Kapitel 45|Alte Freundschaften

3.8K 163 15
                                    

"Was heißt, du kannst dich erinnern? Etwa an...?"
"Alles? Ja, ich kann mich erinnern. Wie konntest du mir nur so etwas antun?!"
Die Wut kochte in mir und am liebsten hätte ich Jo auf der Stelle umgebracht.
Sie hatte mich im Stich gelassen.
Meine Schwester und mich.
Sie hatte uns eiskalt ins scharfe Messer laufen lassen.
Plötzlich spürte ich etwas Kühles an meinen Handgelenken.
Es war Luft.
Überrascht sah ich nach unten und bemerkte, dass die Fesseln aufgesprungen waren.
Genauso wie an meinen Fußgelenken.
Ich war frei.
Aber wie hatte ich das gemacht?
Verdutzt schaute sie mich an: "Wie... Wie hast du das gemacht?"
Ich beachtete sie gar nicht mehr, sondern fuhr fort: "Wir waren Freunde!"
Höhnisch lachte sie auf.
"Freunde? Wie waren nie Freunde gewesen! Es ging doch immer nur um dich! Dich und deine hoffnungslose Liebe zu meinem Bruder!"
"Das ist nicht wahr", flüsterte ich. "Und das weißt du."
"Tja, anscheinend ja doch! Dank dir hätte Kai fast so viel Energie gehabt unseren Zirkel zu zerstören!"
In Jo's Augen blitzte etwas auf, was nicht gerade friedlich aussah.
Eher bedrohlich und gefährlich.
"Woher willst du das wissen? Etwa nur, weil er ein Magiesauger ist? Das ist Quatsch!"
Jo schwieg, sah mich nur aus ihren fast schwarz gewordenen Augen an.
An was sie wohl dachte?
"Aha", machte ich triumphierend. "So ist das also. Kai war gar nicht gefährlich und ist es bis heute nicht. Du hast das alles nur getan, um später selber mal den Zirkel zu leiten. Nur leider war Kai schon immer stärker, wegen mir. Du bist ja so eine falsche Schlange."
Noch immer schwieg sie.
"Und wie war das? Kai hat all die unschuldigen Hexer und Menschen gar nicht umgebracht, sondern du warst das? Aber sag mal, wie hast du all das geschafft, ohne aufzufliegen? Ganze 18 Jahre lang?"
Für einen Moment starrte Jo mich noch an, bis sie sich schließlich räusperte: "Ein sehr mächtiger Zauber. Charles hat mir dabei geholfen. Einige Zeit hat es auch bei Kai geklappt, jedenfalls solange er in der Gefängniswelt war. Je mehr Zeit er mit dir verbracht hat, an desto mehr konnte er sich erinnern." Sie seufzte einmal theatralisch, dann fuhr sie fort: "Und zu meinem Übel war er dabei, als ich unsere Geschwister umbrachte. Hach, wie sie sich gewehrt haben. Obwohl, Miranda hat fast gar nichts getan. Sie wusste wohl, dass sie nichts dagegen tun konnte. Aber Jordan, er hat sich gewehrt wie ein kleines Kind. Naja, das war er ja auch."
Beim letzten setzte sie ein fettes Grinsen auf.
Von Wort zu Wort wuchs mein Hass gegen diese Frau nur noch mehr.
Ich versuchte ihn so gut es ging zu verdrängen, um nicht direkt auf sie loszugehen.
"Wieso erzählst du mir das alles, wenn du weißt, dass du dadurch auffliegst?"
"Das werde ich nicht. Da du anscheinend nicht tot zu kriegen bist, kannst du es zwar petzen, du hast allerdings keinen einzigen Beweis dafür."
Noch immer zierte ein breites Grinsen ihr Gesicht, bis ich das metallene Ding hob, das ich die ganze Zeit in meiner rechten Hand gehalten hatte.
Ich drückte auf die "Pause"- Taste und spielte ihr das von ihr gesagte noch einmal ab.
"Reicht dir das als Beweis oder sollen wir es nochmal aufnehmen?", grinste ich jetzt nun anstelle von Jo.
Ihr Gesicht verwandelte sich von geschockt zu ratlos und dann komplett wütend.
"Noch einmal kommst du damit nicht davon!", zischte ich ihr zu.
Sie schrie einmal laut wütend, woraufhin mein "Vater" in den Raum gestürmt kam.
"Hallo, Charles. Ich weiß jetzt übrigens, dass du nicht mein echter bist, und dass ich in Wahrheit sogar eigentlich zwei Jahre älter bin als du."
Immer wieder öffnete er den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn dann allerdings.
"A...a....aber... Wie...?"
Ich lachte.
Ich wusste ehrlich gesagt auch nicht, wieso ich das alles hier so lustig fand, aber es war schrecklich lustig.
"Oh man, du weißt gar nicht, wie sehr ich dich all die Jahre gehasst habe, Charles. Und jetzt mal ehrlich, all die Male, wo du mir gesagt hast, ich solle mehr Respekt vor dir haben, da hättest du vor mir Respekt haben müssen. Du bist ja so erbärmlich."
Bis hin zum letzten Satz wurde meine Stimme immer ernster, sodass am Ende nur noch ein bedrohliches Zischen herauskam.
Charles' Miene verdunkelte sich und Binnen von Sekunden (?) stand er direkt vor meiner Nase und wollte mir gerade mit der Faust ins Gesicht schlagen, als meine Hand sich ebenfalls reflexartig hob und ihm mindestens eine gebrochene Nase verpasste.
Das zog ich jedenfalls aus dem nicht so gesund klingendem Knacken, das in mir eine leichte Übelkeit verursachte.
Darüber konnte ich allerdings nicht länger nachdenken, denn nun stand auch Jo vor dem fluchenden Charles, dessen Nase ununterbrochen blutete.
Bah!
Noch bevor Jo zuschlagen konnte, hob ich wieder meine Faust, schlug ihr jedoch in den Magen, woraufhin sie sich reflexartig zusammenzog und einen undefinierbaren Laut von sich gab.
Nanu, woher hatte ich das denn gelernt?
Hatte es vielleicht mit dem zu tun, was gerade eben passiert war?
Schnell schob ich die vielen Fragen, die in meinem Kopf herumschwirrten wie ein Wespenschwarm, beiseite und rannte so schnell es ging aus dem kleinen Kerker, der mich unheimlich an den von den Salvatores erinnerte.
Aber das konnte auch nur Einbildung sein.
Ich meine, ich war bisher nur ein- oder zweimal dort gewesen.
(Das war allerdings immer noch zu viel für ein 17- jähriges Mädchen, das eigentlich ein normales Leben hatte führen wollen.)

Je näher ich dem Ausgang kam, desto komischer wurde es.
Das ergab keinen Sinn.
Wieso war ich im Haus der Salvatores?
Und wieso war niemand da?
Es war doch immer jemand da.
Schnell griff ich nach meinem Handy, während ich der Haustür immer näher kam.
Jo und Charles konnten immer noch hinter mir sein.
Also legte ich noch einen Gang drauf und verschwand im Wald, ohne zu wissen wo ich überhaupt hin wollte.
Wo waren all die anderen?

Plötzlich überkam mich ein kurzer Geistesblitz.
Ich sah Kai, schweigend, ohne jegliche Emotion.
Seine Hände waren am Rücken verbunden, während er von jemandem irgendwohin gezogen wurde.
Es war Damon.
Und um Damon und Kai herum liefen Caroline, Bonnie, Elena und Stefan.
Sie wirkten alle angespannt, starrten ununterbrochen auf den Boden.
Plötzlich traten hinter einigen Bäumen ein paar Hexer hervor, dann wurden es augenblicklich immer mehr.
Sie waren alle schwarz gekleidet, trugen eine Art Roben.
"Oh nein", flüsterte ich, denn ich wusste aus Erfahrung, dass das nicht gut enden konnte.
Wieso denn genau jetzt?!
Wieso dann, wenn ich von zwei völlig durchgedrehten Hexern verfolgt wurde, die mich kurz davor hatten töten wollen?
Ich kämpfte gegen die Tränen an, die sich in meinen Augen bildeten, scheiterte jedoch, als ich an den emotionslosen Gesichtsausdruck von Kai dachte.
Ich wusste nur zu gut, dass er unglaubliche Schmerzen haben musste.
Sowohl physische, als auch psychische.
Genauso wie an dem Abend, an dem ich ihn verlassen hatte.
'Geh!', hörte ich wieder nur seine Stimme in meinem Kopf.
"Ich lass dich nicht im Stich! Niemals!", schluchzte ich, während die Tränen meine Augen benetzten.
Ich wusste nicht wirklich, wo ich hin musste, allerdings wusste es mein Unterbewusstsein.
Der Teil, der Kai bedingungslos liebte, der Teil, der auf ewig mit ihm verbunden sein würde, der Teil, der nicht ohne ihn leben konnte.
Ich brauchte ihn.
Wie die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, die Sonne zum Wärmespenden,...
Er war alles für mich.
Und ich konnte einfach nicht ohne ihn.
Allein schon der Gedanke ließ mich noch mehr weinen, schreien.

Mittlerweile schmerzten meine Bein so stark, dass ich sie fast nicht mehr bewegen konnte und meine Lunge fühlte sich so an, als hätte ich tagelang nichts getrunken.

Plötzlich sah ich etwas weißes inmitten des Waldes aufblitzen.
Ein Licht!
Was hatte das zu bedeuten?
Im Moment war mir alles egal, ich wollte Kai einfach nur aus dem ganzen Schlamassel rausholen und die Situation klären.
Beweise hatte ich ja genug.
Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, ob sie ihn schon zurückgeschickt hatten.
"Singuinata venet a superem! Singuinata venet a superem!"
"Mist!", fluchte ich laut.
Das war der Grund, wieso ich Kai gesehen hatte!
Die Hexen versuchten, unsere Bindung zu lösen!
Ich kannte diesen Zauber von Lucy, die einige Zeit mit Zaubern rumexperimentiert hatte.
Dass es einen dieser Zauber wirklich gab, hatte ich nicht erwartet.
Aber das war in diesem Moment Nebensache, denn wenn sie die Verbindung zwischen Kai und mir wirklich lösten, könnten sie ihn ohne große Probleme in die Gefängniswelt zurückschicken.
Das durfte nicht passieren!
Sie hatten es schon vor über 30 Jahren versucht, es konnte dieses Mal also genauso wenig funktionieren.
Augenblicklich stoppten die Stimmen in meinem Kopf und die Verbindug schien wie weggeblasen.
Hatten sie es etwa geschafft?
Wenn ja, wieso fühlte ich dann immer noch dasselbe für Kai?
War vielleicht etwas schiefgelaufen?
Ich dachte nicht länger darüber nach, sondern rannte in die Richtung, aus der das grelle Licht gekommen war.
Dort!
Es war wieder da!
Laute Stimmen zeigten mir, dass sie nicht weit weg sein konnten.
Und das bestätigte sich mir auch, als ich nicht weit von mir entfernt die vielen Hexer und Hexen in einem Kreis stehen sah.
Es waren vielleicht noch 20 Meter, mehr aber auch nicht.
Ich konnte es schaffen!
Ich konnte sie aufhalten!
Ich rannte noch schneller, so schnell wie noch nie.

Doch bevor ich ankommen konnte, erlosch plötzlich das grelle Licht.
Die Hexer und Hexen verschwanden so schnell wie sie gekommen waren, während Damon, Caroline, Bonnie, Elena und Stefan laut jubelten.
Ich verlangsamte meine Schritte, als ich in der Mitte, wo vorher noch Kai gesessen hatte, einfach nur Leere fand.
Alles fiel in sich zusammen, meine Kräfte verließen mich und ich ließ mich laut schluchzend auf den harten Waldboden fallen.
Mein Herz schmerzte, als hätte jemand mit einem stumpfen Messer hineingestochen und mein Magen fühlte sich einfach nur leer an.
Ich wusste nicht, wie lange ich schon nichts mehr gegessen oder getrunken hatte, aber das war mir in diesem Moment egal.
Ich wollte nichts lieber als einfach nur zu sterben.
Mehr nicht.
"Ich liebe dich, Kai."





Super Psycho Love (Kai Parker FF)  ✔Where stories live. Discover now