Kapitel 92

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Wie angewurzelt stehe ich nun hier. Vor dem Polizeirevier. Ich atme tief ein. Hoffentlich ist nichts schlimmes passiert. Mit rasendem Herzen betrete ich das Revier und frage nach dem Komissar, der mich angerufen hat. Keine zehn Sekunden später steht dieser vor mir und bittet mich in dein Büro. Er wirkt gestresst.
,,Weshalb haben Sie mich hergerufen?'', frage ich ihn. Ich kann vor lauter Neugier kaum ruhig bleiben.
,,Es geht um ihre Frau.'', antwortet er mir, weshalb ich noch aufmerksamer werde. Hoffentlich ist nichts schlimmes passiert.
,,Was ist mit ihr? Geht es ihr gut?'', frage ich ihn auffordernd. Er seufzt.
,,Nun ja. Ihre Frau ist ohnmächtig geworden, weswegen wir sie auf die Krankenstation gebracht haben. Die Ärzte vermuten, dass es an der Schwangerschaft liegt. Sie können selbst mit dem zuständigen Arzt sprechen.'', erklärt er mir. Sofort stehe ich auf.
,,Okay. Wo ist diese Station?'', frage ich ihn.
,,Setzen Sie sich. Es gibt noch etwas, was ich ihnen gerne erzählen würde.'', sagt er und deutet auf den Stuhl. Ungeduldig nehme ich wieder Platz. Ich will zu Leyla. Ich will wissen, was sie hat.
,,Morgen findet eine weitere wichtige Gerichtsverhandlung statt.'', sagt er. Verwundert blicke ich ihn an. Leyla wurde doch bereits verurteilt. Weshalb ist das also nötig? Er beantwortet meine Frage.

,,Ich weiß nicht genau, wer es gewesen ist. Jedoch hat sich eine weitere Person selbst angezeigt.'', sagt er. Eine weitere Person?
,,Wissen Sie nicht, wer es ist?'', frage ich ihn. Bedauernd blickt er mich an.
,,Mir wurde nur gesagt, dass es nun einen weiteren Verdächtigen gibt. Er befindet sich zurzeit in U-Haft. Später werde ich ihn noch verhören und morgen wird auch er bei dem Gerichtstermin erscheinen.'', erklärt er mir deutlich. Anschließend beugt er sich etwas nach vorne, blickt mich dabei an.
,,Herr Yalçin. Wenn diese Person morgen tatsächlich für schuldig gesprochen wird, könnte das die Freiheit für ihre Frau bedeuten.'', fügt er noch hinzu. Tatsächlich steigt Hoffnung in mir auf. Leyla könnte befreit werden. Nun sitze ich hier neben ihr. Sie liegt auf einem Krankenbett und schläft. Ihre Haut ist blass, ihr Hände kalt. Vorhin habe ich noch mit dem Arzt gesprochen. Der ganze Stress tut ihr nicht gut. Sie benötigt mehr ärztliche Aufsicht, da das Baby sich das Baby sonst in Gefahr befinden könnte. Deshalb bleibt sie erst einmal hier. Meine Gedanken sind jedoch auch ständig bei dem Gerichtstermin. Die ganze Zeit über bete ich dafür, dass morgen alles gut laufen würde. Wir haben genug gelitten. Sie hat genug gelitten. Leyla muss hier raus. Sanft nehme ich ihre kalt Hand in die meine. Jedes Mal wenn ich bei ihr bin, will ich sie nie wieder gehen lassen. Ich brauche sie an meiner Seite. Langsam öffnet sie ihre braunen Augen. Sie scheint wach zu werden.
,,C-Can.'', spricht sie leise. Sie klingt so schwach. Das alles hier scheint sie sehr mitzunehmen. Verständlich. Als Verurteilter wirst du behandelt wie der letzte Dreck. Dazu ist sie auch noch schwanger. Ich streichle ihren Kopf.
,,Ich bin hier.'', sage ich leise, um sie zu beruhigen. Sie drückt meine Hand fester, während eine Träne ihre Wange hinab läuft. Sachte streiche ich sie beiseite.

,,Du fehlst mir.'', sagt sie schluchzend. Leicht lächle ich sie an. Da ich mich nicht zurückhalten kann, beuge ich mich zu ihr und gebe ihr einen leichten Kuss auf ihren Scheitel. Tief blicken wir uns gegenseitig in die Augen. Ihr Blick wandert zu meinen Lippen. Keine zwei Sekunden später beugt sie sich etwas zu mir und küsst mich. Wie sehr ich sie vermisst habe. Ich könnte das nicht in Worten beschreiben. Der Schmerz, der sich in meinem Herzen gebildet hatte, scheint wie nie da gewesen zu sein. Ich bin bei ihr. Sie ist bei mir. Und wenn wir Glück haben, wird dies auf ewig so sein. Sie rutscht etwas zur Seite, breitet anschließend ihre Arme aus. Lächelnd lege ich mich zu ihr und nehme sie in meine Arme. Ihren Duft atme ich dabei tief ein, genieße einfach diesen friedlichen Moment.
,,Morgen haben wir einen Gerichtstermin.'', sage ich nach einer Weile. Sie will sich aufrichten, doch ich halte sie auf.
,,Bleib liegen. Du brauchst Ruhe.'', bitte ich sie, weshalb sie sich zurück lehnt. Sie blickt mich erwartend an.
,,Es gibt einen neuen Verdächtigen. Er oder sie hat sich selbst angezeigt. Morgen wird deshalb neu entschieden.'', erzähle ich ihr. Fassungslos blickt sie mich an.
,,Und wer ist es?'', fragt sie mich neugierig. Ich seufze.
,,Das weiß ich leider nicht. Zurzeit befindet sich diese Person in U-Haft. Erst morgen werden wir es erfahren.'', antworte ich bedauernd. Seufzend legt sie ihre Hand auf ihre Stirn und schließt ihre Augen. Erneut erblicke ich Tränen, die ihre Wange hinab laufen. Und erneut wische ich sie weg.
,,Ich weiß, dass du hier raus willst, Leyla. Das einzige, was wir tun können, ist beten.'', sage ich, woraufhin sie mich anblickt.

,,Auch wenn ich nicht rauskommen sollte, werde ich mich nicht beschweren. Ich habe es mir ausgesucht.'', sagt sie. Tatsächlich hat sie sich bis jetzt kein einziges Mal beschwert. Sie tut das alles nur für mich und nimmt es hin. Jedoch sehe ich es ihr an. Die Ungeduld, den Schmerz, die Angst. Sie will hier raus. Welcher Mensch würde das nicht wollen?
,,Du musst hier raus. Wenn es nicht für dich ist, dann denk wenigstens an mich und an unsere Kinder.'', bitte ich sie und lege meine Hand auf ihren Bauch. Sie blickt darauf, wischt sich dabei ihre Tränen weg. Anschließend umarmt sie mich ganz fest. So als wolle sie mich nie wieder loslassen wollen.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now