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Es war erst sieben Uhr als mein Wecker am nächsten Morgen klingelte. Und es war erst spät abends, fast schon früh nachts, gewesen als ich zuhause war.

Shawn hatte wie durch Zufall auch die zweite, die dritte und zum Schluss die vierte Abfahrt verpasst, so dass wir uns immer weiter von Toronto entfernten. Dies hatte aber keiner von uns beiden wirklich zur Kenntnis genommen, da wir mehr damit beschäftigt waren, Hits aus dem Radio mitzuschmettern.

"Jessica! Wenn du jetzt nicht aufstehst, dann gehe ich ins Bad!" Alex Stimme hallte durch unsere Wohnung, ein paar Sekunden später hämmerte sie gegen meine Zimmertür. "Drei...zwei..."

"Vielen Dank Alex", murrte ich und schälte mich aus meiner Bettdecke. "Ich hätte noch mindestens 10 Minuten liegen bleiben können." Mit schlurfenden Schritten ging ich den Flur entlang, zog die Badezimmertür hinter mir zu.

Es dauerte einen ganzen Moment bis das Wasser aus dem Wasserhahn eine angenehme Temperatur hatte und ich mir mein Gesicht wusch und Zähne putzte. Durch das erneute Klopfen an der Tür, riss Alex mich aus meiner gemütlichen und noch recht verschlafenen Verfassung.

"Jess, ich muss auch mal ins Bad. Sogar ganz dringend." Ich verdrehte nur die Augen und schrubbte mir ein letztes Mal über die Zähne.

"Einen Moment noch!", rief ich und spülte mir den Mund aus.

"Jess! Es ist sehr dringend!" Alex begann wieder gegen die Tür zu trommeln. Ich schnappte mir ein Haargummi von der Ablage und öffnete mit einem Ellbogen die Tür, während ich mir das Haargummi um meinen Zopf wickelte.

"Ich bin dann gleich auch weg!", rief ich ihr noch hinterher, erhielt aber keine Antwort mehr.

Abgehetzt und mit abgefrorenen Gliedern stieß ich die Tür zu den Kabinen auf. Mit kalten Fingern öffnete ich meinen Spind und nahm mir ein Handtuch heraus, womit ich meine Haare sporadisch trocken rubbelte. Die wenigen Metern durch den Regen hatten mich komplett durchnässt und unter mir hatte sich schon eine kleine Pfütze gebildet.

"Tee?"

Mike lehnte lässig im Türrahmen, in jeweils einer Hand hielt er eine dampfende Tasse. "Du siehst durchgefroren aus." Dankend nahm mir Mike meinen Mantel ab, als er die Tassen provisorisch auf einen Spind gestellt hatte.

"Bist du schon lange da?", fragte ich nach und wickelte meine Sweatjacke enger um mich.

"Eine Bahn eher als du." Mike reichte mir eine der beiden Tassen. "Setzten wir uns einen Moment?"

"Klar, vielleicht auch einen Moment länger?" Ich merkte wie meine Hände langsam wieder auftauten. "Rob hat einen Termin dazwischen bekommen, ich werde heute Nachmittag nochmal herkommen müssen." Man sah deutlich wie sich Mikes Mundwinkel anhoben.

"Was hältst du von einem Ausflug in die Stadt?"

"Ja, das wäre toll."

Es dauert eine ganze Weile, bis wir ein kleines Café gefunden hatten, wo wir etwas ungestörter waren. Ich bestellte mir wieder einen Tee, während Mike nur eine Limonade orderte.
„Sag mal", fing Mike an und zupfte an einer Serviette. „Stimmt es, dass du das neue Werbegesicht für CCM wirst?"

„Wer sagt das?", fragte ich, nachdem die Kellnerin uns unsere Getränke gebracht hatte.

„Das erzählt man sich, innerhalb des Teams." Mike griff nach dem Zuckerbehälter und stellte ihn mir hin. „Stimmt es denn?"

„Ja, ich habe vor ein paar Tagen das Angebot bekommen und angenommen." Mikes Gesicht strahlte und er griff über den Tisch nach meiner Hand.

„Wow, herzlichen Glückwunsch", gratuliert er mir. „Wann ist es denn soweit?" Ich rührte einen Moment in meinem Tee, bevor ich vorsichtig einen Schluck trank.

„Mhm...-" Ich verzog das Gesicht, als das heiße Wasser auf meine Zunge traf. „Es gibt noch keine genaue Daten, vielleicht in zwei bis drei Wochen", riet ich.

„Und bis dahin? Trainierst du am Wochenende?" Mike wirkte plötzlich unsicher und starrte auf seine zerpflückte Serviette.

„Ich weiß nicht genau", seufzte ich und nahm einen weiteren Schluck von meinem Früchtetee. „Ich muss schauen wie ich das mit der Uni schaffe." Mike strich sich über seine Haare.

„Vielleicht findest du ja ein wenig Zeit", sagte Mike und legte seine Hand zurück an sein Glas. „Ein Freund feiert seinen Geburtstag und hat das Team eingeladen", fing er an. „Allerdings kommen viele mit ihrem Partner und da dachte ich...-" Ich bekam große Augen und starrte Mike an. „Nein, oh Gott, nein", lachte er und legte seine Hand auf meine. „Ich dachte das du mich vielleicht als Freund begleiten möchtest, also als Freundin." Ich atmete erleichtert aus und fing ebenfalls an zu lachen.

„Schreib mir einfach nochmal, okay?"

„Klar, das mache ich auf jeden Fall," sagte Mike eifrig. Für einen Moment herrschte eine unangenehme Stimmung und ich fühlte mich fast schon ein wenig schlecht, als ich Mike halb abgesagt hatte.

„Möchtest du noch was trinken?", fragte Mike nach und deutete auf meine leere Tasse.

„Nein, danke", seufzte ich und stützte mein Kinn auf meiner Hand ab. Es war immer noch eine komische, angespannte Stimmung zwischen uns und am liebsten würde ich einfach bezahlen und abhauen. Als mein Handy vibrierte schaute ich entschuldigend zu Mike und zog es aus meiner Tasche.

Wann sehen wir und wieder?
S.

Ich musste aufpassen, dass mein Grinsen mich nicht dümmlich erschienen ließ. Anstatt zu antworten, lächelte ich noch einmal in mich hinein und schob mein Handy zurück in meine Tasche.
„War es was wichtiges?", fragte Mike nach, ich überlegte einen Moment, bevor ich mit dem Kopf schüttelte. „Deine Familie?", hakte er weiter nach.
„Nein", sagte ich und hoffte das Mike den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen würde.
„Ist irgendwas wegen des Trainings?"
„Nein." Ich merkte selbst, dass ich ziemlich unfreundlich wurde.
„Ok....." Mike sah sich im Café um. „Sag mal, wegen dem Wochenende", fing er wieder an. „Ich hätte dich wirklich gerne dabei und..." Mike wurde unterbrochen, als mein Handy erneut in meiner Tasche vibrierte.

Ich würde dich echt gerne nochmal treffen. Unsere Carpool Karaoke müssen wir auf jeden Fall wiederholen.
Und warum antwortest du mir nicht? ;D
S.

„Mike", fing ich an und drehte mein Handy zwischen meinen Fingern. „Es gibt wohl doch einen Notfall zuhause." Ich wusste, dass es nicht fair war, ihm so ins Gesicht zu lügen und ich wusste auch, dass mich spätestens heute Abend das schlechte Gewissen plagen würde.
„Überhaupt kein Problem." Schnell winkte Mike einen Kellner heran und bezahlte. „Kann ich dich noch nach Hause bringen?" Schnell schlüpfte ich ihn meinen Mantel.
„Ich denke, ich fahre nicht nach Hause. Aber danke dir." Um nicht ganz unhöflich zu erschienen, legte ich schnell meine Arme um ihn und drückte ihn kurz.
„Tut mir wirklich leid", sagte ich. „Aber Familie geht vor."
„Mach dir keine Gedanken, vielleicht können wir das ja irgendwann mal wiederholen." Mike sah auf seine Schuhe und schob seine Hände in die Hosentaschen.
„Ja, vielleicht." Ich wippte unbehaglich vor und zurück und wusste nicht, wie ich am besten verschwinden sollte. Gerade als Mike mich nochmals in den Arm nehmen wollte vibrierte mein Handy zum dritten Mal.
„Scheint wirklich wichtig zu sein", lachte er und legte seine Hand auf meinen Rücken, um mich aus dem Café zu schieben.

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⏰ Last updated: Nov 21, 2017 ⏰

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Performance [S.M.]Where stories live. Discover now