Endlich

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Das Warten war das schlimmste.

Harry lag in einem ruhigen Zimmer, horchte auf jedes Geräusch, das auf dem Flur auftauchte und wurde immer ungeduldiger. Wo war Louis und wieso brauchten sie so lange, um ihn zu finden? Schnelle Schritte auf dem Flur ließen ihn aufsetzen und als die Tür aufflog war er zum ersten Mal kurz enttäuscht, Liam zu sehen. „Harry, scheiße ich habe eben erst gehört, was passiert ist", sagte er und trat ans Bett heran. „Ist es wenigstens das linke?" Ohne Worte hob Harry die Bettdecke an und zeigte Liam die steife Schiene, die man ihm angelegt hatte, um das Bein ruhig halten zu können. „Na immerhin. Dann können jetzt die Schrauben raus." Der Physiotherapeut wirkte fast schon ein wenig erleichtert. „Ich will, dass Louis mein Knie operiert. Auf die herkömmliche Methode hab ich keine Chance. Neue Schrauben gehen nicht in die Bohrkanäle, weil sie zu weit sind und ich will kein Metall mehr im Körper haben." Liam nickte verstehend und runzelte einen Moment die Stirn. „Okay, dann muss Louis also ran. Hättest du das jemals gedacht?" Er lächelte, doch Harry blieb ernst.
Ihm war nicht nach Lächeln zumute. Dafür war er in Gedanken viel zu sehr bei seiner Verletzung. „Die Kollegen wollten ihn eigentlich schon vor einer Stunde herbringen. Keine Ahnung was da so lange dauert....wenn das Knie noch dicker wird, kann man so schnell keine OP durchführen. Sie sollten sich echt beeilen." - „Ich gehe Louis jetzt suchen", beschloss Liam und sah Harrys Handy auf dem Nachttisch liegen. Er hielt inne: „Moment, wieso hast du ihm keine SMS geschrieben?" -"Kein Empfang." - „Okay. Also ich bin dann mal auf dem Weg. Halt die Ohren steif und das Bein ruhig." Liam klopfte Harry auf die Schulter, der lediglich ein trockenes Haha von sich gab und rauschte dann aus dem Zimmer.

Nun waren also schon einige Personen auf der Suche nach Louis. Lange konnte es nicht mehr dauern.

Es war bereits früher Abend und Harry war irgendwann eingenickt. Louis war noch nicht gefunden und er so müde, dass er sich schließlich nicht mehr gegen den Schlaf hatte wehren können.

Irgendwann streifte ein Luftzug seine Haut und Wärme strahlte von irgendwo her zu ihm hin. Im Halbschlaf öffnete Harry ein Auge, ohne wirklich zu sehen. Doch er spürte die Anwesenheit einer Person im Raum. Jemand flüsterte seinen Namen. Eine raue Stimme, die er kannte. Blinzelnd öffnete Harry die Augen und blickte in ein Augenpaar, dass er so lange vermisst hatte.

Grün traf auf Blau. Sein Herz stolperte.

„Louis, du bist da...", hauchte Harry und strahlte. Louis saß auf einem Stuhl an seinem Bett, nickte und lächelte, dann legte er Harry einen Finger an die Lippen und schüttelte den Kopf, damit er nichts mehr sagte. Langsam beugte er sich zu ihm herunter. Seine Augen huschten zwischen Harrys und seinen Lippen hin und her. Er konnte Louis riechen und sah die Sprenkler in den blauen Augen und endlich - endlich berührten sie sich auf die Weise, die Harry so lange hatte erleben wollen.

Sie küssten sich. Das Feuerwerk überblendete den Schmerz im Körper und Harry griff in Louis Haare, zog ihn näher an sich heran. Er war noch viel zu weit entfernt und musste näher kommen. Sie blieben vorsichtig und zärtlich und schlossen die Augen. Er schmeckte so gut, so anders und so richtig und Harry konnte nicht anders, als zu seufzen. „Endlich bist du da." Sie mussten beide lachen vor Glück und lösten den Kuss. Nase an Nase sahen sie sich in die Augen. „Versprechen eingelöst", sagte Louis und klang dabei genauso glücklich, wie Harry sich fühlte.

Langsam richtete er sich wieder auf und griff nach seiner Hand. „Du hast dich auf die Nase gelegt, hab ich gehört..." - „Ja...mit einem wunderbaren Resultat", seufzte Harry und schob die Bettdecke beiseite. Louis musterte die Streckschiene mit wissendem Blick. „Darf ich mir das ansehen?" - „Liebend gern. Deswegen habe ich dich holen lassen." Irritiert sah Louis ihn an: „Ich dachte, du hast mich holen lassen, weil du mich küssen wolltest." - „Das auch." Louis öffnete lächelnd die Klettverschlüsse der Schiene und löste sie langsam aus ihren Ösen. „Oh, das ist ja schon ganz schön dick. Kann ich es bewegen, ohne dass du Schmerzen hast?" Harry zuckte mit den Schultern und Louis versuchte es ganz vorsichtig. Es ging. Sein Knie fühlte sich durch die Schwellung jetzt an, als hätte man es mit Klebeband fest umwickelt und die Haut schien zu eng geworden zu sein.

Mit weichen Handgriffen tastete Louis nach den Schrauben. „Die müssen raus und ich muss die Bohrkanäle im Femur und Tibia verschließen. Aber das geht in einem Arbeitsschritt mit der neuen Plastik, wenn ich meine Methode anwende", sagte er und war wieder ganz in der Rolle des Arztes. Harry nickte, froh das zu hören. Wenn er operierte, dann mussten bei einem neuen Riss die Bohrkanäle in einer Op aufgefüllt werden, bevor man dann in einer weiteren das neue Kreuzband einsetzte. „Ich hab gelesen, dass du ohne Schrauben operierst." - „Ja, ich entnehme ein kleines Stück Knochen aus der Hüfte und verklemme damit das neue Band. Durch die körpereigenen Materialien wächst es viel schneller ein und der Heilungsprozess ist nicht so lang. Die Beschwerden nach einigen Jahren sind natürlich auch nicht vorhanden", erklärte Louis und warf Harry dabei immer wieder liebevolle Blicke zu.

„Ich bin so stolz auf dich", sagte Harry und seufzte: „Weißt du noch, als wir zum Konzert gefahren sind und du noch darüber nachgedacht hast, ob man unbedingt Schrauben braucht? Und jetzt hast du eine ganz eigene Methode erfunden." - „Ich wollte dir helfen. Das war die ganze Zeit schon mein Antrieb. Immer wenn ich in der Forschung einen Rückschlag bekommen habe, habe ich an dich gedacht und neuen Mut gefunden, weiter nach einer Lösung zu suchen. Hier, das hatte ich immer bei mir." Louis zog seinen Geldbeutel aus der Tasche, öffnete ihn und legte Harry ein kleines Foto in die Hand. Es war das Bild, das auf der Homepage des Krankenhauses abgebildet war. „Du hast ein Foto von mir dabei?" - „Ich liebe dich...seit drei Jahren...natürlich habe ich ein Foto von dir dabei." Die Selbstverständlichkeit mit der Louis das sagte, versetzte Harry einen Stich es schlechten Gewissens. „Und ich war nicht mutig genug damals einen Schritt auf dich zuzugehen. Das tut mir so Leid...ich fand dich nämlich damals auch sehr attraktiv und anziehend und hätte mich so gerne angenähert." - „Jetzt bin ich ja da und du warst mutig genug." Noch einmal beugte er sich zu Harry und küsste ihn.

Und dieses Mal war der Kuss nicht zärtlich und sanft, sondern fordernd und leidenschaftlich. Louis setzte sich auf die Bettkante und ließ es gerne zu, dass Harry eine Hand auf seinen Oberschenkel legte und ihn so nah an sich heranzog, wie es in dem schmalen Krankenhausbett nur möglich war. Die Schmerzen im Bein waren vergessen und Harry spürte in sich nur noch das heiße Pochen seines Herzens, das durch Louis Berührung nur noch beschleunigt wurde.

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt