VI. Das in dem Tony meine Ehre in Frage stellt

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LOS ANGELES

RACHEL- JULI 2016

„Und dann sind wir gemeinsam Hand und Hand zurückgeschlendert. Es war wirklich wunderschön. Heute Abend treffen wir uns wieder. Er will für mich kochen." Ich saß am Küchentisch, mein Kopf in meine Hände gestützt und schwelgte in Erinnerungen an letzte Woche. Es war acht Tage vergangen. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir uns gleich am nächsten Tag wiedertreffen können. Allerdings schien Harry mit seinen Terminen hinterher zu sein und Felix machte in den letzten drei Drehwochen vor der Sommerpause so viel Druck, dass wir meistens bis zu vierzehn Stunden am Set waren.

Danach fiel ich wie ein Stein in mein Bett. Sogar der Samstag war für fünf Stunden Anprobe draufgegangen. Der erste Tag an dem ich endlich wieder frei hatten, war der Sonntag. Harry und ich hatten zweimal in der letzten Woche telefoniert und uns schließlich heute Abend zum Kochen verabredet.

„Hat er dich geküsst?" Emma hing während meiner ganzen Erzählung an meinen Lippen und hibbelte jetzt aufgeregt auf ihrem Stuhl herum, während Isabella bei dem Wort „küssen" ihr Gesicht verzog. Eigentlich war ich morgens bei Tony vorbeigegangen um ihm von meinem Date zu erzählen und ein paar Waffeln abzustauben, doch er schien abgelenkt zu sein und nicht wirklich zuzuhören. Also hatte ich mich irgendwann mit meiner Geschichte an seine kleinen Schwestern gewandt.

„Nein." Emma sah aus als würde sie schmollen, während sich Isabella leicht enttäuscht wieder ihren Hausaufgaben zuwandte. Es sah so aus als würde sie das Alphabet lernen. „Aber vielleicht heute Abend." Ich wandte mich grinsend an Tony, der nur ernst den Teller mit den Waffeln abstellte über den sich die Mädchen sofort hermachten. Dann ließ er sich mit besorgter Miene auf den Stuhl mir gegenüber nieder.

„Das ist toll, dass es für dich gerade so gut läuft Rachel. Aber ich mache mir wirklich Sorgen um Ellie. Sie stürzt sich nur so in die Arbeit. Sie war in der letzten Woche auf drei verschiedenen Kontinenten. Das ist nicht gesund."

Ich seufzte tief. Ich hatte mehrmals mit Ellie telefoniert. Und in einem Punkt hatte Tony recht. Sie verlor sich in Arbeit, so dass sie nicht mehr daraus hervorkam. Aber mir erschien es, als wäre es das Beste, was sie in diesem Moment tun konnte.

„Sie muss sich ablenken. Und wenn sie das erfolgreich schafft, ist das gut."

„Aber..." „Du kannst sie nicht vor allem beschützen, Tony.", unterbrach ich seinen Protest. „Durch Liebeskummer muss jeder durch. Früher oder später wird es besser werden. Ellie wird nicht einbrechen. Sie ist stark."

Mein bester Freund sah verzweifelt umher. „Ich will ihr nur helfen."

Ich griff nach seiner Hand. „Das kannst du nicht. Du kannst nur für sie da sein, wenn sie dich braucht." Tony starrte eine Weile regungslos auf die Tischplatte bis er schließlich tief Luft einsog. Dann nickte er kurz. „Wahrscheinlich hast du recht." Dann sah ich das erste Mal am heutigen Tag ein Lächeln über sein Gesicht huschen. „Du und Prinz Charming, hm? Ich weiß ja nicht, ob ich das gut finden soll." Ich schnappte spielerisch empört nach Luft. Tony spielte sich aus Spaß immer als Anstandswauwau auf. Das hatte er schon bei Alan getan, dabei war er mit ihm befreundet und wir hatten uns damals über Tony kennengelernt. „Ich muss doch sehr bitten. Wie können sie nur meine Ehre in Frage stellen?", spielte ich das Spiel mit.

Seit ich in Golden Streets ständig Dialoge aus den 1930ern vorgesetzt bekam, fiel es mir nicht schwer diese Ausdrucksweise auch im Alltag anzuwenden. „Ich bitte vielmals um Verzeihung, Miss Specter. Mein Benehmen war nur allzu dreist." Tony zwinkerte mir zu, während er sich eine weitere Waffel in den Mund schob. Ich prustete in meine Kaffeetasse, fast hätte ich alles über den ganzen Tisch verteilt.

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