Kapitel 19: Vorbei

500 39 10
                                    

Zuerst ist da Angst und Sorge in seinen Augen.
"Eden? Was zum...", sein Blick huscht über sie hinweg. Wie sie da steht, schnell atmend, über und über mit Blut besudelt und das tropfende Messer in der Hand. Dann wandert sein Blick zu den drei Sterbenden. Er erkennt Claudia, Ched und Amy. Sein Blick fällt zurück auf Eden.

Jetzt ist da keine Sorge mehr. Sein Verstand fügt die Puzzleteile zusammen und das Bild, welches sich ergibt, gefällt ihm ganz und gar nicht. Drei sind geflüchtet. Nachdem sie Medikamente gestohlen haben. Eden ist jetzt hier draußen. Und zu ihren Füßen liegen drei Tote. Alles an seiner Körperhaltung, alles in seinem Blick, schreit nach Verrat. Das Bild auf dem Puzzle zeigt Verrat.
"Was hast du nur getan?", fragt er tonlos und für einen Moment liegt in seinen Augen ein solcher Schmerz, als hätte sie ihm das Messer ins Herz gestoßen. Dann werden sie kalt. Eiskalt.

"Arat! Nimm ihr die Waffen ab, durchsuch sie und bring sie zurück ins Santuary. Gefesselt. Dort wartest du auf mich."
Die pflichtbewusste Arat, die noch nicht allzu lange dabei ist, macht sich sofort ans Werk. Sie reißt Eden das Messer aus der Hand und klopft dann unsanft ihren Körper ab.
"Simon! Du stellst dir eine Gruppe zusammen und durchkämmst den Wald nach diesem Hurensohn und seinen Schlampen. Findet sie. Ich will sie lebend."
Simon nickt und zückt sein Funkgerät.
"Keith und Joey! Euer erster Einsatz! Kümmert euch um diese verdammte Schweinerei hier!"
Negan bellt all diese Befehle, ohne seinen bohrenden Blick auch nur eine Sekunde von Eden zu nehmen. Arat zerrt mittlerweile ihre Hände auf den Rücken und zurrt ein Seil an ihren Handgelenken fest. Dann stößt sie sie unsanft nach vorne. Eden setzt sich widerstandlos in Bewegung. Als sie an Negan vorbei kommen, streckt er auffordernd die Hand aus. Arat legt einen zusammengefalteten, knittrigen Zettel in seine Hand. Edens Skizze. Er nickt und Arat verpasst Eden erneut einen Schlag in den Rücken. Sie stößt sie in den Wagen und lässt sich selbst auf den Fahrersitz fallen. Als Eden aus dem Fenster sieht, faltet Negan gerade das Papier auseinander. Eine seiner Augenbrauen hebt sich. Dann starrt er zu Eden in den Wagen. Zum Glück fährt Arat in diesem Moment los. Sonst hätte er wahrscheinlich die Tür aufgerissen, sie herausgezerrt und ihr dann den Schädel eingeschlagen.

Die ganze Fahrt über, überlegt sie fieberhaft, wie sie es ihm erklären soll. Wenn er sie überhaupt erklären lässt. Für ihn ist der Sachverhalt klar. Er kann ja nicht wissen, was diese Ratten vor ihrem Tod besprochen haben. Was sie vorhatten. Es war dämlich, sie alle umzubringen. So hätte man sie befragen können. Und Eden hat keine Ahnung, wer noch dazu gehört, wer noch in die Pläne eingeweiht ist. Vielleicht Wilson und Marcus. Vielleicht wollten die sich aber auch erst an der After-Show-Party beteiligen.
Ihr Hirn ist wie leergefegt, ihr fällt einfach keine gute, schlüssige Erklärung ein. Sie wird ihm einfach die Wahrheit sagen und muss dann eben hoffen, dass er ihr glaubt. Wenn er sie überhaupt erklären lässt.

Arat drückt Eden auf einen Stuhl vor Negans Zimmer. Dann steht sie einfach schweigend da und wartet. Ihr ausdrucksloses Gesicht zeigt keinerlei Regung. Ihr geht die ganze Sache scheinbar ziemlich am Arsch vorbei, sie macht einfach ihren Job. Dann hört Eden einen Knall. Dann noch einen. Es ist Negan der da lautstark angerauscht kommt. Und, Himmel, er sieht noch wütender aus als vorhin. Er gibt Arat ein kurzes Zeichen und packt Eden am Kragen ihrer Jacke als wäre sie ein Bündel Lumpen. Arat spaziert gelassen davon und schaut sich nicht ein einziges Mal um.

Er zerrt sie hinter sich her. Sie muss aufpassen, dass sie nicht das Gleichgewicht verliert und auf die Nase knallt. Er ist stinksauer, spätestens jetzt hat sie daran keinen Zweifel mehr. Er stößt die Tür zu seinem Zimmer auf und sie dann unsanft hinterher. Die Tür knallt lautstark ins Schloss und er rauscht an ihr vorbei wie ein Orkan.
"Scheiße!", brüllt er und fegt einen Stapel von seinem Schreibtisch. Eden zuckt erschrocken zusammen. "SCHEIßE!" Jetzt schmeißt er den ganzen Schreibtisch um. Er drischt mit Lucille auf den Tisch ein. Holz splittert. Er ist nicht nur wütend. Er hat komplett die Beherrschung verloren. Sie weicht instinktiv zurück. "Verdammt, Eden, was soll die verfluchte, verfickte Scheiße?", brüllt er erneut.
Sie steht da und weiß nicht, wo sie beginnen soll.
"Lass mich erklären...", beginnt sie vorsichtig.
"Erklären? Was willst du mir erklären? Hast du meine Sachen durchwühlt, um da ran zu kommen?" Er hält den zerknitterten Zettel mit Edens Skizze hoch.
"Ja, aber..."
"Hast du diesen Wichsern geholfen, mich zu bestehlen und dann abzuhauen?"
"Ja, ab..."
"Warst du dort gerade dabei, meine Leute umzubringen?"
"Ja, a..."
"DANN SCHEIß ICH VERFLUCHT NOCH MAL AUF DEINE ERKLÄRUNGEN. ICH SCHEIß AUF ALLES, WAS AUS DEINEM VERLOGENEN MAUL KOMMT!"
Da ist nicht nur Wut in seinen Augen. Da ist auch Enttäuschung. Und verletzter Stolz. Eden hebt besänftigend die Hände.
"Lass mich doch mal aussprechen, dann..."
Er stürmt auf sie zu, seine Hand legt sich um ihre Kehle wie ein Schraubstock. Sie prallt mit dem Hinterkopf an die Wand. Seine andere Hand, die die Lucille umfasst, schnellt hoch. Er will es tun. Mordlust blitzt in seinen Augen auf.
"ICH HAB DIR VERTRAUT! ICH HAB..." Im letzten Moment hält er sich zurück. Da ist eine Menge Schmerz in seinen Augen. Er ist verletzt. Er denkt, sie hat ihn verraten. Eden versucht etwas zu sagen, aber er drückt ihr die Luft ab und sie japst nur hilflos.
"ICH HAB DICH BESSER BEHANDELT, ALS JEDEN ANDEREN HIER! UND WIE DANKST DU ES MIR? DU INTRIGIERST GEGEN MICH, BESTIEHLST UND VERARSCHT MICH!" Sein ganzer Körper bebt. Langsam wird ihr die Luft knapp. Sie versucht seine Hand von ihrem Hals zu zerren, aber es ist, als würde sie gegen Granit schlagen. Er starrt sie an und jetzt ist da nur noch Hass.
Mit einem Ruck lässt er ihren Hals los. Eden sinkt auf die Knie und zieht röchelnd die Luft in ihre Lunge. Luft. Atmen. Sie zittert am ganzen Körper. Atmen.
"Du hinterhältige, intrigante Schlampe.", knurrt er hasserfüllt, "Wie konnte ich mich so in dir täuschen?"
Sie kann noch nicht sprechen, ihre Kehle ist immer noch wie zugeschnürt.
"Du hast mich die ganze Zeit verarscht, nicht wahr? Die ganze Zeit! 'Oh, Negan, halt mich fest in deinen starken Armen!' Das war alles Show. Theater. Lüge. Nicht wahr?", höhnt er. So hat sie das bestimmt nicht gesagt. Aber es ist wohl kaum ratsam, ihn darauf hinzuweisen.
Sie kann jetzt wieder atmen. Zitternd zieht sie die Luft ein und steht dann auf.
"Nein, war es nicht.", sagt sie und ihre Stimme klingt noch ein wenig schwach, "Negan. Ich..."
Er hebt die Hand. Für einen Moment sieht es aus, als wolle er sie schlagen. Dann schüttelt er den Kopf.
"Ich will's nicht hören. Ich will, dass du verschwindest."
"Okay. Ich gehe. Und wenn wir uns morgen beruhigt haben..."
"Nein!", sagt er, "Nein! Du hast das falsch verstanden. Ich will, dass du endgültig von hier verschwindest. Aus dem Sanctuary. Aus meinen Augen."
"Du willst mich rausschmeißen?"
"Aber sowas von!" Er lacht. Es hat aber so gar nichts Fröhliches, gar nichts Gutes. Es ist eher ein Zähnefletschen. "Oder willst du das jetzt nicht mehr? Hast du nicht die ganze Zeit deswegen Theater gemacht?"
Eden starrt ihn fassungslos an.
"A-aber... ich bin schwanger. Wenn du mich rausschmeißt ist das ein gottverdammtes Todesurteil!", entfährt es ihr.
"Das hättest du dir mal vorher überlegen können. Bevor du deine Intrigen gesponnen hast."
"Negan..."
"Ich will verfickt nochmal drauf verweisen, dass das noch eine sehr milde Strafe ist. Wenn es überhaupt eine Strafe ist, schließlich ist es das, was du immer wolltest. Für diesen Verrat, für das was du getan hast, müsste ich dich töten. ALSO WAG ES NICHT, DICH ZU BESCHWEREN!"
Eden kann nicht anders, sie schnaubt voller Verachtung. "Ja, verdammt großzügig. Das wird bestimmt total super da draußen mit deinem Balg!"
Jetzt kommt der Zorn zurück.
"FICK DICH! KOMM MIR JETZT NICHT MIT DER SCHEIßE! ES IST MIR SCHEIßEGAL, WIE DU DAS MACHST. DU WOLLTEST ES DOCH EH NICHT, ALSO VERFÜTTER ES VON MIR AUS AN DIE BEIßER! UND: FICK! DICH!"

Was soll sie darauf noch sagen? Es ist vorbei. Sie wendet sich zum Gehen.
"Du kannst noch dein Zeug einpacken. Hörst du? Dein Zeug. Keine Lebensmittel, keine Medikamente. Nur den Scheiß, den du mit hergebracht hast."
Sie ist an der Tür.
"VERSCHWINDE, DU VERLOGENE FOTZE! UND ICH WARNE DICH: WENN DU MIR ODER MEINEN LEUTEN IRGENDWO, UND SEI ES AUS ZUFALL, BEGEGNEST, DANN SCHLAG ICH DIR HÖCHSTPERSÖNLICH DEN SCHÄDEL EIN.", brüllt er ihr hinterher.
Jetzt reicht's! Sie dreht sich zu ihm um. Auch sie bebt jetzt vor Wut.
"Du hast mir vertraut? Warum hast du mir dann nachspioniert, hm? Und diese Leute, die ich umgebracht habe- die wollten dich und mich und unser Kind umbringen. ALSO FICK DU DICH, DU DÄMLICHER WICHSER!" Sie knallt die Tür hinter sich zu. Er brüllt ihr hinterher. Dann knallt es, etwas splittert. Dann noch einmal. Hat er ihr gerade ernsthaft hinterher geschossen? Sie dreht sich nicht noch einmal um, sondern rennt so schnell sie nur kann in ihr Zimmer.

The Girl With The Bat (TWD/Negan FF)Where stories live. Discover now