five

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Ich hab das alte Kapitel gelöscht, weil ich das einfach nur schlecht fand. Tut mir leid, vergesst es einfach. :)

„Wo warst du letzte Nacht?", knurrte mein Vater erbost. Ich machte mich so klein wie möglich, doch es half nichts. Er starrte mich trotzdem zornig an.

„Ich brauchte frische Luft.", flüsterte ich leise und sah auf den Boden. Augenkontakt provozierte ihn nur.

„Was hättest du getan, wenn dich jemand auf der Straße gesehen hätte?" Wahrscheinlich hätte es mich nicht verletzen müssen. Doch es tat so verdammt weh. Er hatte sich keine Sorgen gemacht, wichtig war nur sein Image. Wie ein Stich im Herz konnte man es nicht beschreiben. Es war ein stumpfes Messer das immer wieder in das Herz gerammt wird und dabei gedreht wird. So schmerzvoll, dass man sich einfach wünschte zu sterben.

„Ich hätte gesagt ich wäre die Treppe runtergefallen." Vater lachte spöttisch auf.

„Das wird immer gesagt, wenn die Eltern das Kind misshandeln, aber anders lernst du ja nicht. Verschwinde und komm erst wieder, wenn du das Stück perfekt spielen kannst."

Ich nickte unterwürfig. „Ja, Vater."

*

„Was machst du hier?", fragte ich überrascht und sah Jake an. Er zuckte nur mit den Schultern und sah mich weiterhin an. Ich hatte mich in der Schule, mal wieder, in den Probenraum gestellt um das Stück zu lernen.

„Wieso übst du?", fragte er.

„Weil ich perfekt sein muss."

„Wieso?"

„Weil meine Eltern es so wollen."

„Wieso?"

„Weil sie mit mir angeben wollen."

„Wieso?"

„Damit sie ihr perfektes Image wahren können."

„Wieso?"

„Weil sie dadurch die besten sind."

„Wieso?"

„Weil sie egoistische, arrogante Missgeburten sind."

„Wieso?"

„Weil unsere verkorkste Gesellschaft solche Menschen liebt."

„Wieso?"

„Weil das Leben scheiße ist."

„Wieso?"

„Weil es so ist und jetzt halt die Klappe ich muss üben.", erwiderte ich schroff.

Einige Zeit lang hielt er sich zurück bis er mich wieder unterbrach. „Spielst du eigentlich nur Beethoven?" Genervt verdrehte ich die Augen. „Das ist Mozart. Beethovens Stücke sind meistens nur für das Klavier.", klärte ich ihn auf.

„Ist doch egal wie die heißen. Fakt ist: Sie haben keine Ahnung von Musik. Dieser ganze Scheiß ist langweilig." Er hatte so unglaublich Recht. Das war alles langweiliger Scheiß. Und genau das, war was die Reichen sehen wollten.

„Kannst du eigentlich auch vom Hören spielen?" Ich nickte ein wenig verwirrt. Jake holte grinsend seine Hand und Kopfhörer raus und steckte sie mir in die Ohren. Ein Cello fing an zu spielen. Ich glaube das Lied hieß „Secrets".

Ich hörte mir genau an wie gespielt wurde und nahm dann nickend die Kopfhörer aus den Ohren. „Okay, also ich nehme die Hintergrundmelodie auf, dann kannst du die richtige Melodie spielen." Ich nickte und fing an die Hintergrundmusik zu spielen.

Jake ließ das Aufgenommene abspielen und ich spielte dazu, während er noch die Trommel übernahm.

Glück durchflutete mich, als ich einfach spielte. Ohne Noten, ohne Zwang, ohne Trauer. Einfach nur spielen. Das war das was ich liebte und nicht durfte.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich vollkommen auf die Musik. Ließ mich von ihr tragen, in andere Welten, schönere, fröhlichere Welten. Ich hatte das Gefühl ich würde schweben. Nein, fliegen. Richtig fliegen. Wie ein Vogel, ein Adler oder ein Drache.

Ich war frei. Keine Angst etwas zu vermasseln, keine Angst vor der Faust meines Vaters, keine Angst vor irgendetwas. In diesem Moment fühlte ich mich stark. So unglaublich stark, als würde ich mit der Violine, alles Unheil auf der ganzen Welt vernichten können. Als würde nichts mir etwas anhaben können. Nicht mein Vater, nicht Mason, nichts. Ich war stark, frei und glücklich.

Mit geschlossenen Augen ließ ich die Violine sinken und kostete den Moment vollkommen aus. Wenn mich irgendjemand fragen würde, was mein schönster Moment gewesen wäre, ich hätte nicht gesagt, als ich meinen ersten Preis bekommen hatte, oder als ich anfing zu spielen, sondern dieser.

Eine angenehme Stille legte sich auf den Raum, als ich meine Augen öffnete. Ich sah Jake schweigend an. Seine Augen bohrten sich in meine und ich strahlte ihn an.

„Du spielst unglaublich. Man dachte die Musik würde durch dich hindurchfließen."

„Ich habe das vermisst.", kam es ohne überlegen über meine Lippen. „Was meinst du?", fragte Jake und setzte sich neben mich.

„Als ich angefangen habe Violine zu spielen, hat es mir wirklich Spaß gemacht. Meine Lehrerin hatte mit alten Volksliedern angefangen. Wir hatten immer dazu getanzt, aber meine Eltern wollten nicht das ich herumalberte, also musste ich Beethoven, Mozart, Haydn und anderen Scheiß spielen."

Auf Jake's Gesicht breitete sich ein fettes Grinsen aus.

„Du wirst langsam normal. Übrigens heißt es Geige." Ich lachte und schlug ihm auf den Oberarm.

„Ich habe eine Idee. Ich zeig dir die wahre Welt. Meine Welt." Skeptisch sah ich ihn an.

„Was willst du dafür? Wenn ich eins aus meiner Welt weiß, dann das man immer geben muss um nehmen zu können. Also?" Jake grinste mich an, was mich auch unwillkürlich zum Grinsen brachte.

„Gar nichts. Rein gar nichts. Ich will nur Zeit mit dir verbringen." Mein Herz begann zu flattern, als seine Ozeanblauen Augen sich direkt in meine bohrten.

„Wieso?"

„Weil ich dich mag."

„Wieso?"

„Weil du anders bist."

„Wieso?"

„Weil du mehr erlebt hast als andere."

„Wieso?"

„Weil das Leben beschissen ist, du hast es schnell erfahren."

„Du auch. Wieso?"

„Weil das Leben uns ausgesucht hat, um scheiße zu sein."

„Wieso?"

„Weil man daran nichts ändern kann."

„Das war nicht die Antwort auf meine Frage."

„Zu deiner Frage gibt es keine Antwort."

„Wieso?"

„Weil man das Leben nicht erklären kann. Ich hol dich um Mitternacht ab. Und dann fängst du an zu leben."

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