Kapitel 16|Entführung

5.5K 195 18
                                    

"Was? Lilli, du bist noch ziemlich verwirrt. Du solltest wieder schlafen gehen."
Abigail versuchte mich wieder zurück ins Bett zu drücken, was jedoch kläglich scheiterte, als ich aus dem Bett an ihr vorbei auf mein Handy zusteuerte, das plötzlich angefangen hatte zu klingeln.
Eine fremde Nummer war darauf zu sehen.
Vielleicht war es auch mein Dad, der von seinem neuen Job aus anrief.
Mit kurzem Zögern ging ich dran.
"Hallo?"

Zuerst hörte man gar nichts, dann jedoch ließ mich ein lautes Geräusch zusammen zucken.
Es war so laut gewesen, dass sogar Abigail es gehört hatte.
Mit panischen Augen sprang sie von meinem Bett auf.
"Wer ist da?", fragte ich nun etwas lauter und versuchte die Panik in meiner Stimme zu verstecken, die sich langsam aber sicher in mir ausbreitete.
Ein leises Lachen war zu hören, während Abigail wie eine Verrückte ihr Ohr an mein Handy hielt, um mit zu hören.
Eines war klar: Das war eindeutig nicht mein Dad.
"Endlich! Du bist die erste von Elenas Kontakten, die abnimmt!"
Woher hatte Elena meine Nummer?
Und warum rief der Typ auf ihrem Handy an?

Ich kannte die Stimme nicht, trotzdem kam sie mir irgendwie bekannt vor.
Sie klang weder ängstlich, noch schockiert.
Aber es war etwas Anderes in dieser Stimme, etwas Bedrohliches, trotz dieser Lache.
"Okayy, und wer sind Sie?", wiederholte ich die Frage.
Abigail und ich sahen uns ein wenig verwirrt an.

"Ach, ich bin hier nur gerade in der Highschool und halte diese kleine Freundin von Damon gefangen. Du musst wissen: Sie haben mir nach spioniert. Da konnte ich einfach nicht anders."
Ein weiteres Lachen ertönte und kurz darauf ein flehendes Wimmern, das im nächsten Moment jedoch abbrach.
Der Mann hatte aufgelegt.

"Was zum...?", murmelte Abigail mit starrem Blick auf das Handy, das ich im nächsten Moment auf meine Kommode legte.
In diesem Augenblick konnte ich nicht mehr klar denken.
Wie ein skurriler Traum fühlte sich das alles an.
Oder wie einer diesen schlechten Krimis, die meine Schwester immer guckte.
Nur dass das hier kein Traum oder Krimi war, das hier war die Realität.
Oder das, was davon übriggeblieben war.

"Wir müssen zur Highschool", sagte ich mit fester Stimme.
Abigail sah mich besorgt an: "Was geht hier vor? Zuerst laberst du irgendetwas von Magie und jetzt dieser komische Anruf? Lilli, was ist hier los?"
"Es, es ist kompliziert. Ich habe das alles auch erst vor ein paar Stunden erfahren und verstehe es selbst noch nicht richtig. Ich erzähle dir alles auf dem Weg zur Highschool. Du musst mir einfach vertrauen."
Ehrlich: Ich hätte es verstanden, wenn Abigail mich für komplett verrückt gehalten hätte.
Sie allerdings kramte in ihrer Hosentasche herum und fischte schließlich ihren Autoschlüssel heraus.
"Ich vertraue dir. Aber auch nur, wenn du mir wirklich alles erzählst."

Ich nickte und im nächsten Moment standen wir schon vor meiner Mum und versuchten ihr zu erklären, wo zum Teufel wir beide auf einmal hin mussten.
"Entschuldigung, Tessa. Lillian braucht nur ein bisschen frische Luft. Wir sind gleich wieder zurück."
Dass sie meine Mutter mit Vornamen ansprach, ignorierte ich in diesem Moment einfach.
Meine Mum nickte nur und winkte uns zum Abschied.

Kaum saßen wir im Auto überrollte Abigail mich schon mit zehntausend fragen.
Was ist mit Elena passiert?
Wer war der Typ mit dieser scharfen Stimme?
Warum hängst du in letzter Zeit so oft mit Caroline und ihrer merkwürdigen Clique ab?
Hat es etwas mit Magie zu tun?
Dass sie dabei auch noch Auto fahren konnte, wunderte mich nicht sonderlich.
Ich meine, wer sich im Unterricht schminkte, konnte genauso gut beim Autofahren nicht auf die Verkehrsschilder achten.

"Also zur ersten Frage: Ich weiß nicht, was dieser Typ mit ihr gemacht hat. Es klang jedenfalls nicht sonderlich gesund. Und seine Stimme war eindeutig nicht scharf, sondern eher gruselig", schon bei diesem Gedanken lief mir ein Schauer über den Rücken.
"Und der Grund, wieso ich so oft was mit den Freaks mache, ist der, dass ich mich in letzter Zeit irgendwie ... verfolgt gefühlt habe. Und die haben sich irgendwie auch immer so komisch verhalten, deshalb dachte ich zu allererst, sie würden mich pranken oder irgendwas anderes. Nun ja, bis ich mitbekommen habe, wie ein Taxifahrer ermordet wurde und sie allen Ernstes von mir erwartet haben, dass ich denen glaube, dass es Magie und Vampire und, .... ach!... keine Ahnung was, gibt! Denkst du, ich hab denen geglaubt? Natürlich nicht! Und dann lässt Bonnie auf einmal alle meine Kissen in die Luft gehen, und das nur mit ihren Händen. Und im nächsten Moment sind sie auf einmal alle weg. Einfach weg! Wie vom Erdboden verschluckt! Und meine Kissen sind natürlich wieder heile! Wieso auch nicht? Gott, ich ... ich weiß auch nicht, ich kann das alles einfach nicht."

Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus und letztendlich sah mich Abigail nur noch komplett verwirrt an.
Natürlich!
Immerhin hatte ich ihr gerade erzählt, dass es Magie und all den anderen Kram gab.
In unserer Welt!
Es war, als wäre mir jetzt erst klar geworden, dass alles, was man damals in Kinderbüchern gelesen hatte, real war.
All die Monster in unseren Träumen ... es gab sie wirklich.
Aber auch die Magie, die einem immer Hoffnung gegeben hatte, wenn es mal nicht so gut lief.

"Du willst mir also ernstahft klar machen, dass Edward Cullen real ist? Dass es Wesen gibt, die uns nachts die Kehlen ausreißen und aussaugen wollen?
Dass es Menschen gibt, die Kissen in der Luft zersprengen und wiederherstellen können?"
Abigails Blick nach zu urteilen, glaubte sie mir immer noch nicht ganz.
Was heißt ganz?
Gar nicht!
"Ähm... jap", antwortete ich daraufhin nur.

Was sollte ich denn groß sagen?
Dass mein Leben in Gefahr war, weil ein kranker Psycho es beenden wollte?
Dann würde sie mich wahrscheinlich in eine Zwangsjacke quetschen und in die nächste Psychatrie stecken wollen.
"Weißt du, ich weiß noch nicht einmal, wer jetzt Elena entführt hat und warum und ...", plötzlich kam es mir in den Sinn.
"Natürlich! Wieso bin ich nur so dumm?", Abigail sah mich unverständlich an.
"Der Typ, der die ganzen Menschen umgebracht hat. Er muss es sein! Er hat Elena entführt! Und zwar, weil sie und die anderen ihn fast gekriegt haben!"

Abigail riss erschrocken die Augen auf, wenn das bei ihr überhaupt noch ging.
"Und weißt du auch seinen Namen? Vielleicht kann ja Blairs Vater helfen!"
Oh nein! Nicht die Polizei!
"Nein! Das geht nicht. Wir wissen nicht, mit was für einem Hexer wir es zu tun haben."
Abigail zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte verständnislos den Kopf: "Hexer?! Was?! Wie viele übernatürliche Wesen soll es denn noch geben? Egal. Weißt du was, ich lass mich einfach überraschen. Stürze mich einfach ins Getümmel aus Vampiren, Hexen und diesem ganzen anderen Kram. Die werden sehen, mit wem die sich angelegt haben."
Ein unterdrücktes Kichern konnte ich dabei nicht verhindern.
Die Art, wie sie das sagte, klang einfach zu geil.
Im nächsten Moment stimmte sie mit im Kichern ein.
Dieser Moment war einfach viel zu skurril.
Wir saßen in einem Auto, auf den Weg zu einem Psycho, der uns höchstwahrscheinlich umbringen wollte und kicherten wie die Verrückten.
Als würden wir unserem Tod schon freundlich ins Gesicht grinsen...





Super Psycho Love (Kai Parker FF)  ✔Where stories live. Discover now