XIV. Das mit dem Paradies und der Kampfzone

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LONDON

RACHEL- SEPTEMBER 2016

„Du weißt, dass du Leuten nicht einfach Nasen brechen kannst, oder Engel?" Ich rollte genervt mit den Augen. Eigentlich hatte ich mir mehr Zuspruch von meinen Freunden gewünscht. Doch während Ellie mich nur mit einem „Muss gleich auf den Laufsteg" abwürgte, schien Tony sich nicht ganz von meiner Sichtweise der Geschichte überzeugen zu lassen.

„Er hat mich beleidigt, Tony. Er meinte ich sei eine Gruselpuppe. Wie würdest du darauf reagieren?"

Ich bildete mir ein, Tony am anderen Ende der Leitung amüsiert schnauben zu hören und schnappte empört nach Luft. „Du solltest mich bemitleiden, Tony. Bemitleiden. Und dich nicht über mich lustig machen."

„Tut mir leid, Rachel. Aber die Vorstellung, wie du jemandem einfach eins mit dem Golfschläger reinwürgst ist einfach zum Wegschmeißen. Weiß er, dass du es mit Absicht getan hast?"

„Ich habe mit großen Augen so getan, als hätte ich meinen Golfschläger nicht im Griff. Er hat es mir dennoch nicht abgekauft." Tony lachte laut auf und ich vernahm ein Stuhlquietschen.

„Außerdem schleicht er sich jede Nacht für mehrere Stunden weg und tut am nächsten Morgen so, als wäre er nie weggewesen." Meine Stimme verwandelte sich automatisch in ein Flüstern, obwohl ich mir sehr wohl bewusst war, dass sich außer mir niemand im Haus befand.

„Und wie kommst du auf diese Theorie, Engel?" Obwohl Tonys kritischer Blick fehlte, bemerkte ich ihn schon in seiner Stimme und unmittelbar lief ich feuerrot an. Die Wahrheit war: Ich war jede Nacht der letzten Woche so lange aufgeblieben, bis ich das leise Knarzen der dritten Stufe von der Treppe ins Erdgeschoss gehört hatte, daraufhin war ich ans Fenster gesprintet und hatte Louis beobachtet, wie er sich davonmachte.

Jeden Tag erwartete ich, dass Louis am Morgen immer noch verschwunden war. Und jeden Tag saß er am Morgen pünktlich am Frühstückstisch und mampfte seine Cornflakes, wobei er mich sträflich ignorierte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Die Nase war immer noch blau, obwohl der Bluterguss schon weit zurückgegangen war.

Offenbar wurden auch Fotos von ihm aufgenommen und das Internet spekulierte heftig, woher die Verletzung kam. Die wildeste Theorie war die, dass er sich mit Kendall Jenner um Harry geprügelt hatte. Die Tatsache, dass Kendall Jenner dann wohl mehr Blessuren haben würde als Louis, wurde außen vorgelassen.

Während er mir aufgrund meines beabsichtigen Ausrutscher keinen Blick schenkte, beobachtete ich ihn umso aufmerksamer. Und stellte fest, dass obwohl Louis jeden Morgen springend und lachend gut gelaunt war, mit Harry herumblödelte und Songs besprach, sich dunkle Augenringe jeden Tag tiefer in seine Haut gruben. Er konnte höchstens vier Stunden pro Nacht geschlafen haben. Und das seit mittlerweile mindestens sieben Tagen.

„Ich weiß es einfach, okay?" Ich würde Tony sicher nicht auf die Nase binden, dass ich nachts auf ein Knarzgeräusch wartete und deswegen selber mindestens drei Stunden weniger Schlaf bekam.

„Das muss dich doch gar nichts angehen, Rachel. Selbst wenn er eine Affäre neben seiner Freundin hat, kann dir das doch egal sein." Ich presste fest meine Lippen zusammen. Natürlich hatte Tony Recht. Tony hatte immer Recht.

Dennoch konnte ich ihm gegenüber nicht zugeben, dass ich unbedingt wissen wollte, wo es Louis hintrieb. Jede Nacht spielte ich mit dem Gedanken, ihm einfach zu folgen und jede Nacht verwarf ich diesen Gedanken wieder. Weil es albern war, Louis Tomlinson auszuspionieren, wo ich eigentlich froh war, wenn wir uns nicht in einem Raum aufhalten mussten.

„Natürlich hast du Recht." Ich wusste trotzdem schon in diesem Moment, dass ich heute wieder wachliegen und auf Tomlinsons Schritte achten würde.

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