Kapitel 25

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Es waren nur Sekunden, die mir wie Minuten vorkamen. Eine beunruhigende, furchteinflößende Stille. Eine Stille, die unendlich schien. Diese Stille wurde jedoch durch einen lauten Knall unterbrochen. Nein!
Mert hatte Can angeschossen. In den Arm. Can fiel auf die Knie und hielt sich seinen Arm. Nein! Aus seinem Arm floss langsam viel Blut. Ich musste ihn retten. Ich musste ihm helfen. Er durfte nicht sterben. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sammelte meine Kraft. In meinen Gedanken zählte ich bis drei, stand auf, trat Mert heftig zwischen seine Beine , sodass er zusammen sackte und nahm ihn, als ich die Möglichkeit dazu hatte und was mir glücklicherweise tatsächlich gelang, seine Waffe ab. Damit zielte ich auf ihn. Alle blickten mich erstaunt an.
"Lass ihn gehen oder ich kann für nichts garantieren", drohte ich Mert ernst und er blickte genau zu mir auf.

"Wärst du wirklich fähig dazu, so etwas zu tun?Jemanden einfach zu erschießen?", fragte er mich ernst und ich schluckte. Er durchbohrte mich mit seinem Blick. Er wollte es unbedingt wissen, also gab ich ihm die Antwort.
"Einen unschuldigen Menschen könnte ich nie töten. Doch einen Menschen, der den Menschen schadet, die mir viel Wert sind, könnte ich mit meinen eigenen Händen ermorden und ich wäre jederzeit bereit dazu, für sie zu sterben. Zu so etwas bin ich fähig", sprach ich und blickte ihn hasserfüllt an. Eine Weile blieb es still, bis dann endlich die Erlösung kam.
"Lasst ihn gehen", befahl Mert seinen Männern und hatte einen beeindruckten Gesichtsausdruck, während er mich ansah. Sie ließen Can los und er entnahm mir die Waffe. Seinen Blick konnte ich nicht ganz einordnen. Verwunderung? Erleichterung? Ich fragte mich, was er in diesem Moment wohl fühlte. Glück? Sorge? Angst? Hass?

Ihm fiel es sehr schwer zu laufen und sein Arm schmerzte. Er richtete die Waffe auf Mert und blickte ihn drohend an.
"Halte dich fern von uns. Irgendwann wird dieser eine Tag kommen, Mert. Irgendwann", sprach Can schwer atmend und wir verließen gemeinsam dieses Haus.Wir ließen Mert und seine Männer einfach stehen. Ohne ein Wort begaben wir uns zum Auto, bis Can plötzlich zusammen sackte. Ich blickte ihn an und hielt ihn sofort fest.
"Can", sagte ich besorgt und er blickte mich nun etwas verwundert an. Er entfernte sich ein wenig von mir, was mich verwirrte.
"Wie hast du das geschafft? Wie hast du es geschafft, ihm die Waffe weg zu nehmen?", fragte er mich ernst. Das wusste ich selbst nicht. Ich hatte in diesem Moment eine ganz besondere Stärke in mir gespürt. Etwas, wodurch ich mich stark und mächtig gefühlt hatte. Das hatte ich noch nie gehabt. Doch dieses Gefühl war in diesem Moment mit meiner unvorstellbaren Wut, die ich so auch noch nie hatte, plötzlich da gewesen. Es war tatsächlich etwas komisch, hatte uns aber am Ende geholfen. Ich schwieg und blickte ihn ahnungslos an. Genau wie er, war ich unwissend.
"Wieso bist du zu so etwas fähig? Wieso warst du fähig dazu, so mutig zu sein und ihm einfach die Waffe weg zu nehmen? Wieso wärst ausgerechnet du dazu fähig, einen Menschen zu töten?", fragte er mich auffordernd und blickte mich forschend an. Als wäre ich eine andere Person. Doch ich wusste selbst nicht, was das gewesen war. Ich war selbst meinetwegen verwundert.

Can POV

Ich war ziemlich erstaunt über Leylas Reaktion gewesen. Dass sie so etwas konnte, hätte ich nie von ihr gedacht. Sie besaß eine Stärke in sich, dir ihr in diesem Moment geholfen hatte. Genau so eine Stärke, die ich damals an der Brücke gehabt hatte. So sah es aus. Genau wie bei mir damals, hatte sie die Kraft, zu kämpfen. Doch es war irgendwie eigenartig. Sie war die letzte Person, von der ich so viel Mut erwartet hatte. Wie war das möglich? Ich erinnerte mich plötzlich an ihren Satz von vorhin, als wir ins Auto stiegen. Sie könnte niemals einen unschuldigen Menschen töten. Aber jemanden, der den Menschen etwas antut, die ihr etwas bedeuten, würde sie umbringen. Ebenso würde sie für diese Menschen ihr Leben opfern. Unzählige Fragen stellte ich mir. Bedeute ich ihr tatsächlich so viel, dass sie für mich töten und sterben würde? Bin ich ein so wichtiger Mensch in ihrem Leben, dass sie sogar bis an ihre Grenzen gehen würde? Vorhin hatte sie bewiesen, dass ich ihr tatsächlich etwas bedeute. Sie hatte mich beschützt, mich verteidigt und mich gerettet.

Sie hatte mich gerettet und nun half sie mir, indem sie mich ins Krankenhaus fuhr. Sie bestand darauf und ihr widersprechen konnte ich nicht. Also stiegen wir schweigend ins Auto und ich ließ sie fahren. Ich hielt währenddessen immer noch die Waffe in der Hand, mit der Mert auf mich geschossen und mit der Leyla auf ihn gezielt hatte. Dann dachte ich nach. Es war wirklich erstaunlich. Sie war erstaunlich. Diese Frau war wie ein Schutzengel. Ja, sie war wirklich ein Engel. Mein Engel? War sie villeicht mein Schutzengel? Sie besaß auf jeden Fall eine Kraft in sich, die unerklärlich und mächtig war. Eine Stärke, die mich beschützt hatte. Eine Stärke, die ein Schutzengel besaß. Ich blickte sie lange nachdenklich an. War sie tatsächlich mein Schutzengel?

Leyla POV

Sofort brachte ich Can sicher ins Krankenhaus und die Ärzte kümmerten sich um ihn. Ich setzte mich währenddessen hin und wartete nervös.
"Geht es ihnen gut? Ihre Wunden sollten versorgt werden", meinte dann plötzlich eine Schwester besorgt zu mir und ich blickte zu ihr auf. Sie sah mich etwas erschrocken an. Waren meine Verletzungen so schlimm? Ich seufzte, blickte zu ihr auf und ließ mich dann schließlich verarzten. Wenn ich schon mal hier war, konnte das schließlich nicht schaden. Meine Gedanken waren jedoch die ganze Zeit bei Can. Er war zwar nicht in Lebensgefahr, doch trotzdem sorgte ich mich um ihn. Ihm dufte nichts passieren. Wenn ihm etwas zustößt, dann werde ich das nicht verkraften können, dachte ich mir. Ich würde mir wahrscheinlich selbst die Schuld geben, mich nicht besser um ihn gesorgt zu haben. Ich würde mich noch mehr hassen. Ich dachte an Mert. Sein Blick am Ende, als er uns frei gelassen hatte, hatte mir ein mulmiges Gefühl bereitet. Er sah zwar nur neugierig und verwundert aus, hatte aber auch etwas furchteinflößendes in seinen Augen. Dieser Mann war gefährlich. Diese ganze Sache hier war gefährlich.

Ich musste Can dazu überreden, dieses gefährliche Leben zu beenden. Diese Seite zu verlassen. Jeden Tag lebte ich mit der Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte. Ich bemerkte erst nach Minuten, dass Can still neben mir saß. Seine Verletzungen wurden behandelt und er sah nicht mehr so niedergeschlagen aus. Das machte mich glücklich, ihn wieder so sehen. Er blickte nach vorne, sagte jedoch nichts und schien über etwas nachzudenken. Was ihm wohl durch den Kopf geht?, fragte ich mich. Lange blickte ich ihn an und hätte ihn am liebsten umarmt. Ihn umarmt und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebe. Ihm gesagt, wie viel er mir bedeutet. Doch das konnte ich nicht. Es war nicht möglich. Meine Gefühle musste ich verbergen. Zwei ganze Wochen waren inzwischen vergangen und jeden Tag wollte ich auf ihn einreden. Doch ich traute mich nicht. Ich hatte ständig bedenken. Was, wenn er mich anschreien wird? Was, wenn er wieder gemeine Worte sagen wird? Was, wenn er mich verlassen wird?

Ich wollte mir nicht vorstellen, was alles passieren könnte. Ich hatte auch panische Angst davor. Doch ich musste mit ihm reden. Ich musste ihm helfen. Ich musste ihn genau wie damals vor Mert beschützen und retten. Diese Nacht wurde danach nicht mehr erwähnt. Es war, als hätte dieses Ereignis nie stattgefunden. Can verließ das Haus nun jeden Tag und kam auch immer wieder ziemlich spät zurück. Ich tat ständig so, als würde ich schlafen, was er mir auch abkaufte. Doch ich bekam viele Dinge mit. Er betrank sich manchmal und dielte sogar nun mit Drogen. Das wusste ich, weil er einmal heimlich mit einem seiner Kunden telefoniert und ich das gehört hatte. Er kam öfters mit Verletzungen nach Hause als sonst. Er kämpfte wohl sehr oft draußen und begab sich ständig in Gefahr.

Can stürzte ab. Er fiel in ein dunkles Loch. Jeden Tag, immer mehr und meine Angst um ihn wurde mit jedem Tag immer größer. Deswegen musste ich ihn stoppen. Ich musste ihm helfen. Ich musste ihn retten. Das musste ein Ende haben, denn es war zu riskant. Er kam in jener Nacht wieder später nach Hause, war aber dieses Mal zum Glück nicht wie sonst auch betrunken. Ich tat dieses Mal nicht so, als würde ich schlafen und wartete auf ihn, um auf ihn einzureden. Er musste damit sofort aufhören, sonst würde er schlimm enden. Ich wollte mir sein Ende nicht vorstellen. Schließlich liebte ich ihn und wollte nur das Beste für ihn. Also wartete ich sehr lange auf ihn, bis er dann schließlich kam und da ahnte ich noch nicht, dass diese Nacht, eine wichtige Nacht werden würde.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now