thirty-one

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„Dein Vater ist ein Arsch", sagte Talia, während sie den Apfel in ihrer Hand untersuchte. Er schien gut genug und so landete er im Einkaufswagen.

„Was du nicht sagst", erwiderte ich ironisch und beobachtete sie. Ich war noch nie einkaufen gewesen. Warum inspizierte sie das Obst so genau?

„Und dieser Charles hat echt...?" Sie traute sich nicht diesen Satz zu Ende zu sprechen. Und ich konnte sie verstehen. Ich wollte den Gedanken auch nicht fortsetzen. Die Erinnerung war zu schmerzhaft, zu widerlich, zu enttäuschend. Vater hatte es gewusst. Oder geahnt. Aber er hätte nichts dagegen gehabt. Ich war immer eine Enttäuschung für ihn gewesen. Ich war kein Junge, der irgendwann mal sein Geschäft übernehmen könnte, also musste ich dafür sorgen, dass jemand anderes es übernehmen. Und so wurde ich quasi dazu erzogen eine „gute" Ehefrau zu werden.

„Ja", erwiderte ich bloß und verglich zwei Avocados miteinander. „Woran erkenne ich welche gut ist?" Talia grinste kurz und nahm die beiden Avocados in die Hand.

„Kommt drauf an, wann du sie essen willst. Heute oder erst in ein paar Tagen? Ich will sie heute essen, also mach ich dieses Ding hier weg", sie puhlte ein Knopfartiges Ding aus der Avocado. „und schaue, wie es drinnen aussieht. Sie ist grün, also ist sie ganz gut", erklärte sie mir und steckte den Knopf wieder rauf. Dann packte sie die Avocado in den Einkaufswagen und lief weiter.

„Auf jeden Fall waren unsere Haushälterin, unser Chauffeur und meine Mutter in einen Plan verwickelt mich wegzubringen, falls mein Vater das wirklich durchziehen sollte", erzählte ich weiter, während ich einen Mann beobachtete, der sich nicht zwischen zwei Pizza-Sorten entscheiden konnte.

„Deine Mutter?" Ich nickte.

„In letzter Zeit hat sie sich vollkommen verändert. Sie wurde zum ersten Mal wirklich eine Mutter für mich." Talia hob zwar misstrauisch die Augenbrauen, sagte allerdings nichts dazu. Sie war, was Mütter anging, so oder so skeptisch.

„Und da Jake musste auch weg. Ich war dabei, als mein Vater... als er Jake verprügelt hat, bloß weil wir zusammen waren. Was würde dann passieren, wenn er denkt Jake hätte etwas mit meinem Verschwinden Zutun?" Ich schüttelte mich. Das Bild in meinen Augen war zu schrecklich, um es in Wirklichkeit zu sehen.

„Er hatte nichts dagegen?", hakte Talia überrascht nach. Ich schüttelte den Kopf. Dann lächelte sie gerührt.

„Und habt ihr schon...?" Ich riss erschrocken die Augen auf. Wie kam sie denn bitte auf solche Gedanken?!

„Talia!", rief ich vielleicht etwas zu laut durch den Supermarkt. Sie lachte und wich meinem Schlag aus.

„Das ist doch eine berechtigte Frage. Ich meine ihr haut zusammen ab und schlaft dann mehrmals in einem Bett. Also habt ihr noch nicht?" Ich schüttelte den Kopf und spürte die Hitze in meinem Gesicht.

„Wann haben du und Aiden denn...?", stammelte ich. Jetzt wirkte Talia fast schon peinlich berührt. Sie hob den einen Mundwinkel zu einem halben Lächeln.

„Wir haben miteinander geschlafen, bevor wir zusammenkamen." Meine Kinnlade klappte runter. Natürlich wusste ich, dass weder Talia noch Aiden wirklich prüde waren, aber das überraschte mich trotzdem.

„Was erwartest du denn, Erin? Dass wir es gleich beim ersten Versuch auf die Reihe gekriegt haben? Ich bitte dich", meinte sie scherzhaft und ich stieg in ihr Lachen ein. Wo sie recht hatte... Sie waren nicht die Art von Mensch, die erst die Liebe und dann die Leidenschaft bemerkten, sondern die Art von Mensch die erst später realisierten, dass ihre Gefühle nicht reine Leidenschaft waren.

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