Kapitel 11|Wenn die Toten singen

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"Lillian, du wirst dich abends von nun an nicht mehr draußen aufhalten. Du musst uns immer bescheid geben, wenn du dich mit jemandem triffst und auf keinen Fall wirst du einen Fuß ins Mystic Grill setzen!", das waren die Befehle, die meine Eltern mir jetzt schon seit Tagen unter die Nase rieben.

Und ja, ich verstand zwar schon irgendwie ihre Sorge um mich, aber ich konnte mich selbst schützen.
Es brachte nichts, wenn sie mich in diesem Haus festhielten und nur für die Schule rausließen, in dieser Stadt war nichts und niemand sicher.

Das bewies ein weiterer Mord an eine junge Frau in der Nähe von der Highschool.
Sie war, wie die anderen Mordopfer, auf eine schreckliche und gleichzeitig auch merkwürdige Art gestorben.

Niemand wusste, warum dieser Mann mordete.
Und genauso wenig wusste man, warum er ausgerechnet diese Leute umgebracht hatte.

Die Frage, warum wir nicht einfach wieder wegzogen, hatte ich schon längst aufgehört zu stellen, man bekam sowieso keine richtige Antwort.
Also saß ich wohl mehr oder weniger in diesem Haus fest.
Aber ich gab die Hoffnung nicht auf.
Wenn die Polizisten hier zu dumm waren, um diesen Mörder zu fassen, dann musste ich das dann wohl selbst in die Hand nehmen.

Meinen Ehrgeiz hatte ich eindeutig von meinem Vater.
Wenn er etwas schaffen wollte, arbeitete er solange daran, bis er es beendet hatte.
Da konnte er als Polizist auch mal ziemlich anstrengend sein.

Müde hievte ich mich aus meinem Bett, das ich in den letzten vier Tagen nicht mehr verlassen hatte.
Anscheinend hatte ich wirklich eine Grippe.
Aber heute fühlte ich mich gut.
Ich spürte, dass die Kraft in meinen Armen und Beinen zurückgekehrt war, obwohl mir immer noch ein wenig übel war.
Ich wollte allerdings mal wieder an die frische Luft, die ich in den letzten Tagen nur durch das halboffene Fenster hatte spüren können.
Wie gesagt: Ich war hier eine Gefangene.
Und zwar einfach nur, weil meine Eltern in eine Stadt gezogen waren, in der ein kranker Psychopath sein Unwesen trieb.

"Mama, ich gehe jetzt zur Schule!", rief ich als ich mich fertig angezogen hatte.
Sofort eilte meine Mutter aus dem Badezimmer und drückte mir eine ganze Packung Halsschmerztabletten in die Hand.
Wie immer war sie besorgt um mich, dass mir irgendetwas passierte.
Aber ich wollte wieder in die Schule gehen und meine neu gewonnenen Freunde sehen.

In den letzten vier Tagen hatte Abigail jeden Tag bei mir angerufen und gefragt, wie es mir ging.
Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, dass sie sich so sehr um mich sorgte, da wir uns gar nicht so lange kannten.
Es war komisch für mich, weil ich noch nie richtig gute Freunde gehabt hatte.
Trotzdem berührte es mich irgendwie, dass sie sich Sorgen um mich machte.

"Mum, ich muss jetzt wirklich los!", jammerte ich, als meine Mutter mit einer Brotdose voller Cupcakes aus der Küche kam und diese in meinen Rucksack stopfte.
"Ja, ja... Wenn dir schlecht wird, gehst du bitte sofort nach Hause, okay?", rief sie mir noch hinterher, als ich mich schon auf den Weg machte.
"Ja, mum!", antwortete ich genervt.
Manchmal konnte sie wirklich etwas sehr überfürsorglich sein.

Augenblicklich erinnerte ich mich an den Tag, als sie mich mehrmals in der Schule angerufen hatte, weil sie wissen wollte, ob es mir noch gut ging.
Und das nur, weil ich erkältet gewesen bin.
Ein peinliches Handyklingeln im Unterricht konnte ich daher nicht verhindern.

Mit einem Kopfschütteln verdrängte ich diese Erinnerung und versuchte mich auf den bevorstehenden Schultag vorzubereiten, indem ich immer wieder die Vokabeln wiederholte, die wir bis heute lernen sollten.
Das ging so weiter, bis ich endlich vor den großen Toren der Schule stand.

Wie jedes Mal schüchterten sie mich doch irgendwie ein.
Das Eisen quietschte laut, als ich durch ihnen hindurch auf den Schulhof ging.
Dort tümmelten sich schon die zahlreichen Schüler und strömten ins Schulgebäude.
Ich jedoch hielt kurz Ausschau nach Abigail und den anderen.

Tatsächlich konnte ich erkennen, wie Blair an einer Wand lehnte und mit irgendwem sprach.
Dabei lachte sie mehrmals und zeigte ihre weißen Zähne.
Und wenn ich mich nicht irrte, konnte ich eine leichte Röte in ihrem Gesicht erkennen.
Außerdem spielte sie durchgängig mit einer ihrer gelockten Haarsträhnen.
Na nu, was war denn hier los?
Ich überlegte kurz, ob ich zu ihr kommen sollte und sie begrüßen sollte, entschied mich letztendlich auch dafür.

Als ich noch fünf Meter von den beiden entfernt war, sah ich gegenüber von Blair der Tomate einen Typen mit Lederjacke und schwarzen Stiefeln.
Neben ihm sah Blair ziemlich klein aus, auch sonst sahen sie doch eher ziemlich unterschiedlich aus.
Während Blair einen kurzen Blumenrock trug, war der Typ fast nur in Schwarz gekleidet.

Blair sah an dem Typen geradewegs vorbei und grinste mich mit ihren geröteten Wangen an.
"Hey Blair, ich...", fing ich an, als ich bei ihr angekommen war, erstarrte kurz darauf jedoch.
Das konnte doch nicht wahr sein!
Verfolgte der mich etwa?
Und sich dann auch noch an meine beste Freundin ranzumachen!
Der ging doch gar nicht auf diese Schule!
Wütend starrte ich den unerwünschten Besucher an.

"Lilli, alles okay?", fragte Blair sichtlich verwirrt.
"Ja, ich... alles ist okay."
Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und ging Richtung Schuleingang.

"Damon", brummte ich wütend.









Super Psycho Love (Kai Parker FF)  ✔Where stories live. Discover now