Ich hörte Micha die Treppe hoch kommen, mit jedem Schritt kam ich meinem Tod näher und ich beschloss fest, wenigstens darum zu betteln, dass er vielleicht mit jemandem sprechen konnte, der meinen Tod wenigstens nicht allzu qualvoll machte. Wegrennen würde ich nicht, das wusste ich, schon sich zu verstecken war undankbar und ungehorsam.

Die Schlafzimmertür öffnete sich und Master Michael betrat den Raum.

"Manu? Ganz ruhig. Komm doch raus.", lockte er mich, doch ich hatte beschlossen, jede Sekunde herauszuzögern, die ich so länger leben durfte. Ich ragierte nicht, auch wenn alles in mir diesem Ungehorsam widersprach.

"Manu komm", er ging vor dem Bett in die Hocke, "Ich weiß, wo du bist. Deine Schwanzspitze ist zu sehen. Weinst du?"

Wieder schniefte ich, während Micha nun kurzerhand nach meinem Fußgelenk griff und mich daran unter dem Bett hervorzog. Ich kämpfte, schlug, trat und kratzte wild um mich, versuchte, wieder in mein Versteck zu fliehen, doch all das nützte mir nichts. Micha sah mich besorgt an, während er mich immernoch mit einer Hand festhielt. Ich wimmerte leise, erwartete nun, vor meiner Rückgabe sogar noch für mein Ungehorsam bestraft zu werden. Micha jedoch zog bloß so vorsichtig es ging das Paketband von meinem Mund, wovon er sich auch nicht abhalten ließ.

"Manu, was ist los?"

Er klang ratlos, doch aus mir sprudelte es bloß so heraus., während ich mir gleichzeitig die Hände vor den Mund schlug.

"Ich will euch nicht anstecken mit dem Virus. Es tut mir leid, dass Ihr nun wegen mir noch einmal den weiten Weg fahren müsst, um mich zurückzugeben. Aber bitte, ich flehe euch an, bei allem, was ich habe."

Ich hatte mich auf den Boden geworfen und begann, zwischen jedem Wort über die Schuhe meines Besitzers zu lecken, um meine Unterwürfigkeit noch einmal zu verdeutlichen.

"Ich gebe Euch alles, was ich habe, meinen Körper, der Euch eh schon gehört, nehmt ihn euch einfach, nehmt mich. Ich kann auch zwei gleichzeitig befriedigen, oder drei. Oder mehrmals hintereinander. Ich kann eine Schlampe für euch sein, wenn auch eine schlechte und wertlose. Ich tue, was immer Ihr verlangt, solange Ihr mich noch habt, aber ich flehe euch an, legt ein gutes Wort für mich ein, bittet sie, mir die Pulsadern aufzuschneiden oder den Kopf abzutrennen. Bitte. Ich flehe Euch an, bei allem, was mir etwas mehr bedeutet. Ich bin es nicht wert, einen einfachen Tod zu sterben und meine Zeit reicht nicht mehr, um ihn mir zu verdienen, aber bitte! Zeigt Gnade!"

Inzwischen kniete ich tief vor Micha, den Oberkörper und die Stirn flach auf den Boden gedrückt, unterwürfig und bettelnd. Mein Master schien vollkommen perplex.

"Manu, was ist los? Warum willst du sterben? Das Virus ist nicht so schlimm. Ich werde niemanden bitten, dich zu enthaupten oder dir die Pulsadern aufzuschneiden!"

Nein. Nein. Nein. Er würde es nicht machen. Es war ihm egal, wie ich verendete, ob ich mich zu Tode quälte oder es einfach nur schnell vorbei war. Mehr noch. Er wusste, dass ich es nicht verdient hatte, eine Sonderbehandlung zu bekommen und einfach mit den anderen zusammen sterben würde. Wie es wohl enden würde? Obwohl man Katzen wie uns normalerweise ertränkte, tippte ich auf Feuer. Das ging einfach und war billig, man steckte uns einfach gemeinsam in einen Raum, mit ein bisschen brennbarem Schrott, um das Ganze zu beschleunigen, und zündete es an. Dann musste man nicht mehr allzu lange warten. Außerdem war es das hygienischste, wenn wir alle infiziert waren, alle Krankheitserreger starben dadurch ab. Bloß für uns war es die schlimmste Möglichkeit, bei lebendigem Leib verbrennen. Wenn man Glück hatte, starb man schnell. Ich hoffte, ich würde ersticken, bevor die Flammen mich verbrennen konnten. Mein Schweif würde wohl als erstes Feuer fangen, es würde fürchterlich stinken. Und auch die, die gar nicht krank waren, würden mit getötet werden, es wäre zu viel Arbeit und viel zu teuer, alle untersuchen zu lassen.

Ich zitterte, während Micha mich hochhob, die Treppe hinunter trug und erst im Flur wieder auf den Boden setzte.

"Keine Angst, Manu. Das Virus ist nicht tödlich. Wir fahren jetzt direkt los und werden dich behandeln lassen."

Micha hakte die Leine bei mir ein und wartete, bis ich ihm zögerlich folgte. Dann hob er mich wieder hoch und setzte mich auf den Kofferraumrand, wo ich in den inzwischen so bekannten Transportkäfig kroch und beobachtete, wie Micha die Türe schloss und den Rigel zuschob, bevor er die Kofferraumtür auch schloss. Schweigend fuhren wir eine Weile, ich wagte es erst nicht, meinen Master anzusprechen, doch irgendwann beschloss ich, dass es eh schon egal war. Ich war eh totgeweiht und jede Strafe würde es bloß verzögern. Ein paar Sekunden mehr zum Leben.

"Suchst du dir einen Neko aus, der nicht so kaputt ist?"

Micha erwiderte nichts, konzenteierte sich aufs Fahren. Ich weinte stumm. Wie lange mir wohl noch blieb? Drei Stunden? Zwei?

"Tut mir leid, dass du ausgerechnet mich gewonnen hast. Ich hätte damals nicht anfangen dürfen, wieder zu reden. Dann hättest du einen besseren Neko gekauft und ich hätte mir keine Hoffnungen machen müssen. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, dort zu sein und dort einfach nicht wegzukommen? Nie länger als drei, vier Wochen rauszukommen, nur um dann festzustellen, dass es in der kurzen Zeit noch viel schlimmer dort geworden ist und jedes Mal in eine noch grausamere Hölle zurück zu müssen. Vielleicht ist es gut, wenn es endlich vorbei ist. Wenn ich dort nicht mehr bleiben muss. Der Tod ist um einiges besser als das da."

"Manu, stopp mal. Wovon redest du eigentlich?"

Ich ging nicht auf ihn ein.

"Wusstest du, dass ich dich immer bitten wollte, wenn du mich nicht mehr willst, mich zu töten und mich nicht zurückzubringen?"

"Manu."

"Ich würde von ihnen das Geld verlangen, dass ich dich gekostet habe. Meine Beine und so. Tut mir leid, dass ich so teuer war."

"Stopp. Manu. Jetzt hör mir mal zu. Ich weiß nicht, was du von mir denkst, aber ich werde dich nicht zurückbringen. Und ich werde dich auch nicht umbringen lassen. Wie kommst du darauf? Wir werden jetzt zu einem guten Tierarzt fahren, da wo wir auch mit deinen Beinen waren, und dich untersuchen lassen. Vielleicht bist du gar nicht betroffen. Und wenn doch, werde ich dich trotzdem nicht zurück bringen. Ich kann dich doch genauso gut hier behandeln lassen. Bei mir. Wo ich ein Auge auf dich haben kann. Und vor allem auf die Leute, die mit dir zu tun haben. Du hast schon genug Scheiße erlebt. Es reicht irgendwo."

Mein Kopf versuchte gerade noch, zu realisieren, was Micha gesagt hatte. Ich würde nicht sterben. Ich durfte leben.

Ich hatte aufgehört zu weinen, dafür starrte ich ungläubig und regungslos durch die Gitterstäbe auf die Innenseite der Kofferraumtür. Nicht einmal, dass das Auto hielt, bekam ich mit, erst, als Micha den Kofferraum und den Käfig öffnete und die Leine erneut an meinem Halsband einhakte, erwachte ich wieder aus meinem tranceartigen Zustand. Wortlos krabbelte ich aus den Kofferraum, nur um direkt darauf meine Arme um Master Michas Hals zu schlingen und mich an ihn zu pressen. Wieder weinte ich stumm, doch dieses Mal aus purer Erleichterung.

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Jaaaaaaaaaaa. Ich bin böse. Ich weiß.

Ich hatte dieses Kapitel vor 5 Monaten geschrieben und endlich ist die Geschichte so weit.

Was denkt ihr? Ist Manu infiziert? Und wenn ja, wie wird es weitergehen?

Könnt ihr seine Reaktion auf die Nachricht verstehen?


Und wir sind auf Platz #38. Was denkt ihr, welcher Platz wird es morgen sein? Sollte es jemand als einziger richtig raten, wird ihm das nächste Kapitel gewidmet.

Better Life ~ #ZomgerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt