Kapitel 53

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Niedergeschlagen lag ich auf meinem Bett und dachte lange nach. Leyla lag im Koma. Sie war ziemlich schwer verwundet, befand sich in Lebensgefahr. Mir war schon klar, dass die Ärzte die Hoffnung schon aufgeben hatten. So wie sie mich angesehen hatten, wusste ich sofort, dass es für Leyla keine große Hoffnung gab. Ihre Familie war ebenso am Boden zerstört wie ich. Vor allem ihre Mutter war am Ende und konnte sich nicht mehr beruhigen. Schließlich hatte sie schon ihren Sohn verloren. Wenn Leyla auch sterben würde, würde ihre Mutter das nicht durchstehen, dachte ich mir. Ich hätte es ebenso nicht durchgestanden. Das einzige was wir jetzt noch tun können, ist beten und hoffen, dass sie erwacht, dachte ich mir verzweifelt. Seufzend setzte ich mich auf und raufte mir meine Haare. Ich konnte überhaupt nicht still sitzen. Zu aufgewühlt war ich. Das ist alles nur meine Schuld. Wäre ich nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert. Ich habe ihr Leben zerstört. Niemals hätten wir uns begegnen dürfen. Wir hätten uns niemals ineinander verlieben dürfen. Wir hätten nicht miteinander heiraten dürfen. Das war alles ein Fehler, der uns nun für diese Taten bezahlen lässt, dachte ich mir. Diese Gedanken waren vollkommen absurd.

Ich machte mir schon selber Angst. Das was ich da dachte, war einfach furchtbar. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so über Leyla und mich denken würde. Was war nur los mit mir?
Ich liebte sie doch so sehr. Mehr als mein Leben. Ich könnte nicht ohne sie sein. Doch von meinem Gangsterleben kam ich ebenso wenig los, wie von ihr. Ein Mann, der ein gefährliches Leben lebt und es ständig mit seinen gefährlichen Feinden zu tun hat, kann sich nicht um eine Frau und ein Kind kümmern. Das ist überhaupt nicht möglich. Das ist nicht richtig. Das dachte ich mir. So schade ich Leyla nur und das hat sie nicht verdient. Und auch das dachte ich mir. Auch wenn mein Herz nur bei der Vorstellung anfing zu schmerzen, musste es wohl tatsächlich so geschehen. Ich konnte nicht mehr bei ihr bleiben. Wenn sie sterben sollte, werde ich mir das niemals verzeihen. Niemals, dachte ich mir.

Deswegen sollte ich, falls sie überlebt, handeln und sie beschützen, indem ich nicht mehr an ihrer Seite bin. Es wird hart. Es wird schwer. Doch nur so kann ich mir sicher sein, dass sie ein friedliches Leben führen kann, sagte die Stimme in meinem Kopf zu mir. Eine andere Wahl hatte ich nicht. Mein Schicksal war es auf der Straße zu kämpfen und alleine zu sein. Das war mein wahres Schicksal. Das war mein wahres Ich. Ein Einzelgänger zu sein, der sich ständig in Gefahr begibt und kämpft. Ich gebe jedoch zu, dass ich zu diesem Zeitpunkt den Kampf in der Liebe verloren hatte. Was meine Ehe anging, was die Liebe anging, war ich ein Versager gewesen. Ich schaffte es nicht einmal meine Frau, die ich so sehr liebte, zu beschützen. Ja, ich war zu schwach. So schwach, dass ich sogar solche Gedanken hatte.

Ich, Can Yalçin, gab auf. Die Liebe hatte mich besiegt. Immer hatte ich gewonnen. Egal wann, egal wie. Ich war immer der Gewinner gewesen. Doch nun stand ich als Verlierer da. Dies war ein Punkt in meinem Leben, an dem ich gestand, verloren zu haben. Es tut mir leid, Leyla. Ich bin zu unfähig, um dich zu lieben, dachte ich mir voller Reue. All die Nächte bekam ich kein Auge zu. Viele Wochen vergingen, viele Monate vergingen. Doch Leyla wachte einfach nicht auf. Alle hatten die Hoffnung schon aufgegeben. Doch ich natürlich nicht. Ich glaubte an meine Frau. Jeden Tag besuchte ich sie im Krankenhaus und flehte sie an aufzuwachen. Doch es geschah nichts. Sie wollte einfach nicht zu mir zurückkommen. Mein Leben war trostlos ohne sie. Von Tag zu Tag wurde ich immer trostloser und stiller. Ich starb innerlich von Tag zu Tag ein Stück mehr. Meine Angestellten in der Firma waren irritiert und meine Familie wusste nicht mehr weiter. Keiner wusste mehr weiter. Ich war nicht mehr ganz bei der Sache, aß und schlief nicht mehr richtig. Das Einzige was ich noch konnte, war mich um Cansu zu kümmern. Sie war das einzige die mich noch zum Lächeln bringen konnte. Nicht einmal ihr erstes Wort konnte Leyla miterleben. Ja, Cansu hatte ihr erstes Wort, welches Mama war, schon gesagt. Leyla hätte sich sehr darüber gefreut, aber leider erwachte sie nicht. Mit jedem Tag der verging, fehlte sie mir immer mehr.

Doch auch mit jedem Tag der verging, dachte ich immer mehr daran, Leyla zu verlassen. Ich hätte nie gedacht, dass diese Gedanken mich so sehr übernehmen wird. Wie jeden Tag fuhr ich wieder ins Krankenhaus, um Leyla zu besuchen. Cansu war bei Azra, da diese sich ab und zu um sie kümmerte. Ich war ihr sehr dankbar. Schließlich war das Vatersein nicht einfach für mich in diesen Zeiten und ich konnte Cansu ihre Mutter nicht ersetzen. Ich setzte mich auf den Stuhl, der sich neben dem Bett befand und blickte Leyla an. Ihre Lippen waren seht trocken und sie war ziemlich blass. Sie schien leblos. Doch ihr Herz schlug noch. Es schlug tatsächlich sogar immer etwas schneller, wenn ich bei ihr war. Dies nannte ich ein Wunder. Ich nahm ihre kalte Hand in meine und streichelte sie. Dann sprach ich zu meiner Frau.

"Wann erwachst du endlich, Leyla? Ich brauche dich. Cansu braucht dich. Bitte, komm zu mir zurück. Gib mir wenigstens ein Zeichen, dass du lebst und nicht sterben wirst. Bitte, Leyla, tu mir das nicht an. Ich liebe dich doch so sehr. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Es ist alles meine Schuld. Bitte, vergib mir und wach auf. Wenn du erwachst, verspreche ich dir, dass alles gut wird und du ein friedliches Leben haben wirst. Komm nur zu mir zurück. Bitte, Leyla", flehte ich sie unter Tränen an. Doch wie immer passierte nicht. Sie lag weiterhin da und hatte ihre Augen geschlossen. Ich wischte mir meine Tränen weg und seufzte.
"Wenn ich nicht bei dir wäre, hättest du ein schönes Leben. Ich bin der Grund, weswegen du hier liegst. Ich bin an allem Schuld. Aber was soll ich tun? Wie kann ich dich nur verlassen? Du bist mein Leben. Soll ich etwa einfach gehen?", fragte ich sie und blickte sie erwartungsvoll an. Doch natürlich bekam ich keine Antwort. Ich küsste ihre Hand und wollte gehen. Doch meine Hand wurde nicht losgelassen. Erstaunt blickte ich sie an.

Hatte sie mich gerade festgehalten? War das gerade wirklich Leyla gewesen?, fragte ich mich. Hoffnungsvoll blickte ich runter zu ihrer Hand, die sich tatsächlich etwas bewegte. Sie bewegt sich!, dachte ich mir aufgeregt.
"Leyla?", sagte ich leise und ihre Hand bewegte sich erneut. Sofort rief ich die Ärzte und war überglücklich. Sie lebte. Nachdem der Arzt sich Leyla angeschaut hatte, bat er mich um ein Gespräch.
"Es ist ein Wunder, Herr Yalçin. Wir selber können es uns nicht erklären. Wenn ihre Frau weiter kämpft, könnte sie schon bald erwachen", sprach der Arzt. Er selbst konnte es nicht so richtig glauben und ich war einfach nur überglücklich.
"Ein Glück", sagte ich erleichtert.

Ich bedankte mich bei ihm und verließ dann das Krankenhaus, mit der Hoffnung, dass Leyla bald erwachen würde. Ich betete, dass sie so schnell wie möglich wieder erwachen würde. Ich wollte wieder in ihre schönen Augen blicken und ihr sagen, wie sehr ich sie liebte. Ich wollte sie wieder umarmen und nie wieder mehr loslassen. Ich wollte sie wieder bei mir haben. Doch es war tatsächlich ein Wunder. Sie hatte genau in dem Moment reagiert, in dem ich gehen wollte. Sie wollte mich nicht loslassen. Konnte das etwas bedeuten? Das war doch schließlich kein Zufall. Oder?

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