32. Krank

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PoV Manu

Wie hypnotisiert sah ich auf den Fernseher vor mir, vor dem Micha mich abgesetzt hatte, als er mit Melina zum Kinderarzt hatte müssen. Seitdem hatte ich nichts getan, als den bunten Bildschirm zu beobachten und die Stimmen daraus zu hören, auch wenn ich das meiste vom Sinn her nicht verstand. Dann aber hatte es umgeschalten und zuerst war ich erschrocken, hatte Angst gehabt, dass ich etwas falsch gemacht hatte, doch dann hatte ich Bilder gesehen, die mich das sofort hatten vergessen lassen. Dort, auf dem Bildschirm, war der Händler zu sehen, von dem Micha mich damals geholt hatte. Sofort stieg Panik in mir auf und ich schlug meine Hände vors Gesicht, sodass ich es nicht mehr sehen musste. Warum war das da?

Ich verstand zwar nicht alles von dem, was dort im Fernseher erzählt wurde, aber das, was ich verstand und der Rest, den ich mir zusammenreimte, reichte. Trotzdem dauerte es einige Sekunden, bis ich wirklich verstand, was dort gesagt worden war.

Bei dem Händler wurde ein Virus entdeckt, dass sich schon länger unter den Nekos da ausgebreitet hatte. Es war zwar weder für uns noch für die Menschen tödlich, aber es tat sehr weh. Die Kunden wurden nun aufgerufen, jeden Neko, der dort im letzten halben Jahr gekauft worden war, zurückzubringen, sie würden natürlich ihr Geld zurück bekommen und als Entschädigung zehn Prozent auf den Kauf eines nächsten Nekos. Die abgegebenen Halbkatzen würden dann dort geheilt werden.

Noch in dem Moment, in dem ich das hörte, wusste ich, dass es gelogen war. Wir wurden noch nie geheilt, wenn wir krank wurden, man wurde entsorgt. Die Nekos die dort hingebracht wurden wurden alle getötet. Und ich war einer von ihnen. Wahrscheinlich hatte Master Michael es schon gesehen oder gehört, er würde sofort zurückkommen, meinen Mund mit Klebeband verkleben, dass ich niemanden ansteckte, so wie es immer gemacht wurde, wenn einer von uns krank war, und mich zurück bringen. Dann würde ich getötet werden und er einen besseren Neko bekommen.

Ich wusste nicht, wie alt ich war, aber ich wusste, dass ich nicht mehr viel älter werden würde. Ich hoffte, dass sie uns dort wenigstens die Pulsadern durchschneiden oder den Kopf abtrennen würden, ein schneller Tod, und nicht grausam ersticken, ertränken oder gar verbrennen würden. Ich wusste aber auch, dass meine Chancen dazu schlecht standen. Zu viel Sauerei, zu viele Keime. Vielleicht, wenn Micha sie darum bitten würde? Bezahlen würde er dafür sicher nichts, schließlich konnte es ihm egal sein, aber vielleicht würde er versuchen, mit ihnen so zu reden, wenn ich ihn darum bat.

Im selben Moment aber wurde mir bewusst, dass ich gar nicht sterben wollte. Micha durfte mich nicht zurück bringen. Panisch sprang ich auf, während bloß ein Gedanke mein Denken beherrschte. Weg hier. Halb humpelte, halb krabbelte ich zur Treppe, wo ich mich nach oben und weiter in Master Michaels Zimmer schleppte, wo an der einen Wand mein Körbchen stand. Panisch sah ich mich um. Ich durfte Micha nicht anstecken und die Kinder erst recht nicht. Ich mochte sie so gerne und wollte nicht, dass sie krank wurden. In einer der Schubladen des Schreibtisches fand ich schließlich Paketklebeband, das ich großzügig über meinen Mund klebte, bis ich hoffte, dass es reichen würde, um niemanden anzustecken. Am liebsten hätte ich noch mehr getan, aber ich wusste nicht, was man in so einem Fall normalerweise machte. Das hier war die erste und meist einzige Maßnahme, die bei uns ergriffen wurde, wenn jemand krank wurde. Nicht selten wurde er nur wenige Tage später tot gefunden. Man glaubte gar nicht, woran man alles sterben konnte.

Im selben Moment, in dem ich unten die Tür hörte, Melinas leichte Schritte aber ausblieben, wusste ich, dass es vorbei war. Micha wollte seine Tochter nicht zusehen lassen, wie er ihr Haustier wegbrachte. Ich war so gut wie tot. Panisch sah ich mich nach einem Versteck um, das mein Leben vielleicht verlängern konnte, auch wenn es nur für ein paar Sekunden war, bevor ich in einer Kurzschlussreaktion einfach unters Bett kroch. Dort presste ich mich zitternd gegen die Wand, während mein Körper leise schluchzte und ich bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte. Ich weinte.

Better Life ~ #ZomgerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt