach. Sie beugt sich runter und betrachtet die Vase. „Der Wahnsinn!", haucht sie, „Sind das Vögel?" Sie nimmt das kostbare Stück in die Hand.
„Bitte nicht anfassen!", sage ich leicht hysterisch. Das wird kein gutes Ende nehmen... „Mein Gott Christian! Keine Sorge ich mach sie schon nicht kaputt!" Ich werfe ihr einen Hilfesuchenden Blick zu, woraufhin sie mit den Augen rollt. „Aber wenn du darauf bestehst." Sie setzt die Vase vorsichtig ab. Puh. „Siehst du? Nichts passiert!" Beim letzten Satz schwingt sie kräftig ihre Arme und reißt die Vase vom Sockel.
Klirrrr
„Ups.", entgegnet sie. Geschockt starre ich auf den Scherbenhaufen. „Ähm... War die teuer?", fragt sie unsicher. „Unbezahlbar.", meine ich und blicke ihr wütend ins Gesicht. Sie lacht hysterisch: „Naja, dann muss ich zumindest nicht für sie aufkommen."
Ich weiß, wer morgen als erstes rausfliegt. Nein, am besten noch vorm Abendessen. Ich sehe auf die Uhr über der Tür. „Oh, tut mir leid. Ihre Zeit ist leider abgelaufen."
Sie knickst, entschuldigt sich noch einmal und sagt an der Tür: „Vielleicht kann man sie ja kleben..."
„Gehen sie einfach.", unterbreche ich sie mit zurückkehrenden Kopfschmerzen. Sie verlässt den Raum. Sobald man ihre Schritte nicht mehr hört, beginnen die beiden Wachen sehr laut zu lachen, gefolgt von den Dienern. „So eine unglaubliche... Ich habe noch nie jemand so impertinentes...", murmelte ich. „Ach nehmt es nicht so ernst, Euer Hoheit.", meint Tanner. „Also ich fand sie süß.", steht Conner ihm bei.
Süß?", ich laufe auf ihn zu, „Sie zerstört Eigentum der Königsfamilie und Missachtet meine Autorität und du nennst sie süß?"
Conner bleibt dabei: „Ja. Sie hat es ja nicht mit Absicht gemacht und sie scheint wirklich etwas für Euch übrig zu haben. Also ich mag sie."
Erweist mir heute niemand Respekt?! Ich drehe ungläubig den Kopf zu Tanner. Dieser zuckt mit den Schultern. „Tut mir leid Euer Hoheit, aber ich mag sie auch. Sie bringt mal ein bisschen Leben in den Palast." Ich drehe mich um und gucke die Diener an. „Und ihr?! Mögt ihr sie etwa auch?!" Einer der Diener ergreift das Wort: „Nun ja, euer Hoheit... Ja." Von den anderen ist ein zustimmenden Murmeln zu hören und sie nicken.
Wie kommt es, dass alle sie mögen?! Ich lasse mich in den Sessel fallen und reibe mein müdes Gesicht. „Naja, zumindest war sie die Letzte."
Kurz darauf kommt meine Mutter durch die Tür: „Herzlichen Glückwunsch Christian, du hast das schlimmste überstanden!", gratuliert sie mir.
Ich fahre mir über die Schläfen und wünschte, ich könnte noch ein Aspirin nehmen. „Oh Gott, Mutter. Die letzte..." „Ach ja Lady Columbia, oder?", sie guckt zu der Tür, so als könnte sie sie sehen, „Ein reizendes Mädchen nicht wahr? Ganz entzückend!" Oh nein! Nicht sie auch noch!
"Kein Wunder, dass sie der Publikumsliebling schlechthin ist!" Ich werde hellhörig und blicke erschrocken zu ihr auf. „Bitte was?!" Sie lacht. „Ach stimmt ja! Du hast den Bericht heut früh nicht sehen dürfen! Sie ist eine der Favoritinnen. Wenn nicht sogar DIE Favoritin. Die Umfragen haben klar ergeben, dass sie weit vorn liegt!" Nein! Alles nur das nicht! „Ihr habt Umfragen gemacht?" Bitte nur in irgend einer Teeni-Zeitschrift! Sie nickt. „Ja. Richtig in der großen Kolumne!"
NEIN! Von wegen noch vorm Abendessen rausschmeißen! Wenn sie wirklich so beliebt ist, dann muss ich vielleicht sogar in den Top 5 noch ertragen! Ich balle meine Hand auf dem Tisch zu einer Faust und lächle gequält. „Ist ja toll..."
„Ja, nicht wahr?", zum Glück scheint sie nicht meinen Frust zu bemerken. Ich stehe auf und richte meinen Anzug. „Christian?"
„Ja Mutter?"
„Ich möchte, dass du dich wirklich auf die Mädchen konzentrierst und mit der Arbeit einen Gang zurück schaltest. Haben wir uns verstanden?" Ich werfe ihr einen Bittenden Blick zu. Sie kann mich zwar zu diesem Casting zwingen, aber muss sie mir dann unbedingt meine geliebte Arbeit nehmen? An ihrem Gesichtsausdruck merke ich, dass sie nicht mit sich verhandeln lässt und ich gebe mich geschlagen.
„...Na gut. Wenns denn sein muss.", meine ich wütend. Sie lächelt triumphierend. „Sehr gut. Bitte bereite bis zum Abendessen schon mal die erste Aufgabe für Morgen vor."

Selection - Die ZweiteTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang