Kapitel 1

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Sechs Jahre später


Gähnend streckte sich Venus.

Die Sonne schien leicht durch einen Spalt zwischen den weißen Gardinen und erleuchtete das Zimmer in einem angenehmen warmen Ton. Unter ihrer Daunendecke fühlte sie sich geborgen und genoss die Atmosphäre, welche zu perfekt wirkte, als dass sie echt sein könnte.

Sie wagte es nicht, aufzustehen. Ihre Matratze war so schön weich. Mit noch halb geschlossenen Augen betrachtete sie die Zettel an der Wand über ihrem Schreibtisch und musste mit Frust feststellen, dass sie nur noch sieben Monate hatte, um ihr nächstes Buch zu schreiben. Sie hatte ihrem Verlag bereits den Termin zugesichert, ohne jedoch auch nur irgendeine Idee zu haben.

Bis auf ein paar Zettel mit grausigen Ideen war die Wand leer; eigentlich sollte die Wand übersät und ihr Kopf gefüllt sein, sie sollte eifrig am Schreiben sein und einen schmerzenden Nacken haben, doch bis auf den Nacken traf nichts der gleichen auf ihre momentane Situation zu. Sie kam sich vor wie Goethe. Goethe war ebenso frustriert wie sie.

Sie stellte fest, dass die Schatten ein wenig gewandert waren und stand zähneknirschend auf.

Kaum hatte sie sich bewegt, sprang ihre schwarze Katze Lucy von ihrem Bett und eilte in die Küche, wo sie auf Futter hoffte. Doch Venus ging nicht hinterher. Sie setzte sich auf ihre Bettkante und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Sie hatte noch immer den Schlaf in den Augen und täte alles, um wieder einzuschlafen, doch sie konnte nicht.

Es ertönte das Klacken von Krallen auf dem hellen Holzfußboden und mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit schoss die Ursache allen Übels um die Ecke. Es trabte, so elegant es ein Labrador nun mal möglich war, auf sie zu. Freudig wedelte er mit seiner Rute und ließ seine raue Zunge über ihr Gesicht gleiten.

"Ist ja schon gut Abby, wir gehen gleich eine Runde. Lass mich nur zuerst mich fertig machen und Lucy füttern", informierte sie den Hund ihrer Freundin, ehe sie sich erhob und noch einmal die Augen rieb.

Schlurfend trottete sie in ihre kleine Küche und fütterte die schwarze Katze. Als diese schnurrend fraß und den blaugrauen Welpen argwöhnisch gemustert hatte, ging Venus auf die Küchenzeile zu. Sie öffnete eine der dunklen Holztüren der Schränke und nahm sich eine Tasse sowie einen Teebeutel. Das Trinkgefäß stellte sie klirrend auf die graue Steinplatte, den Beutel ließ sie daneben fallen, ehe sie Wasser im Wasserkocher erhitzte. Teebeutel waren eine kleine rebellische Angewohnheit, welche sie nicht ablegen konnte. Zuhause hatte es immer nur Teeblätter gegeben. Richtigen Tee. Wenn man ihrem Vater Glauben schenken wollte.

Tief durchatmend drehte sie sich um und lehnte einen kurzen Moment gegen die steinerne Arbeitsplatte, bevor sie sich wieder von dieser abstieß und das Weinglas und den Wein, welchen sie gestern Abend getrunken hatte, von dem Küchentisch nahm und wegräumte. Sie erinnerte sich noch genau an den Geschmack. Es war guter Wein gewesen. Wie sehr sie doch guten Wein liebte. Durch ein Klicken wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie war leicht zusammen gezuckt und blickte nun den Wasserkocher für ein paar Sekunden stumm an. Als erwartete sie eine Entschuldigung von eben diesem.

Die Schwarzhaarige platzierte den Teebeutel in die große runde Tasse und goss das heiße Wasser auf die von Stoff umhüllten Kräuter. Den Wasserkocher stellte sie wieder weg und umschlang nun vorsichtig den weißen Griff des warmen Gefäßes mit ihren zierlichen Fingern. Leicht legte sie die andere Hand um die türkise Tasse und ließ sich auf einen der zwei hellen Holzstühle plumpsen. Die Tasse stellte sie auf die helle gemaserte Holzplatte des Tisches - direkt neben die Zeitung von Gestern- und zog ihre Beine auf den Stuhl. Abby setze sich zu ihrer Linken auf den Boden vor den Tisch und blickte sie mit großen Augen an, während Lucy den Stuhl gegenüber von Venus erklomm und sie aufmerksam beobachtete. So wie jeden Morgen.

Moriarty - Stayin' alive (BBC Sherlock FF)Where stories live. Discover now