Kapitel 26

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Am nächsten Morgen war die Erinnerung an mein erstes Zusammentreffen mit Gideon diejenige, die sich am stärksten in mein Gedächtnis hineingebrannt hatte. Er hatte ziemlich knuffig mit 15 ausgesehen. Aber offensichtlich war er damals schon nicht der umgänglichste Charakter gewesen.

Trotz der Auseinandersetzung zwischen Paul und Gideon gestern ging es mir zur Abwechslung mal richtig gut, als ich aus dem Bett kletterte. Ich konnte es kaum abwarten Leslie . . . und ja, zugegebenermaßen auch Charlotte von den Ereignissen zu erzählen.

Lucy brachte mich zur Schule und Edwin in den Kindergarten. Am Nachmittag würde ich mit ihr und Paul zusammen elapsieren. Die beiden hatten mich darum gebeten und obwohl ich eigentlich gerne ein zweites Mal mit Gideon springen würde, wollte ich ebenso gerne Zeit mit meinen Eltern verbringen.

Da ich heute ein wenig früh dran war, ging ich schon mal in den Klassenraum, um dort auf Leslie und Charlotte zu warten. Außer mir waren schon ein paar andere da und es sah ganz danach aus, als würde Cynthia ihre zweite Runde drehen und sich vergewissern, dass auch wirklich alle zu ihrer Party heute Abend kommen würden.

„Hey Gwendolyn! Bist du heute Abend dabei? Und Leslie? Charlotte und Raphael können natürlich auch kommen", bot sie liebenswürdigerweise an, als sie vor meinem Tisch zum Stehen kam.

„Klar, wir sind dabei", antwortete ich.

Im Nachhinein fragte ich mich, warum ich zugesagt hatte. Bis jetzt hatten Cynthias Partys noch nie zu etwas Gutem geführt, weder in meinem alten noch in meinem neuen Leben. Doch ich war im Moment einfach so gut gelaunt, dass ich richtig Lust hatte mit meinen Freunden zusammen feiern zu gehen.

Charlotte war die erste, die sich blicken ließ, und obwohl es sich immer noch reichlich ungewohnt anfühlte sie zu umarmen und keinen Grund zu finden sie zu hassen, freute ich mich sie zu sehen. Das war eindeutig die andere Gwen, die hier durchkam. Als schließlich auch Leslie kam, erzählte ich den beiden, dass ich Cynthia für heute Abend eine Zusage gegeben hatte. Die beiden tauschten einen leicht verblüfften Blick aus, doch schienen sich zu freuen, dass ich so offensichtlich gute Laune hatte.

Der Rest meiner Berichterstattung musste bis zur Pause warten, da es in diesem Moment leider klingelte. Allerdings hatten sie sowieso schon Lunte gerochen, wie es sich anderthalb Stunden später herausstellte. Bevor ich ihnen allerdings auch nur die Hälfte von unserem Gespräch hatte erzählen können, tauchte Raphael plötzlich auf.

„Oh Gott, der hat sich echt zu einer richtigen Klette entwickelt", stöhnte Leslie leise, sodass nur ich es hören konnte.

„Sei nicht so gemein, Leslie", mahnte ich sie. „Ihr wart mal zusammen."

Der letzte Satz war mir so herausgerutscht und traf nicht ganz auf die Begeisterung, auf die ich gehofft hatte.

„Was?", stieß Leslie fassungslos aus, nun ganz und gar nicht mehr leise.

„Scht", machte ich, da Raphael uns nun beinahe erreicht hatte.

Er und Charlotte warfen uns einen verwirrten Blick zu und lächelten sich dann ein wenig scheu zu. Scheu. Raphael. Und Charlotte. Mir fiel nicht mal ein, was ich dazu sagen sollte.

„Hi", begrüßte uns Raph und blieb mit den Händen in den Hosentaschen vor uns stehen.

Gut, er war zwar ein kleiner Streber geworden, aber ich fand nicht, dass Leslie Grund hatte, so erschrocken zu reagieren. Schließlich sah er noch immer fast genauso gut aus wie sein großer Bruder. Aber ich musste zugeben, dass mir seine blöden Sprüche schon ein bisschen fehlten.

„Geht ihr heute Abend zu Cynthia?", fragte er dann mit einem schiefen Lächeln, das Gideons so ähnlich sah, dass es meinem Herz einen kleinen Stich versetzte.

MondsteingrauWhere stories live. Discover now