Kapitel 33

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Wir verharrten einige lautlose Sekunden in dieser Position, dicht an dicht gepresst. Ich spürte Gideons eindringlichen Blick über mein Gesicht wandern, wagte es aber nicht ihn ebenfalls anzuschauen. Zu sehr fürchtete ich, dass Paul jeden Augenblick die Tür aufreißen und Gideon hier erwischen würde. Doch dann erschien auch endlich das dunkle Aufblitzen von Pauls Turmalin und ich sackte vor Erleichterung förmlich in mich zusammen. Xemerius applaudierte im Nebenraum.

Dann trat ich hastig aus Gideons halber Umarmung und zwang mich, ihn anzusehen. Er wirkte eindeutig belustigt. Und dieser verdammte Drei-Tage-Bart stand ihm genauso eindeutig gut. Außerdem sah er weniger fertig aus als gestern, worüber ich froh war. Was für ein Arschloch er auch sein mochte, ich konnte es nicht haben, wenn es ihm schlecht ging.

„Hi", begrüßte ich ihn, ein wenig atemlos.

Ein träges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Hey. Was hast du ihnen erzählt?"

„Gelogen hat sie, du Mistkerl! Ihre eigenen Eltern angelogen, nur damit sie dich treffen kann. Ich hoffe für dich, dass du jedenfalls ein schlechtes Gewissen hast!", krächzte Xemerius und flog nun durch die geschlossene Tür, um einen anklagenden Finger auf Gideon zu richten. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen.

„Dass ich nochmal aufs Klo muss", erwiderte ich. „Wie geht es deiner Schulter?"

Ich musterte die Stelle, die gestern geblutet hatte, doch Gideon machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Halb so wild. Ich werde die Schlinge bald abnehmen können."

Er rollte die Schultern probeweise und tat, als hätte er keine Schmerzen, doch mir entging es nicht, dass er kurz die Zähne zusammenbiss. Ich seufzte.

„Du musst mir nichts vormachen, Gideon", sagte ich und hätte beinahe die Hand nach ihm ausgestreckt, um ihm über die Wange zu streicheln. Ich konnte mich im letzten Moment davon abhalten und legte stattdessen die Hand auf die Türklinke, damit wir hier verschwinden konnten.

Gideon zog eine Grimasse, als er sich neben mich an den Tisch stellte.

„Gut, es tut noch ein bisschen weh, ein bisschen mehr wieder seit gestern, aber wenn ich den Arm die nächsten Tage lang schone, sollte ich mich spätestens nächste Woche wieder uneingeschränkt bewegen können", berichtigte er.

Schon wieder bekam ich einen Anflug schlechten Gewissens. Er hatte den Arm gestern wegen mir bewegt, weil ich vollkommen durchgedreht war. Nicht, dass es nicht berechtigt gewesen wäre.

„Du hattest wahrscheinlich nicht vor, deinen Eltern hinterherzuspringen?", fragte er, als er sich am Chronografen zu schaffen machte. Schon wieder lag ein amüsierter Ausdruck auf seinem Gesicht, der irgendwie . . .schelmischer war, als ich es von ihm gewohnt war.

„Gwenny, mach bloß keine Dummheiten da in der Vergangenheit! Redet so viel ihr wollt, aber ich kann es riechen, wenn ihr ins Heu springt! Oder noch schlimmer . . ."

„Ach, sei leise!", unterbrach ich ihn. Oh. Ich hatte mal wieder vergessen, dass Gideon ihn nicht hören konnte. Dementsprechend verwirrt schaute er mich jetzt auch an.

„Ich kann's ja verstehen, dass du immer noch sauer auf mich bist, aber ich hab nichts gesagt", sagte er sehr, sehr langsam.

„Ich rede ja auch mit Xemerius. Er schwebt über deinem Kopf und durchbohrt dich mit Todesblicken", antwortete ich und biss mir auf die Unterlippe. Wieder einmal zu viele Informationen für einen leichten Neustart.

Gideon hob den Kopf und blickte sich suchend um, bis sein Blick wieder auf mir zu ruhen kam. Ich hatte das Gefühl, dass er mich vor zwei Wochen noch ausgelacht hätte, doch nun musterte er mich nur eindringlich, als versuchte er meine Gedanken zu lesen. Dann wurde sein Blick plötzlich hart.

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