Kapitel 46 "Sinnbilder"

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„Halt den Mund, Jackson", unterbrach Hadiya ihren älteren Bruder unwirsch und warf ihm einen Blick zu, der alles andere als respektvoll war. Ich musste zugeben, dass mich ihr loses Mundwerk beeindruckte; auf bizarre Art und Weise schien ihr Äußeres ein Spiegel ihrer Seele zu sein. Juvia hatte mit einer solchen Bewunderung und Liebe über sie gesprochen, dass ich mir ein Bild zu ihr gemacht hatte, das kaum noch mit der Realität zu vergleichen war.

Vielleicht hatte der Angriff der Spiegelwesen sie verändert, aber das glaubte ich nicht wirklich. „Immer wenn du redest, bekomme ich Kopfweh und das ertrage ich jetzt nicht." Jackson tat zu meiner Verwunderung, was ihm seine kleine Schwester befohlen hatte. Obwohl sie die jüngste der drei Geschwister war, merkte man, dass sie das Sagen hatte.

„Da wir das jetzt hätten, müsst ihr mir ein paar Fragen beantworten", fuhr sie fort und wandte sich dabei an mich und Victoria. Mit Mühe hatte ich sie davon abhalten können, jeden hier zu erschießen und sie darüber aufgeklärt, dass ich Jackson bereits kannte und gut mit seiner Schwester befreundet war. Zu meiner Überraschung hatte sie schon bald aufgehört, mich zu verwünschen und stattdessen ausnahmsweise mal den Mund gehalten.

„Seit wann kennst du meine Schwester?" Eine widerspenstige Locke rutschte ihr in die Stirn, aber sie strich sie nicht fort. Die Ähnlichkeit zu Juvia war wirklich unglaublich. „Ich hab sie an dem Abend kennengelernt, als es losgegangen ist." „Davor oder danach?" „Kurz davor", antwortete ich wahrheitsgemäß. Jetzt wurde es knifflig, denn ich wollte Juvia nicht in Gefahr bringen. Allerdings traute ich ihrer Schwester auch zu, mit uns kurzen Prozess zu machen, wenn sie merkte, dass ich sie anlog.

„Wie genau habt ihr euch kennengelernt?" Darüber hatte ich schon lange nicht mehr nachgedacht. Es schien schon eine Ewigkeit zurückzuliegen, dabei waren es nur einige Wochen. Ich schaute ihr in die Augen, als ich sagte: „Wir waren zufällig im selben Laden und sind ins Gespräch gekommen. Als wir nach draußen sind, haben wir das für uns erste Opfer dieses Abends gesehen. Eine Gruppe von Mädchen stand aufgelöst um ein blutendes Wrack. Juvia hat den Blutfluss gestoppt, bis der Krankenwagen kam."

„Und was ist mit dir?", richtete Hadiya sich nun an Victoria. „Ich war am Wäsche waschen. Auch als Söldnerin muss man manchmal sowas machen. Jedenfalls hat mich eines der Biester angegriffen und ich musste mich mit einem Bügeleisen verteidigen. Am Anfang hat es ganz schön an meinem Ego gekratzt, dass ich praktisch keine Chance hatte, trotz meinem jahrelangen Training. Aber dann habe ich gemerkt, dass sie körperlich jedem Menschen überlegen sind und auch wesentlich coolere Kräfte haben als wir. Jedenfalls hat mein Team schon kurz darauf den Auftrag bekommen, etwas über das Auftauchen der Spiegelwesen herauszubekommen. Am Anfang hatten wir absolut keine Spuren, aber letztendlich haben uns einige Hinweise zu Dwight Sawyer geführt und auf der Suche nach ihm, sind wir dem hier", mit dem Kopf zeigte sie auf mich, „über den Weg gelaufen. Ihm habe ich es zu verdanken, dass wir jetzt hier sind. Und was macht ihr hier?"

„Juvia hat uns hergeschickt. Sie war nicht sonderlich gesprächig, als wir sie zuletzt zu Gesicht bekommen haben, aber sie hat es unmissverständlich gemacht, dass wir herkommen sollen. Hier gibt es nur leider absolut nichts, das die Arbeit wert gewesen wäre." Nun schaltete sich auch die junge Frau im Sekretärinnen-Outfit ein: „Die PCs enthalten alle dieselben Dateien: Bilder von Menschen, aber die könnten sich überall auf der Erde befinden, falls sie überhaupt noch leben oder wirklich wissen, was man damit gemacht hat."

„Sie sind tot", rutschte es mir heraus, bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte. Nun waren alle Augen auf mich gerichtet und ich räusperte mich unbehaglich. Ich hätte den Mund halten sollen. Leider gab es jetzt kein Zurück mehr, also blieb mir nur die Flucht nach Vorne:

Reflektionen (Ross Lynch/R5)Where stories live. Discover now