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Die nächsten Tage waren anstrengend.

Ich hetzte zwischen Uni und Wohnung hin und her, sprang von einer Bahn in die Nächste, rannte von der Bahn zur Wohnung und zurück zur Halle. Drehte meine Runden, schrieb an meiner Hausarbeit, suchte nach passender Musik. Kochte in der Wohnung, aß in der Bahn und duschte im Fitnessstudio.

Aber am Ende der nächsten Woche konnte ich Erfolge verzeichnen. Meine Hausarbeit näherte sich dem Ende und meine Kür für die Qualifikation setzte sich langsam zusammen. Ziemlich langsam sogar. Inzwischen hatte ich mich für Shake it off entschieden und baute langsam Element um Element um die Musik herum.

"Jess?" Alex schob mir meinen heißen Kakao herüber und setzte sich auf den Küchenstuhl gegenüber von mir. "Erzähl", forderte sie mich auf und nahm einen Schluck von ihrem dampfenden Tee. "Wie geht es dir?" Ich wirkte einen Moment überrumpelt. Aber gerade als ich meinem Mund öffnete um zu antworten, hob alles ihre Hand und schnitt mir das Wort ab. "Du brauchst mich überhaupt nicht anlügen, ich will nichts als eine ehrliche Antwort." Ich seufzte und lies meine Tasse sinken.

"Ich bin am Ende." Alex sagte nichts, sie wusste das dies noch nicht alles war. "Ich kann nicht mehr, ich habe das Gefühl, dass mein gesamtes Leben an mir vorbeirauscht. Ich weiß wofür ich das mache und ich will das wirklich, aber im Moment..-" Ich seufzte. "Verstehst du? ich habe das Gefühl, dass ich mir selbst im Weg stehe. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte mal etwas für mich getan habe. Wirklich nur für mich." Langsam hob ich meine Tasse und hob sie zu meinen Lippen. "Aber auf der anderen Seite", fuhr ich fort. "Fühle ich mich so wohl wo ich bin und was ich mache. Wenn ich daran denke, nie wieder auf dem Eis stehen zu können, dann wird mir schlecht." Ich beendete meine Rede und schaute zu Alex. Sie hatte ihren Kopf schräg gelegt und hatte meinen Worten aufmerksam gelauscht.

"Jess", fing sie an und griff nach meiner Hand. "Ich kenne keine Person die sich in ihrer Sache so sicher ist wie du. Jeder im Umkreis von 5000 Meilen sieht wie geschaffen du für das bist, was du tust. Ich kann verstehen wir du dich fühlst, aber bitte gib deinen Traum nicht auf." Mit diesen Worten stand sie auf und verließ die Küche, samt Tee.


"Sieht schlimmer aus, als es ist." Mit großen Augen sah er mich, bevor ich ihm das Kühlpack aus der Hand nahm und es auf meine Schulter drückte. "Setzt dich doch." Ich rutsche ein Stück, sodass er genügend Platz auf der Bank hatte. "Oder hast du keine Zeit, Shawn Mendes?"

Für einen Moment schloss er die Augen, bevor er sich mit einem Seufzen durch die Haare fuhr.
"Sorry...-", begann er und wusste wohl nicht mit der Situation umzugehen. "Ich...-", setzte er wieder an. "Ich habe noch einen Termin." Mit diesen Worten stürmte er fast aus der Halle.


Es war dunkel draußen, als mich am Abend mit der Bahn auf dem Weg zur Halle machte. Einfach weil ich es brauchte. Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen die kühle Glasscheibe. Morgen war Samstag, was bedeutete das ich morgen ausschlafen konnte, keine Vorlesungen hatte und abends kein Training hatte. Meine Tasche wiegte schwer auf meinem Schoss und mein Handy vibrierte zum wiederholten Mal in meiner Hosentasche. Aber ich ignorierte es. Erst als die monotone Stimmer der U-Bahn erklang erhob ich mich und zwängte mich mit dem Strom aus der Station.
Die wenigen Minuten zur Halle legte ich zu Fuß zurück.

Das gewohnte Geräusch von krachenden Schlägern drang zu mir rüber und ich zog die kalte Luft ein. Jetzt war alles perfekt. Torontos Eishockeyteam fegte über die Eisfläche und schob die Puks von links nach rechts. In ihren blau-weißen Trainingsklamotten konnte man niemanden voneinander unterscheiden. Nur der Trainer stand am Rand und fuhr immer einige Meter von links nach rechts, rief ab und zu ein paar Wörter in den Raum.

Ohne auf mich aufmerksam zu machen, schlich ich einige Treppen der Tribüne nach oben und setzte mich auf einen der letzten montierten Plastikstühle. Ich beobachtete das muntere Treiben und zog nach einiger Zeit ein Buch zum Finanz- und Rechnungswesen aus meiner Tasche. Nur ab und zu war ein einzelner Pfiff aus der Pfeife des Trainers zu hören. Ich wusste nicht, wie lange ich auf der Tribüne saß und meine Nase ins Buch steckte. Es musste auf jeden eine ganze Zeit gewesen sein, denn ich ich irgendwann war die Eisfläche leer und nur vereinzelt kamen Spieler aus der Kabine und verließen die Halle.

"Ich dachte schon du holst deine Sache nie aus diesem Buch." Erschrocken zuckte ich zusammen und ließ reflexartig mein Buch fallen.

"Shawn?", fragte ich, obwohl es ja wohl offensichtlich war. "Was machst du hier?" Ich bückte mich nach meinem Buch und legte es zurück in meine Tasche. Er schwieg einen Moment. Mir ging ein Licht auf. "Sag nicht du willst dich entschuldigen", seufzte ich und schon senkte seinen Blick. "Wie oft denn noch?" Spielerisch boxte ich ihm gegen die Schulter. Kleinlaut blickte mich Shawn an.

"Ich weiß, aber irgendwie...irgendwie tust du mir leid."

"Ich tue dir leid?"

"Naja...eigentlich auch nicht wirklich." Shawn wirkte sichtlich frustriert. "Eigentlich wollte ich mich entschuldigen." Er merkte wohl selbst, wie blöd das klang. "Also richtig entschuldigen. Aaliyah hat mir erzählt, was vor zwei Jahren passiert ist und das du für die Meisterschaften nächstes Jahr trainierst und deswegen würde ich mich gerne entschuldigen."

"Shawn, du musst dich nicht entschuldigen." Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm und sah ihn an. "Das ist wirklich lieb von dir, aber das ist keinesfalls nötig."

"Doch, doch", entgegnete er. "Für mich ist das nötig, also.." Er legte seine Hand auf meine und umschloss sie. "Bitte tue mir den Gefallen und lass mir eine Entschuldigung. Auch wenn es dir egal ist und du keine Lust hast, bitte. Für mein Gewissen." Beim letzten Satz legte sich ein Schmunzeln auf seine Lippen. Ich seufzte und überlegte wohl einen Moment zu lange. "Bitte." Shawn seufzte ebenfalls und sah mich ein. Unruhig rutschte ich auf meinen Sitz hin und her.

"Ich weiß nicht. Ich..- Also eigentlich hab ich viel zu, aber eigentlich weiß ich auch nicht was da geben spricht. An wann hattest du denn gedacht?"

"An wann?", fragte Shawn nach und kratzte sich verlegen am Kopf. "Eigentlich an...jetzt."





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Performance [S.M.]Where stories live. Discover now