Aus und vorbei

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Eure Kommentare zum letzten Kapitel waren der Knaller. Ich hätte gerne auf alle geantwortet, aber mittlerweile sind es so viele, dass ich nicht hinterher komme - ich hätte ja nie gedacht, dass ich das Mal sagen werde ;)

Ich lese aber alles und am Meisten freut mich, wenn sich Unterhaltungen ergeben. Cool dass ihr euch so gut versteht!
Danke!

.-.-.-.

Seine Familie sprach das Thema Anton nicht an und ließ Harry ihn Ruhe, wofür er sehr dankbar war. Was geschehen war, bekam er nicht sonderlich gut verarbeitet. Es war alles so schnell gegangen, dass er nicht genau wusste, was er fühlen sollte. Wenn er an Anton dachte, kribbelt es es noch in ihm, parallel dazu meldete sich sein schlechtes Gewissen, weil er wusste, dass er nicht gerecht gehandelt hatte.
So kannte er sich gar nicht. Normalerweise war er ein treuer Mensch und war überrascht davon, dass er dazu in der Lage gewesen war, Louis so schnell zu schreiben.
Er erkannte sich selbst nicht wieder.

Am nächsten Tag machte sich erst am frühen Abend auf den Weg zurück nach Birmingham. Während der Fahrt war es sehr still im Auto und es kam ihm komisch vor, dass der Beifahrersitz leer war. Auf der Hinfahrt, war er noch nicht allein gewesen.

Harry fühlte sich auch nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, jetzt in die Wohnung zurück zu kommen, wo noch Antons Sachen standen. Noch immer hatte er Bauchschmerzen, wenn er an die vergangenen Tage dachte. Bisher war sein Leben immer sehr geplant verlaufen und er hatte überall die Kontrolle gehabt und nun waren ihm zum ersten Mal die Zügel aus den Händen gerutscht und es war alles durcheinander geraten. Harry war das nicht gewohnt und er fühlte sich in einer solchen Situation ganz und gar nicht wohl.

In Birmingham angekommen, trödelte er noch ein wenig herum und versuchte sich davor zu drücken, die Wohnung zu betreten. Weil er nicht wirklich wusste, wie er damit umgehen sollte, dass sein Leben gerade eher einem Scherbenhaufen glich. Wie gerne würde er mit Jemandem sprechen, einfach um sich das ganze genauer vor Augen führen zu können.

„Harry, was machst du denn hier? Ich dachte du bist mit Anton zuhause", fragte Liam überrascht, als er ihm die Wohnungstür öffnete. Harry blinzelte ein wenig verwirrt, weil er gar nicht wirklich mitbekommen hatte, dass er zu Liam gefahren war und bei ihm geklingelt hatte. „Ich...", fing er an und stutzte. Liam hob eine Augenbraue, legte den Kopf schief und legte ihm die Hand auf die Schulter: „Komm erstmal rein...du siehst ja furchtbar aus." Er führte ihn in eine schmale Diele und dann ins Wohnzimmer. „Setz dich. Ich mache dir einen Kaffee. Willst du Sojamilch oder Mandelmilch in den Kaffee?" - „Schwarz, bitte", sagte Harry und streifte seinen Mantel ab. Liam ging in die kleine offene Küche und setzte Kaffee auf, dann kam er zurück und sah ihn besorgt an: „Was ist los? Du wirkst vollkommen durch den Wind und siehst aus, als hättest du tagelang nicht geschlafen." - „Ich hab mich mit Anton verlobt. Dann hat mir Louis geschrieben und dadurch habe ich erkannt, dass ich nicht mit vollem Herzen hinter der Verlobung stehen kann....und dann.... hab ich mich getrennt...bzw Anton hat sich von mir getrennt, als ich ihm das gesagt habe... und jetzt bin ich durcheinander", erzählte Harry monoton und Liam seufzte: „Und das alles ist jetzt über Weihnachten passiert?" - „Ja innerhalb von 24 Stunden..." - „Oh, dann verstehe ich, dass du so durch den Wind bist. Das ist scheiße." Harry nickte und die beiden schwiegen so lange, bis der Geruch den Kaffees den Raum erfüllte und Liam wieder aufstand, um Harry eine Tasse zu holen. „Wie geht's dir jetzt damit?", fragte er ruhig und Harry zuckte die Schultern: „Keine Ahnung, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe, oder nicht...mir ist das noch nie passiert, dass sich mein Leben so schnell geändert hat." - „Darf ich die SMS von Louis mal sehen? Vielleicht kann ich dann mehr dazu sagen", sagte Liam und streckte die Hand aus. Harry gab ihm das Handy – genau, wie er es Anton gegeben hatte und trank einen Schluck. Liam scrollte sich durch die Nachrichten und seine Augen huschten hin und her, als er las. „Ihr habt ganz schön viel geschrieben...", murmelte er und lächelte dann. „Also ich denke, dass Louis dir nach wie vor zugetan ist. Diese Nachrichten sprechen zumindest eine klare Sprache." Er gab ihm das Handy zurück und lehnte sich nach vorne: „So gerne ich Anton hatte – er hat wirklich gut zu dir gepasst – aber wenn ich diese Nachrichten zwischen dir und Louis sehe, dann glaube ich wirklich, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast. Ohne jetzt kitschig zu klingen, aber da sprühen ja in den SMS schon die Funken." Liams Augen waren warm und strahlten Harry an, der sich augenblicklich optimistischer fühlte. „Du meinst also, ich habe richtig gehandelt?", fragte Harry und sah Liam unsicher an. „Naja für Anton ist es ziemlich bescheuert, weil er sich verlobt und du ihn gedanklich abservierst, aber besser so, als dass ihr verheiratet wärt und dann Louis auftaucht und du Anton hintergehst." Entrüstet sah Harry seinen Physiotherapeuten an: „Das würdest du mir zutrauen?" - „Nein natürlich nicht. Du musst tun, was du für richtig hältst", lenkte Liam schnell ein. „Du bist niemand der seinen Partner betrügt. Aber mit dem Gedanken hast du ja gespielt, sonst hättest du nicht auf die SMS geantwortet." Harry nickte langsam und mit einem Mal ließ es sich nicht mehr vermeiden, dass ihm die Tränen in die Augen schossen. Sofort stand Liam auf, kam zu ihm und schloss ihn in die Arme. Zuerst wollte Harry abwehren, doch dann erkannte er, wie gut es tat und ließ es zu, dass Liam ihn tröstete. „Es tut mir so Leid. Anton hatte einen gemeinsamen Plan für uns und ich war ihm wichtig und ich... ich habe seine Gefühle einfach so mit Füßen getreten, das ist nicht fair. Ich liebe ihn und sollte ihm sowas nicht antun..." Er unterbrach sich, räusperte sich, um den Kloß im Hals wegzubekommen und wischte sich dann die Augen. Liam sah ihn forschend an, dann sagte er leise: „Ich glaube dir, dass du ihm niemals wehtun wolltest. Und ich glaube dir auch, dass du ihn liebst...aber du liebst ihn nicht genug, um dir sicher zu sein. Du hast Gefühle für Louis, die auch nach drei Jahren noch so präsent sind, um dich zweifeln zu lassen. Wenn du weitergemacht hättest, dann wäre das Anton gegenüber noch unfairer gewesen. Besser, die Sache ist jetzt vorbei, als dass du nicht mehr rauskommst und dann ist der Schaden für alle noch viel größer." Unschlüssig zuckte Harry mit den Schultern. Hoffentlich hatte Liam recht. Er selbst war gerade viel zu durcheinander, um jetzt ein richtiges Urteil fällen zu können.

„Anton hat ja auch alle Sachen bei mir...ich werde ihn sicherlich sehen, wenn er sie abholen kommt", überlegte Harry und atmete tief durch. Der Sauerstoff in seinen Lungen, beruhigte ihn ein wenig und die Gedanken waren nicht mehr ganz so verschwommen. Wenn Anton seine Sachen abholen kam, was er mit Sicherheit tun würde, könnte Harry ja eine extra Schicht im Krankenhaus schieben. Er wollte Anton nicht dabei zusehen müssen, wie er ihren gemeinsamen Hausstand auflöste. Zu lange hatten sie zusammen in der Wohnung gelebt und sich häuslich eingerichtet. Dass jetzt einer von ihnen beiden seine Sachen packen würde, war schwer vorstellbar und kaum zu akzeptieren. Nachdem Liam sicher war, dass Harry nicht noch einmal in Tränen ausbrechen würde, setzte er sich wieder auf seinen Platz und trank seinen Tee. Im Radio dudelte „Last Christmas" und der Text erinnerte noch mehr an Anton.

Last Christmas

I gave you my heart

but the very next day

you gave it away"

„Du kannst gerne Sylvester mit uns Feiern", bot Liam irgendwann an, doch Harry schüttelte nur den Kopf: „Danke, ich muss arbeiten, weil ich ja die Feiertage frei hatte", seufzte er und dachte missmutig daran, das neue Jahr in der Klinik einzuläuten. „Ich hab auch Schicht. Und Zayn auch. Wir wollten uns um Mitternacht auf dem Dach treffen und von dort wenigstens ein paar Raketen abschießen. Nach 12 wird sowieso wieder einiges los sein, wenn die ganzen betrunkenen Idioten kommen, die statt dem Böller, die Feuerzeuge weggeworfen haben." Ja, diese Fälle gab es jedes Jahr und auch dieses Jahr würden sie in der Nacht vom 31.Dezember auf den 1.Januar wieder einige Brandwunden und Explosionswunden verarzten müssen.

Doch das lenkte ihn wenigstens ab und Harry war froh, an diesem Tag arbeiten zu müssen.

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt