XVII. Das mit dem Sonnenaufgang in Sydney

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SYDNEY

MELISSA- SEPTEMBER 2016

„Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und ich erwarte, dass sie die Essays nächste Woche pünktlich abgeben." Es entstand ein lautes Rascheln als jeder im Hörsaal seine Sachen zusammenpackte und so schnell wie möglich den Hörsaal verließ. Ich ließ mir im Gegensatz zu meinen Kommilitonen Zeit.

Das war meine letzte Vorlesung für heute und ich hatte niemanden an der Uni mit dem ich regelmäßig redete, sodass ich mich nach irgendjemandem richten musste. Ich hatte gehofft, dass im neuen Semester Dinge anders liefen, aber Fakt war, dass in meinem Studiengang niemand wirklich Interesse daran hatte mit mir auch nur ein Gespräch zu führen. Und wenn doch jemand sein Wort an mich richtete, musste ich schnell feststellen, dass es sich letztendlich nur auf meine Vergangenheit mit bestimmten Personen bezog und die Frage eigentlich nur war, ob ich nicht mit ihnen feiern gehen würde.

Natürlich war ich stolz, dass ich es aufgrund meiner Internetpräsenz geschafft hatte nicht nur einen eigenen Blog auf den Weg zu bringen, sondern mittlerweile fast hauptberuflich Lifestyleberaterin sein könnte. Dennoch wollte ich meinen Uniabschluss. Und dennoch hätte ich es irgendwie aufbauend gefunden, wenn sich noch einige für mich als Menschen interessieren würden.

Aber das passierte nicht. Und ich selbst war viel zu schüchtern um jemanden von mir aus anzusprechen. Seit einigen Wochen beobachtete ich aus der Ferne einen Typen aus meinen Creative Writing Seminar, der mich mit seinen blonden abstehenden Locken und seinen süßen Grübchen den Kopf verdreht hatte. Zweimal hatte ich versucht mit ihm ein Gespräch anzufangen und jedes Mal, hatte er mir mehr als knapp geantwortet um sich dann wieder seinen Freunden zuzuwenden und mich weiterhin zu ignorieren.

Also versuchte ich genauso wie die letzten zwei Semester so wenig Zeit wie möglich an der Universität zu verbringen, sondern mit Mia, Elliott oder anderer Freunde, die ich hauptsächlich durch meinen Blog kannte. Oder ich konzentrierte mich, wenn ich auf Events eingeladen wurde darauf neue Menschen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Denn ich hatte große Pläne. Sobald ich meinen Master in Journalismus hatte, wollte ich mich bei allen großen Mode- und Lifestylemagazinen bewerben, die es gab. Und schon durch Praktika hatte ich gelernt, dass dein Abschluss wichtig war, aber die richtigen Leute zu kennen, war um Längen wichtiger.

Ich eilte durch die hellen Flure und erreichte schließlich mein Fahrrad. Ich schwang mich drauf und bog auf den Fahrradweg, der zu mir nach Hause führte. Laut sang ich die Red Hot Chili Peppers mit, die durch meine Kopfhörer dröhnten. Es war gerade September und es begann wärmer zu werden. Ich zog tief die milde Luft und genoss den Fahrtwind, der durch meine Haare strich.

„Push me against the wall, young Kentucky girl in a push up bra...", sang ich lauthals ohne mich von vorbeifahrenden Menschen aus dem Takt zu bringen.

Schon bog ich in die Einfahrt von dem Haus, in dem sich meine Wohnung befand. Ich schloss mein Fahrrad ab und leicht tänzelnd schritt ich in Richtung Haustür.

„With the birds I'll share this lonely view... yeah, with the birds I'll share this lonely view..." Abrupt blieb ich stehen, als ich die zwei jungen Frauen, die es sich vor meiner Haustür gemütlich gemacht hatte, erkannte.

Verblüfft setzte ich langsam meine Kopfhörer ab. Vor mir standen Eleanor Calder und Sophia Smith. Beide hatte ich seit anderthalb Jahren weder gesehen, noch gesprochen. Ich wusste, dass Eleanor und Louis sehr bald, nachdem wir uns begegnet waren, Schluss gemacht hatten. Auch hatte ich mitbekommen, dass es Gerüchte gab, dass Cheryl von Liam schwanger sein sollte. Was niemand bis jetzt bestätigt oder dementiert hatte.

Doch all das erklärte dennoch nicht, warum Eleanor und Sophia jetzt hier in Sydney vor meiner Haustür saßen. Eleanor machte einen zögernden Schritt auf mich zu machte, bevor sie mich kurz umarmte und mich unsicher anlächelte.

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