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"Zehn, beide zehn." Verwundert versuchte ich etwas draußen zu erkennen. Shawn schaltete den Motor ab und kurbelte das Fenster herunter.

"Die beiden sind Zwillinge?" Ich nickte und beobachtete Shawn weiter.

"Shawn?", sprach ich ihn leise an. Er hatte den Kopf gegen die Kopfstütze gelegt und die Augen geschlossen. "Ist alles in Ordnung?" Als Antwort erhielt ich nur ein Seufzen. Erschöpft fuhr er sich über das Gesicht.

"Ja, es geht schon." Ich wartete, ob er weiter sprechen würde. "Ich bin nur ziemlich k.o."

"Woher?" Ich kurbelte ebenfalls mein Fenster runter und genoss die leichte Brise, die mir entgegen wehte.

"Ich hatte die letzten Tage ein paar Termine, nichts großes aber nach diesem Jahr zerrt es doch ziemlich an den Nerven."

"Mhm...",murmelte ich und zupfte an meiner Jeans. "Das kann ich verstehen."

"Kannst du...-" Shawn rieb sich über die Augen. "Kannst du...vielleicht noch mal etwas erzählen?" Shawn strich über die Gangschaltung. "Ich weiß, dass hört sich wahrscheinlich blöd an, aber...-" Er stockte einen Moment. "Aber es klingt alles so normal und irgendwie lenkt es mich ab, wenn du was aus deinem alltäglichen Leben erzählt." Ich schmunzelte leicht und rutschte tiefer in den Sitz.

"Darf ich?" Ich deutete auf das Radio, welches die ganze Fahrt über ausgeschaltet war. Shawn nickte. "Leni und Ruby sind zweieiig. Man könnte auch meinen sie sind ganz normale Schwester. Ruby ist die ältere, Leni ist allerdings ein paar Zentimeter größer, was ein andauernder Streitpunkt ist." Shawn lachte kurz auf.

"Du hast sie gern, stimmt's?"

"Natürlich, ich würde alles für die beiden tun. Und für meine Brüder, sie haben viel für mich getan."

"Was denn?", fragte Shawn nach.

"Sie haben mir geholfen aus Newmarket rauszukommen. Wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre, hätte ich als jüngste nie rausgedurft. Paul hat mir die WG gesichert und Noah hat auch ein gutes Wort für mich eingelegt."

"Du wohnst in einer WG?"

"Ja, wir sind zu dritt. Alex, John und ich, wobei John zählt nur noch als halber Mitbewohner. Alex studiert Literaturwissenschaften, aber richtig befreundet sind wir nicht."

"Hört sich lustig an, so ein WG Leben." Shawn schnallte sich ab, stieg aus aus und lief um das Auto herum. Er öffnete meine Tür und hielt mir die Hand hin. "Darf ich bitten?" Shawn lächelte mich an.

"Ein wahrer Gentleman", seufzte ich und löste meinen Gurt, bevor ich nach seiner Hand griff und mich aus dem Auto ziehen lies.

"Leider kann ich nur mit der Motorhaube dienen." Shawn schob sich seine Hände in die Hosentaschen und lehnte sich gegen das Blech. Ich tat es ihm gleich und zuckte bei der noch vorhandenen Wärme zusammen.

"Wie geht's Aaliyah?", fragte ich nach und versuchte somit ein Gespräch aufzubauen. "Hast du sie in den letzten Tagen gesehen?"

"Ja, vor ein paar Tagen war sie für eine Nacht da. Sie hat tatsächlich das Mau-Mau Spiel gefunden." Ich fing laut an zulachen und hielt mir den Bauch. Shawn gab mir nur ein Schubser gegen die Schulter. "Aber gegen dich spiele ich ab nie wieder."

Es herrschte ein paar Minuten betretenes Schweigen, aber es war eine angenehme, entspannende Stille.

"Wie läuft das Training?" Ich grummelte nur und legte den Kopf in den Nacken. "Darf ich mal zusehen?" Shawn erhielt nur ein weiteres Grummeln. Ich spürte wie sein Blick zu mir schwankte und wie er mich für einen kurzen Moment ansah. Dann hörte ich wie er sich vom Auto abstieß. "Na komm, ich fahre dich nach Hause."

"Einverstanden", murmelte ich und genoss noch einen Moment die kühle Brise. Erst jetzt merkte ich wie schwer meine Knochen waren und wie erschöpft ich war. Schwerfällig ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen und schaltete das Radio wieder an.

"Aber sonst geht es noch, ja?" Shawn startete den Motor und fuhr vom Parkplatz.

"Du hast ja überhaupt keine Ahnung, Mendes." Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und zählte die Minuten, bis ich endlich in meinem Bett lag.




Ich war so frei und habe mir deine Nummer geklaut ;) Viel Spaß heute, heute habe ich wirklich frei :O ;D
S.

Shawns Nachricht erreichte mich, als ich mit Alex am frühstücken war, nachdem ich gegen elf Uhr aus der Uni kam. Ich stutze einen Moment. Er musste sich meine Nummer geklaut haben, als ich für wenige Minuten auf dem Highway im Auto eingeschlafen war. Was mir im Nachhinein mehr als peinlich war.

Was für eine Frechheit :P Meine Taten sind für heute erledigt, entspann doch auch mal ein bisschen ;)
Jess.

Ich ließ mein Handy zurück in meinem Mantel gleiten und betrat das Toronto Eaton Centre. Gemütlich schlenderte ich mit meinem Cappuccino durch das erste Stockwert des Einkaufszentrums. Es war ziemlich leer, da der Großteil der Menschen am arbeiten war, nur vereinzelte Familien bummelten durch die Läden. Ich entsorgte meinen leeren Kaffeebecher und betrat Forever 21.
Die Verkäuferin lächelte mich freundlich an, als ich den Laden betrat und widmete sich dann wieder der Kasse. Gemütlich bummelte ich zwischen den Kleiderstangen her. Einige Teile zog ich heraus und legte sie mir über den Arm, bevor ich in einer hinteren Kabine verschwand.

Schlussendlich verließ ich den Laden mit einem grauen Pullover mit einen weiten V-Ausschnitt und einem gestreiften Shirt. Mein Handy kündigte eine E-Mail an, Rob hatte mir geschrieben. Es war nur eine PDF-Datei als Anhang gesendet worden. Mit einem Blick auf die Uhr verließ ich das Center schon wieder und wartete auf die Bahn.

Nachdem ich fast eine volle Stunde gebraucht hatte, um nach Hause zukommen ließ ich die Wohnungstür mit einem Krachen ins Schloss fallen. Meine Schuhe kickte ich unter die Heizung, meinen Mantel dagegen hing ich ordentlich auf einen Bügel an unsere Garderobe. Sowohl Alex als auch John waren nicht da. Ich betrat mit meinem Laptop unter den Arm die Küche und goss mir eine Tasse Milch ein, bevor ich sie in der Mikrowelle erhitzte. Mein Laptop kündigte an, dass er vollständig hochgefahren war. Ungeduldig trommelte ich mit meinen Finger auf der Arbeitsplatte. Das hohe Piepen der Mikrowelle holte mich aus meinen Gedanken. Ich kramte einen Esslöffel aus der Schublade und kratze die Reste Kakaopulver aus der Dose.

Sehr geehrte Frau Clarke,

aufgrund zahlreicher Nachfragen laden wir sie herzlich zu einem Fotoshooting für unsere neue Sportkolletion ein. Wir wünschen uns Sie als neues Werbegesicht für unsere Marke.
Wie auch in den vergangenen Jahren suchen wir nach einer jungen Nachwuchssporrlerin mit genügend Ausstrahlung und Ehrgeiz. Durch die Teilnahme an der Qualifikation zur Eiskunstlauf Weltmeisterschaft sind wir auf sie aufmerksam geworden.

Über eine baldige Zusage würden wir uns sehr freuen.
Wir wünschen Ihnen alles Gute.

CCM

Performance [S.M.]Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora