Kapitel 41

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Am nächsten Morgen wachte ich noch immer genauso gut gelaunt wie gestern auf. Xemerius machte sich lauthals über mein erbärmliches Verhalten lustig, aber das interessierte mich herzlich wenig. Gideon hatte gesagt, er wollte das mit uns beiden noch mal versuchen. Ich war mir nicht sicher, ob das hieß, dass wir wieder eine feste Beziehung führten, aber im Grunde war das ja auch gar nicht wichtig. Das Wichtige war, dass er Zeit mit mir verbrachte, mich in den Armen hielt und mich küsste. Ein Glücksschauer lief mir über den Rücken und ich blieb einfach noch eine Weile im Bett liegen, um die schönen Momente des gestrigen Tages noch einmal zu durchleben. Solange bis Lucy wie ein aufgescheuchtes Huhn in mein Zimmer gelaufen kam und mich vorwurfsvoll fragte, ob ich vergessen hatte, dass ich zur Schule musste.

Diese war natürlich langweilig wie immer und ich konnte nicht anders als immer wieder auf mein Handy zu schauen. Gideon hatte gesagt, er würde sich melden. Wann genau hatte er nicht spezifiziert, aber ich hoffte, dass er sich nicht allzu viel Zeit damit ließ.

„Gwendolyn, gib mir bitte dein Handy", riss mich mein hundsgemeiner neuer Geschichtslehrer aus meinen rosaroten Träumen. „Ich habe nichts dagegen, wenn du das Handy ab und zu einmal rausholst, um auf die Uhrzeit zu schauen, aber wenn es dich davon abhält, dich auf den Unterricht zu konzentrieren, muss ich Konsequenzen ziehen."

Er streckte auffordernd die Hand nach meinem Handy aus. Ich seufzte und überlegte, ob ich ihm sagen sollte, dass es absolut gar nichts bringen würde, wenn er mir das Handy wegnahm, da meine Gedanken trotzdem am laufenden Band abschweifen würden. Da konnte er sich bei Gideon beschweren gehen. Doch da er sowieso nicht nachgeben würde, legte ich das Handy in seine Hand.

„Du kannst es dir nach der letzten Stunde wieder abholen."

Na toll. Leslie und Charlotte warfen mir mitleidige Blicke zu.

Nach der letzten Stunde lief ich direkt zum Sekretariat und holte mir das Handy mit einer Verwarnung wieder. Gideon hatte tatsächlich geschrieben. Drei Nachrichten. Mein Herz klopfte wie wild, als ich sie öffnete.

Hast du Lust heute nach der Schule mit zu mir nach Hause zu kommen? Hab einen Chronografen hier.

Er hatte einen der Chronografen mit nach Hause nehmen dürfen? Ich hatte angenommen, dass es eine Ausnahme gewesen war, als Paul ihn mit ins Krankenhaus und zu uns nach Haus genommen hatte als ich krank gewesen war. Aber wenn sie selbst Gideon den Chronografen anvertrauten, schien es wohl üblich für uns zu sein, woanders als in Temple zu elapsieren. Die zweite und dritte Nachricht waren dann deutlich kürzer und kamen etwa eine Stunde nach der ersten.

Gwen?

Ich warte nach der Schule auf dich.

Ich lächelte vorfreudig und zufrieden. Er wollte mich sehen, er hatte mich wieder Gwen genannt und mich sogar zu sich nach Hause eingeladen. Was wollte ich mehr?

Als ich das Schulgebäude verließ und mich von Leslie und Charlotte verabschiedete, sah ich an der Straße tatsächlich ein schwarzes Motorrad und einen dunkel gekleideten Mann mit braunem Wuschelkopf stehen. Ich empfand so ungeheuer viel Glück dabei ihn so zu sehen und nicht fürchten zu müssen, dass er mir den Kopf abriss, wenn ich zu ihm ging, dass ich beinahe vergaß, Charlotte zu umarmen.

„Pass auf dich auf, Gwenny", rieten die beiden mir unisono und ich nickte eifrig, hauptsächlich um sie zum Verstummen zu bringen.

Dann lief ich zu Gideon hinüber und musste mich dabei ziemlich zusammenreißen nicht zu rennen. Er stand lässig gegen sein Motorrad gelehnt und ich bemerkte erst jetzt, dass da noch jemand neben ihm stand. Er redete mir Raphael.

MondsteingrauWhere stories live. Discover now