37. Blöde Unterhosen

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„Oh...", Ava verzog traurig das Gesicht und nickte langsam. Kurz herrschte eine unangenehme Stille, bis ihr Kopf plötzlich wieder hochschoss.  

„Lucien?"

Ich blinzelte überrascht und nickte hastig. „Ja. Woher kennst du ihn?"

Ein kleines Lächeln schlich sich plötzlich auf Avas Lippen. Ich konnte nicht glauben, dass ich diese geküsst hatte und wandte den Blick ab. Wie konnte es sein, dass ich mich an kein bisschen der Geschehnisse erinnern konnte? Das war doch nicht normal.

„Ich arbeite mit einem Freund von Lucien zusammen im Altersheim. Sein Name ist Nathaniel."

„Ach, der amerikanische Stier?"

Ava kicherte, als sie meine liebevolle Bezeichnung für ihn hörte und nickte amüsiert. „Magst du ihn etwa nicht so?"

„Naja... Ich empfinde nicht wirklich was für das lebende Tattoo, um ehrlich zu sein."

Sie musste grinsen und ich hatte das Gefühl, dass dieses Thema die angespannte Atmosphäre zwischen uns etwas lockerte. Ava sah mich noch einmal lächelnd an, bevor sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich und hinter mich deutete.

„Meine Freundin Holly wartet auf mich... Ich dachte, das hier wird merkwürdig, aber irgendwie bin ich froh, dass wir nochmal geredet haben... Das Telefonat gestern hat nicht wirklich gereicht, finde ich."

„Hast recht", meinte ich und sah flüchtig zu dem Mädchen, das uns auf und ab hüpfend beobachtete. „Brauchst du jemanden, der dich eben Zuhause ablässt?"

Ava lächelte leicht. „Nett von dir, aber wir fahren in die Innenstadt."

„Okay, kein Problem", murmelte ich nur und nickte, da trat sie plötzlich auf mich zu und gab mir eine sanfte Umarmung. Ich erwiderte sie und verabschiedete mich von ihr mit einem leichten Gefühl in der Brust.

Ich glaube, das nannte man Erleichterung.

* * *

„Und ihr habt jetzt den ganzen Tag zusammen gefaulenzt?", fragte Julie ungläubig und blickte zwischen mir und Amor hin und her.

„Nicht den ganzen Tag", schmunzelte Amor und zwinkerte mir zu. „Zwischenzeitlich wurde es doch sehr hitzig und anstreng—"

„Er hat mich eigentlich nur belästigt, aber ich konnte ihn schlecht rauswerfen", unterbrach ich ihn und hörte Julies amüsiertes Lachen.

„Weißt du, Carter, mich haben heute so viele wegen dir und Louis angesprochen, dass mir deine Abwesenheit kaum aufgefallen ist", sie kicherte leise. „Anscheinend glauben die meisten jetzt, dass du mit Ava geschlafen hast. Lou und sie sind ja ziemlich gute Freunde, deswegen. An Elaine denkt keiner..."

Ich hatte keine Ahnung, was ich erwidern sollte und schluckte schwer.

„Vielleicht hat er beide flachgelegt", meinte Amor frecher Weise und drehte sich mit hochgezogener Augenbraue zu Julie um.

Diese lachte nur spöttisch auf. „Niemals. Ava würde doch nicht mit ihrem Nachhilfeschüler auf einer Party oder sonst wo schlafen. Und Elaine hat dafür zu große Komplexe."

„Hat sie das?", fragte ich nur skeptisch und bog in Amors Straße ab. „Auf mich wirkt sie nicht so schüchtern."

Julie seufzte leise. „Ja, sie labert viel, aber auch wenn ihre blöde Unterhose in deinem Zimmer lag, glaube ich nicht, dass ihr irgendwas gemacht habt. Zumindest meinte Elaine das und ich vertraue ihr."

„Ist dir das wirklich so wichtig?", fragte Amor verwundert.

„Nachdem er den Mist mit Manon abgezogen und sich mehrmals mit Linda getroffen hat, ist es mir schon wichtig, mindestens eine Freundin zu haben, die ihn nicht nackt gesehen hat — also ja."

Damit rammte sie uns beiden ein Messer in die Magengrube, wobei ihre Worte Amor mit Sicherheit mehr trafen, da er das Gesicht verzog und wegblickte.

„Linda ist also deine Freundin?", ich sah meine wahrlich blöde Schwester flüchtig durch den Rückspiegel an. „Ich mag sie, aber lass das sein, Jules. Sie hat immer noch deinen Ex flachgelegt. Mehrmals, wochenlang."

Julie weitete erst überrascht die Augen, bevor sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen schlich. „Wow. Dass du mir mal zu einem meiner Probleme Rat geben würdest... Aber ich weiß schon, was ich mache."

„Ich bin nur ehrlich", murmelte ich und zuckte die Achseln. Im nächsten Moment hielt ich auch schon vor Amors Bude.

„Du kannst morgen nochmal mit mir rechnen", grinste dieser und griff zur Türklinke. „Dann bring ich aber was zum Naschen mit."

Zwinkernd stieg er aus und verabschiedete sich noch von Julie, bevor er die Wagentür schloss und zitternd nach Hause eilte.

„Tschüss...", murmelte diese noch und blickte ihm hinterher. „Wow, ich glaube, Amor hat abgenommen. Noch mehr..."

Also mir fiel sowas nie auf. Mit hochgezogener Augenbraue fuhr ich wieder los und seufzte leise.

„Ich lass dich jetzt Zuhause ab, okay?"

„Wohin fährst du denn?"

„Zur Arbeit."

„Ah...", Julie beugte sich zwischen den beiden Vordersitzen hervor und betrachtete mein Profil neugierig. „Darf ich mit?"

„Nein, natürlich nicht", ich lachte auf. „Haustiere sind da nicht erlaubt."

Sie kicherte leise und pikste mir mit dem Fingernagel in die Wange. „Blödmann."

Ich schmunzelte. „Was willst du denn auch da?"

„Ach, nur mal so schauen. Vielleicht was essen. Aber ist ja auch egal, ich tu bisschen was für die Schule und fahre dann zu El."

„Ja, mach das", murmelte ich und schluckte schwer. „Sie soll ja wohl wieder entlassen worden sein."

„Seit heute Mittag, genau."

Schweigend fixierte ich meinen Blick auf unser Haus und widerstand dem Drang, aufs Gaspedal zu drücken. Urplötzlich in Eile bremste ich vor unserem Vorgarten und hetzte Jules innerlich, schneller auszusteigen.

Gemütlich schulterte sie ihre Tasche und öffnete die Tür. Bevor sie diese schloss, streckte sie sich nochmal und blickte mich dann durch mein Fenster an.

„Kein Grund so loszuschwitzen, nur weil ich Els Namen erwähnt habe, Carter."

Ich stockte überrascht und starrte sie nur blöd an. Julie zuckte die Achseln und drehte sich grinsend um. „Ciao ciao!", rief sie dann noch und winkte zum Abschied, während sie durch den Vorgarten stolzierte.

BorderlineWhere stories live. Discover now