twenty-six

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Ich wischte mir noch mal über die Wange, die immer noch feucht war. Der Abschied von Margret und Marie war furchtbar gewesen. Sie waren immer wie große Schwestern für mich gewesen, manchmal auch wie Mütter.

Margret hatte mir einen großen, vollgestopften Reiserucksack mitgegeben außerdem meine liebste Violine, während Marie für einen süßen Mini gesorgt hatte, den mein Vater nicht mit einem Peilsender versehen hatte.

Mein Herz begann schneller zu klopfen, als ich Jake vor seinem Mietshaus sah. Er hatte bloß eine Sporttasche um die Schulter geworfen und sah sich suchend um. James parkte in einer Parklücke ein paar Meter von Jake entfernt und bevor er überhaupt den Motor ausschaltete, war ich bereits aus dem Wagen gesprungen.

Ich rannte auf ihn zu. Er erkannte mich und lächelte, während er die Tasche fallen ließ und die Arme ausbreitete. Ich warf mich in sie und drückte mich so dicht an ihn, wie möglich. So lange. So lange hatte ich nicht mehr gesehen. Freude und Erleichterung durchströmten mich, als ich seine Arme um mich geschlungen spürte.

„Ich hab dich vermisst", nuschelte ich in seine Brust. Ein paar Tränen entflohen mir. Geborgen und sicher.

„Und ich erst", flüsterte er in mein Haar. Ich wirkte in seinen starken, langen Armen so zierlich und zerbrechlich.

Jake beugte sich zu mir herunter und legte seine Lippen so unendlich sanft auf meine, als wären es Schmetterlingsflügel. Die Schmetterlinge in meinem Bauch drehten eine extra Runde.

„Ich weiß ja, junge Liebe und so, aber wir sollten uns vielleicht ein bisschen beeilen. Außerdem ist auf dem Rücksitz genug Platz für euch zwei", meinte James plötzlich und ich löste mich mit feuerroten Wangen, die wahrscheinlich noch röter waren, als die von James selbst, als ich ihn über meine Mutter ausgefragt hatte, von Jake.

Jake legte seine volle Sporttasche in den Kofferraum und setzte sich dann zu mir auf die Rückbank.

„Okay, also kannst du mir jetzt mal erklären was hier los ist?", fragte er, als James uns wieder in den Verkehr schlängelte.

Ich schluckte. Um ihm die ganze Situation verständlich erklären zu können, müsste ich ihm von Charles erzählen.

Ich nahm seine warme Hand und drückte sie beruhigend. Er zuckte kurz zusammen und öffnete meine Hand dann. Meine Handflächen waren inzwischen schon abgeheilt, aber mehrere rötliche Striemen zogen sich über die fast unnatürlich weiße Haut. Sanft strich Jake über die Narben und diesmal war ich es, die zusammenzuckte. Meine Hände waren für immer verunstaltet. Von meinem eigenen Vater.

Jake legte meine Hand in seine und sah mich dann auffordernd an.

„Naja... also... heute nach der Schule kam Charles zu mir. Er geht auf meine Schule, weißt du? Naja auf jeden Fall... auf jeden Fall bedrängte er mich plötzlich und er hat davon geredet, dass... nun... dass" Jake spannte sich immer mehr an und wirkte immer beunruhigter.

„Was Erin?" Ich seufzte. Er verdiente die Wahrheit. Er hatte ohne sonderlich viele Informationen zu haben, seine Sachen gepackt und war bereit mit mir durchzubrennen. Was für ein riesiger Liebesbeweis war das denn bitte?

„Dass mein Vater mich ihm versprochen hat", flüsterte ich mit Tränen in den Augen. Es wirke alles so surreal. Was war mit meinem Leben bloß passiert?

„Was?!" Jake ließ meine Hand los und krallte sie in seinen Oberschenkel. Selbst jetzt dachte er daran mich nicht verletzen zu wollen. Gott verdammt, womit hatte ich das verdient?

„James hat mich gerettet. Er hat mich nachhause gefahren und mir erklärt, dass Mum, Marget, Marie und er alle zusammengearbeitet haben. Sie haben dafür gesorgt, dass ich irgendwann abhauen kann, wenn es ernst wird und als du aufgetaucht bist, wurde ihnen klar, dass es bald eintreffen würde. Deshalb war Mum plötzlich so anders weißt du? Weil sie sich endlich getraut hat Zeit mit mir zu verbringen, weil sie wusste, dass sie dazu nicht mehr die Chance haben würde. Und weil James und sie eine Affäre haben", plapperte ich los und musste kichern.

Jake schien immer noch verdammt wütend, aber jetzt umspielte wenigstens ein Schmunzeln seine Lippen.

„Ihr könnt wohin immer ihr wollt, aber ihr müsst Zwischenstopps einlegen. Wir hatten uns überlegt, dass ihr nach Bristol oder Leeds fahrt und von dort mit dem Flugzeug weiter. Erin muss sich auf jeden Fall die Haare färben. Ihre jetzigen sind zu auffällig und wir haben für euch beide gefälschte Ausweise", erklärte James, der wieder ein bisschen rot im Gesicht wurde.

„Aber ich liebe ihre Haarfarbe", meinte Jake bloß. Ich starrte ihn geschockt an. Er wunderte sich nicht darüber, dass mein Chauffeur einen gefälschten Ausweis für ihn machen lassen hat?

„Das fand Marie auch", erwiderte James mit einem Lächeln im Gesicht. „Deshalb hat sie euch Henna besorgt. Das ist eine türkisch, indische Art sich die Haare zu färben. Es ist natürlicher als Haarfärbemittel und gesünder als eine Tönung, glaub ich. Wenn Marie über sowas schwärmt, bin ich immer verwirrt." Ich lachte und lehnte mich an Jake. Ja so war Marie immer.

Er legte seinen Arm um mich und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.

„Wir sind gleich an der Stadtgrenze. Ich werde beim nächsten Bahnhof in den Zug nach London steigen. Ab da muss ich mich verabschieden", erklärte James. Traurigkeit erfüllte mich. All die Jahre hatte ich im Stillen darüber geklagt, dass ich niemanden hatte, der sich um mich sorgte, dabei hatte ich mehr als bloß eine Person. Ich hatte James, Marie, Margret und Mary. Sie waren meine Familie. Und neuerdings auch Mum.

„Okay", meinte ich mit Tränen erstickter Stimme. Jake drückte meine Hand fester und lächelte mir aufmunternd zu.

Viel zu schnell kamen wir an einem Bahnhof an und James stieg aus. Ich tat es ihm gleich und umarmte ihn sofort.

„Wir sagen Auf Wiedersehen, Erin. Nicht Lebe Wohl", lachte er, doch seine Stimme zitterte. Ich würde ihn vermissen.

„Du bist wie ein Vater für mich, James", flüsterte ich und drückte ihn ein klein wenig fester.

„Und du wie eine Tochter für mich", erwiderte er. Ich löste mich widerwillig aus meiner Umarmung und machte einen Knicks.

„Ich werde Sie vermissen, Sir", meinte ich mit Tränen in den Augen.

„Das kann ich auch von mir behaupten, Miss", sagte er und verneigte sich. Jake und James nickten sich zu und James verschwand im Bahnhof. Ich winkte ihm hinterher und nahm meine Hand erst runter, als man ihn nicht mehr sehen konnte.

Ich spürte ein Kribbeln an meiner Hand und kurz darauf spürte ich wie sich Jakes Hand um meine schloss. Ich lächelte.

Er schaute mich an. Ich schaute ihn an.

„Ich schätze, das Abenteuer kann jetzt beginnen."

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Es ist kurz, ich weiß, aber ich wollte das Kapitel unbedingt mit diesem Satz beginnen xD

Ich wünsche euch noch einen schönen Tag!

Assya <3

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