Kapitel 14 "Familienjäger"

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Die Ausläufer der Rocky Mountains machten das Gelände um uns herum hügelig. Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs, als die karge Landschaft allmählich grüner wurde. Zu meiner Erleichterung war das Bild hier das Gegenteil zu dem, was wir in der Stadt gesehen hatten. Es waren provisorische Zelte am Rand der Straße aufgeschlagen, Menschen wuselten herum. Die meisten sahen zwar grimmig aus, aber niemand konnte es ihnen verübeln.

Wir machten gegen Abend Rast und stellten den Wagen ein paar hundert Meter von einer kleinen Zeltstadt ab. Kinder jagten sich gegenseitig über ein verlassenes Feld. Der Wind trug ihr Lachen zu uns hinüber. Wenigstens hatten sie noch einen Grund zum Lachen. Ihre Eltern schienen nichts dagegen zu haben, auch wenn ich mein Kind an ihrer Stelle nicht mehr aus den Augen gelassen hätte. Aber hier draußen gab es keine Spiegel, also konnte ihnen auch nichts passieren.

Mich wunderte es, dass die Leute überhaupt die Nerven dazu hatten, etwas zu Essen aufzutreiben. Juvia und mir blieben nur die Sachen aus ihren Vorräten. Wir hatten vor, uns bei den Leuten danach zu erkundigen, was passiert war. Vor allem Juvia war ganz besessen von der Idee, so viel wie möglich über die Geschehnisse herauszubekommen. Ich glaube, sie fand das Ganze unglaublich spannend und aufregend. Das sollte nicht heißen, dass sie gut fand, was passierte, aber daran interessiert war sie trotzdem.

„Kann ich euch helfen?" Ein Mann mittleren Alters kam auf uns zu. Er hatte das Gesicht verzogen und sah aus, als wollte er gleich mit einer Mistgabel auf uns losgehen. Sein Akzent verriet, dass er nicht aus Kalifornien kam, zumindest nicht ursprünglich. Schottland vielleicht. „Vielleicht können Sie das wirklich. Können Sie die Spiegelbilder sehen?" „Welche Spiegelbilder?", fragte er barsch.

Doch dann erhellte Erkenntnis sein Gesicht: „Du meinst die Wesen aus den Spiegeln, die die Menschen angreifen." Obwohl es keine Frage war, nickten wir. „Mein jüngster Sohn kann sie sehen. Ich nicht. Aber ich will sie auch nicht sehen können." „Wäre es nicht gut, wenn man die Gefahr im Blick behalten könnte?", bohrte Juvia. Sie schien wirklich nicht locker lassen zu wollen. Der Mann zuckte mit den Schultern. Sein Drei-Tage-Bart warf dunkle Schatten über seine Wangen. „Sonst noch was?" „Wie lange reichen ihre Reserven hier? Sie haben keine endlosen Mengen an Essen mitgenommen, als es losging."

Die Miene des Mannes wurde grimmig. „Euch geht es nichts an, wie wir überleben. Wir alle hier kennen uns schon seit Jahren. Verschwindet jetzt, anstatt uns noch länger zu belästigen." Gastfreundschaft schien hier nicht sonderlich hoch angesehen zu sein. Juvia machte ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Ich war mir fast sicher, dass sie mit einem bissigen Kommentar antworten würde, aber sie hielt sich zurück. „Tschüss", knurrte sie, als sie sich umdrehte und zwischen den Zelten verschwand.

Ich versuchte nicht einmal, entschuldigend auszusehen, sondern folgte ihr ohne zu zögern. Als ich sie erreichte, sprach keiner ein Wort. Auch als wir am Auto ankamen, und schweigend etwas aßen, blieb es still. Von hier aus konnte man die Kinder sehen, die sich noch immer über das Feld jagten. Ihre unerschöpflichen Kräfte waren zu bewundern. Eine sommerliche Brise knickte die wenigen verbliebenen Halme um, die der Hitze noch nicht nachgegeben hatten.

„Der Weltuntergang macht die Menschen ja echt freundlich", stellte sie schließlich fest. Sie schien ihre Enttäuschung hinuntergeschluckt zu haben. „Was hast du erwartet? Dass sie dich liebend in die Arme schließen und dir ihre letzten Vorräte geben? Die Menschen sind egoistisch und Zeiten wie diesen erstrecht." Juvia nickte und ließ den Kopf hängen: „Ja, leider. Was meinst du, warum der Typ uns so schnell wieder loswerden wollte?"

Ich dachte einen Augenblick darüber nach, bevor ich antwortete. „Wahrscheinlich wollen sie einfach keine Fremden in ihrem Lager haben. In diesen Zeiten keine schlechte Idee, wenn du mich fragst." Augenrollend lehnte sie sich gegen den Wagen: „Man muss es aber auch nicht gleich so übertreiben. Er hat uns ja angeschaut, als würden wir uns gleich in den Hulk verwandeln und seine Kinder fressen." Mit vorwurfsvoll rausgeschobener Unterlippe zeigte sie auf ihren Arm: „Sieht das für dich etwa grün aus?"

Reflektionen (Ross Lynch/R5)Where stories live. Discover now