Auf dem Weg

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Harry gab sich alle Mühe, sich zwei Wochen lang so zu beschäftigen, dass er Louis nicht allzu sehr vermisste. Das gelang ihm auch in der ersten Woche ganz gut, doch dann wurde er ungeduldig und zählte die Tage bis zu seiner Abreise nach London.

An einem Freitagmorgen Anfang März klingelte der Wecker um 5 Uhr und Harry war sofort hellwach. Er tappte ins Badezimmer, machte sich fertig und während in der Küche der Kaffee durch die Maschine lief, zog er sich an und trug den Koffer hinunter ins Wohnzimmer. Sein Zug würde um 6:15 Uhr gehen und schon nach eineinhalb Stunden in London an der Euston Station ankommen.

Am Bahnhof war viel los und Harry schob sich zwischen den Pendlern hindurch zum Drehkreuz.

Der Zug stand schon bereit und er war ziemlich froh darüber, eine Platzreservierung gemacht zu haben, denn es war recht voll. Nachdem er den Koffer im Gepäcknetz verstaut hatte, setzte er sich an den Gangplatz und zog eine Zeitung zu sich heran, die Jemand vergessen hatte. Sie war zwar vom Vortag, doch Harry fand trotzdem noch einen Artikel, den er lesen konnte.

Der Zug fuhr pünktlich los und als er seinen Artikel fertig gelesen hatte, vertrieb sich Harry die Zeit damit, aus dem Fenster zu schauen und die britische Landschaft vorbeifliegen zu sehen.

Nachdem sie Birmingham verlassen hatten, waren grüne Wiesen mit niedrigen Mäuerchen zu sehen, große Anwesen von herrschaftlichen Häusern und Landstraßen auf denen ab und an ein Auto fuhr. Es war noch zu früh am Morgen. Über allem lag der kühle Dunstschleier eines sonnigen Tages und als die ersten, schäbigen Vororte Londons in Sicht kamen, hatte das Wetter aufgeklart. Je weiter sich der Zug ins Zentrum der Hauptstadt vorarbeitete, desto gepflegter wurden die Häuser. Die Bahnschienen wurden jedoch häufig von heruntergekommenen, dunklen Gebäuden gesäumt, die das sonst so prachtvolle Bild, das man von London hatte, zerstörten. Die Stadt war bei weitem nicht so schön, wie man immer glaubte. Auch hier herrschte Wohnungsmangel im Zentrum und Arbeitslosigkeit in den Vororten.

Die Euston Station war voll, laut und geschäftig und obwohl Harry nicht zum ersten Mal in der Stadt war, überraschte es ihn immer wieder aufs neue, wie voll und geschäftig es hier war. Birmingham war im Vergleich dazu ein regelrechtes Provinznest. Er bahnte sich einen Weg nach draußen und blieb auf dem Vorplatz in der Morgensonne neben einem Zeitungskiosk stehen. Louis hatte ihm seine Adresse geschickt und er musste eine Karte auf dem Handy öffnen, um genau zu wissen, wohin er gehen musste.

Zu Louis brauchte er mit der Untergrundbahn noch fast 20 Minuten, doch endlich kam er in einer recht gepflegten Straße im Londoner Norden heraus. Hier war der Verkehrslärm weniger laut und er konnte gemütlich durch die Straßen schlendern, ohne das Gefühl zu haben, Jemandem im Weg zu stehen.

Am Ende der Straße befand sich ein schlichtes Backsteinhaus. Es hatte weiße Fenster und eine dunkelgrüne Tür mit einem altmodischen Türklopfer auf Brusthöhe. Zum Glück gab es auch eine Klingel und Harry betätigte die mit dem Namen Dr. L W Tomlinson.

Im ersten Stock schrillte es und gleich darauf waren eilige Schritte zu hören, die eine Treppe hinuntersprangen. Harrys Herz klopfte nervös.

Die Tür flog auf und Louis stand da: er trug eine Jogginghose und ein einfaches T-Shirt und hatte es offenbar noch nicht unter die Dusche geschafft, denn seine Haare waren vollkommen durcheinander. Die blauen Augen jedoch waren wach und strahlten, als er Harry sah. „Hey, schön dass du da bist", sagte er und fiel ihm um den Hals. Harry drückte ihn an sich und so blieben sie einen Moment in der Tür stehen, bis Louis fröstelte. Er war barfuß und dafür war es zu kalt. „Komm rein. Ich nehme deinen Koffer. Hast du die Adresse gut gefunden? Wie war die Reise?", plapperte Louis los und ging vor Harry die schmale Treppe hinauf in de erste Etage. Seine Wohnungstür stand noch offen, weil er sie in der Eile offenbar vergessen hatte zu schließen. „Fühl dich wie zuhause", sagte Louis und stellte den Koffer ab. „Ich fühle mich immer wie zuhause, sobald du da bist", meinte Harry und grinste verlegen, weil der Satz so dermaßen kitschig war. „Ich freu mich so, dass du da bist. Ich hab dich vermisst." Louis umarmte Harry noch einmal und endlich bekam er auch den sehnlich erwarteten Begrüßungskuss.

„Soll ich dir die Wohnung zeigen?", fragte Louis, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten und Harry nickte. Louis nahm seine Hand und zeigte ihm die kleine Küche, das Wohn- und Arbeitszimmer und ein Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. „Ich habe leider kein Gästezimmer, ich hoffe es ist okay, wenn du bei mir im Bett schläfst", bemerkte Louis verschmitzt und Harry machte kurz eine Miene, als ob er diese Idee so ganz und gar nicht gut fänden würde. Dafür handelte er sich einen Klaps von Louis ein. „Quatschkopf." - „Ich schlafe gerne bei dir im Bett", sagte Harry grinsend und gab Louis noch einen Kuss.

Das würde ein schönes Wochenende werden.

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt