Performance [S.M.]

[4]

"Ist mein Bruder schon gefahren?" Verwundert blickte Aaliyah sich in der Halle um.

"Ja, aber ich dachte du wüsstest, dass er noch einen Termin hat. Das hat er mir gesagt."

"Alles gut, ich dachte nur nicht, dass er schon so früh fährt." Aaliyah wirkte verunsichert und wusste wohl nicht mit der Situation umzugehen. "Hat er gesagt, wann er mich abholt?" Ich schüttelte den Kopf, worauf ihre Schultern ein Stück nach unten sackten.

"Was hältst du davon, wenn wir erstmal anfangen? Und zur Not trainieren wir so lange, bis dich jemand abholt." Mit einem Zwinkern stand ich auf und schmiss das Kühlpack auf die Bank. Ich öffnete die Bande und trat auf die Eisfläche. "Schaffst du es?" Etwas unsicher stand sie an der Kante zur Eisfläche.

Dann fing sie schallend an zu lachen und mit einem Sprung war sie auf der Eisfläche.

"Das kam jetzt unerwartet", lachte ich. "Du scheinst nicht das erste mal auf dem Eis zu stehen." Aaliyah lachte und fing an eine Runde zu drehen. Ich schloss mich ihr an.

"Ich habe früher Eishockey gespielt, jetzt nur noch gelegentlich." Aaliyah erhöhte etwas das Tempo.

"Nicht so schnell", rief ich ihr hinter. Sofort bremste sie ab. "Wer weiß wie lange wir heute trainieren." Aaliyah druckste einen Moment herum.

"Also..wenn,- Wenn du wegen deiner Schulter nicht mehr kannst, dann sag einfach Bescheid. Ich kann auch jemanden anrufen, der mich abholen soll. Oder wenn du selbst noch was vor hast."

"Die Fürsorge scheint in eurer Familie zu liegen, oder? Dein Bruder war mindestens genauso besorgt."

"Mein Bruder?!" Aaliyah bekam große Augen. "Also Shawn...- äh mein Bruder...-" Sie merkte wohl, wie sie sich verplappert hatte. Diesmal war ich diejenige, die anfing zu lachen.

"Du musst mir nichts verheimlichen. Ich weiß wer dein Bruder ist, ich lebe ja nicht hinterm Mond." Aaliyah schien ein Stein vom Herzen zufallen. 

"Und ich dachte schon ich hätte mich verplappert. Es hat genügend Überzeugungskraft gebraucht, um Shawn zu überreden mich hierher zu begleiten."

"Das kann ich verstehen. Aber wollen wir jetzt wirklich über deinen Bruder reden?" Aaliyah schüttelte den Kopf. "Also..-" Ich überlegte einen Moment. "Kannst du rückwärts fahren?" Erneut schüttelte sie den Kopf. "Dann fangen wir wohl damit an." Ich drehte eine Runde um Aaliyah, bevor ich zum Rückwärts fahren ansetzte. "Siehst du, so geht's. Jetzt du."

Es war fast 17 Uhr und schon dunkel draußen, als wir unsere erste Pause machten. Mit einer Banane saßen wir auf der Bank und schwiegen vor uns hin. Aaliyah hatte mir direkt nachdem wir die Eisfläche verlassen hatte ein neues Kühlpack auf die Schulter gedrückt.

"Jessica?", fragte Aaliyah. "Trainierst du für die Meisterschaften nächstes Jahr?"

"Das ist zumindest der Plan", antwortete ich und biss von meiner Banane. "Im Moment sieht es ziemlich gut aus. Also..-" Ich unterbrach mich selbst. "Was ich damit meine ist, dass ich momentan nicht verletzt bin oder eine Verletzung auskurieren muss. Aber du hast ja selbst gesehen wie schnell das geht. Eine falsche Landung oder ein falscher Schritt und das gesamte Training war umsonst."

Aaliyah ließ sich meine Wort durch den Kopf gehen. Ein paar Minuten herrschte Stille zwischen uns, bevor Aaliyah aufstand und ihre Bananenschale in den Müll warf.
"Können wir nochmal?", fragte sie und deutete auf die Eisfläche. Ich stopfte mir mein letztes Stück der Frucht in den Mund und folgte ihr zurück aufs Eis. "Ich glaube, dass die Meisterschaften erreichen wirst. Du bist gut."

"Danke Aaliyah, aber so leicht ist das leider nicht. In einigen Wochen stehen die Qualifikationen an und irgendwie habe ich nicht das Gefühl, als wäre ich genügend darauf vorbereitet. Mir fehlt noch eine Kür, Musik, ich habe eigentlich noch gar nichts."

"Aber das kann doch nicht daran scheitern." Mit großen Augen sah sie mich an. "Du musst doch wenigstens schon Ideen haben."

"Ja, die habe ich auch. Aber das ist es nicht, irgendwie bin ich damit nicht zufrieden und mit einer nicht perfekten Vorstellung bin ich raus, beziehungsweise werde ich gar nicht erst antreten."

"Wie?!" Erschrocken drehte sich sich zu mir um und bremste, sodass ich fast ihn sie hinein fuhr. "Du trittst auf jeden Fall an! Auch wenn du nicht ganz zufrieden bist, du kannst doch nicht einfach die Chance nicht nutzen." Ich zuckte nur mit den Schultern.

"Vor zwei Jahren hatte ich genau das selbe Problem. Ich war nicht zufrieden. Und ich bin angetreten. Ich habe die Punktzahl nicht erreicht und war somit raus", erklärte ich. "Die Wochen danach waren ziemlich hart. Während ich trainierte, fanden in der Halle die Meisterschaften statt." Mir wurde ganz schlecht bei der Vorstellung dieses Gefühl nochmal zu erleben. "Aber es geht jetzt nicht um mich, das hier ist dein Training."

"Jess", stöhnte Aaliyah. "Mir tut alle weh." Ich hielt meine Hand unter ihr Bein, während sie einbeinig vorwärts fuhr und versuchte die Waage zu halten.

"Ich lasse jetzt los, Achtung." Sofort als ich meine Hand zurück zog, sackte ihr Bein ein paar Zentimeter ab und nur ein paar Sekunden später lag Aaliyah auf dem Eis. "Alles gut?", fragte ich und reichte ihr meine Hand, um sie wieder auf die Beine zuziehen. Gerade als sie antworten wollte, schallte eine Stimme durch die Halle.

"Aaliyah?" Shawn schien gerade erst gekommen zu sein und beugte sich über die Bande. "Hast du dich verletzt?" Aaliyah verdrehte nur die Augen und klopfte sich die Eisspuren von der Hose.

"Ich glaube wir sind fertig für heute. Auslaufen brauchst du dich nicht." Aaliyah zog nur eine Schnute. Dann machte sie sich langsam auf den Weg, um die Eisfläche zu verlassen.

"Alles okay?" Shawn nahm sie zur Begrüßung in den Arm und strich ihr über die Haare. Aaliyah nickte und setzte sich auf die Bank.

"Ich gehe mich eben umziehen." Mit diesen Worten verschwand sie Richtung Kabinen. Shawn Blick wanderte zu mir. Ich stand immer noch inmitten der Fläche und setzte mich in Bewegung.

"Bevor du fragst, mir geht es gut." Mit einem leisen Rums fuhr ich gegen die Bande. Shawn entlockte meine Bemerkung nur ein kleines Schmunzeln. Man konnte ihm ansehen, dass er sich unwohl fühlte. "Aaliyah hat sich gut gemacht", sagte ich und versuchte irgendwie die angespannte Stimmung zu lockern.

"Hör zu", setzte er an und lehnte sich neben mich an die Bande, nur von der anderen Seite. "Ich habe mich blöd benommen, normalerweise verhalte ich mich nicht so." Er knete sich die Hände und drehte den Ring an seinem Finger, bevor er fortfuhr. "Du hast es wahrscheinlich gemerkt, ich war ziemlich überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du mich doch kennst. Du hast nicht den Anschein gemacht, als wüsstest du wer ich bin."

"Hätte ich das den?", fragte ich und legte den Kopf schief, als ich auf eine Antwort wartete.

"Ich weiß nicht." Nervös lachte er. "Vielleicht, vielleicht auch nicht." Diesmal war ich diejenige die anfing zu lachen.

"Du machst nicht den Anschein, als wüsstest du was du willst." Shawn seufzte und gab sich wohl geschlagen.

"Sie hat sich also gut gemacht?", fragte er noch einmal nach, als er sah wie Aaliyah umgezogen zu uns zurück kam.

"Ziemlich. Manchmal lag sie auf der Nase, aber gerade du solltest ja wissen, wie schell das geht." Shawn Wangen färbten sich ein wenig rot, bevor er sich räusperte. "Ich weiß." Ich fiel ihm ins Wort, als ich merkte wie er zum Reden ansetzten wollte. "Es tut dir leid."

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